„Aus dieser Krise ergeben sich auch Chancen.“

Fünf Fragen an Rachel Empey, Finanzvorständin von Fresenius

Der Gesundheitsmarkt gilt als krisensicher. In Ihrem Konzern jedoch hat die Pandemie in vielen Bereichen – wie Dialyse und Krankenhaus – die Behandlungszahlen und damit die Planungen über den Haufen geworfen. Wie genau wurde Ihr Unternehmen getroffen?

Corona war und ist für uns eine große Herausforderung. Vor allem natürlich eine medizinische. Daneben ist es aber auch eine wirtschaftliche Belastung. Wenn Wirtschaftskreisläufe unterbrochen werden, schadet das auch uns. Vor allem aber ist Fresenius weit mehr als nur Intensivmedizin. Wir hatten und haben in allen vier Unternehmensbereichen erhebliche Einschränkungen durch die Pandemie, für die wir nur zum Teil einen Ausgleich erhalten. Ein Beispiel ist der Rückgang der so genannten elektiven – also nicht akuten – Operationen fast  überall auf der Welt. Das wirkt sich auf das Krankenhaus-Geschäft bei Fresenius Helios aus, bedeutet aber auch weniger Bedarf an vielen Produkten von Fresenius Kabi.

Was sind Ihre Lehren aus diesen Entwicklungen? Steuern Sie in Zukunft unter höherer  Unsicherheit oder richten Sie Ihre Strategie stärker auf ähnliche Pandemien aus?
Corona ist sicher nicht die letzte Pandemie, weitere werden folgen – fraglich ist nur, wann. Wir werden uns und unsere Risikomanagementsysteme entsprechend justieren müssen und weiter an unserer Krisenfestigkeit arbeiten. Es gilt aber auch, die Chancen zu ergreifen, die sich aus einer solchen Krise ergeben. Nehmen Sie das Beispiel Digitalisierung: Hier wirkt Corona wie ein  Katalysator. Das setzen wir unternehmerisch um in neue Modelle der digitalen Gesundheitsversorgung. Oder der Dialyse zu Hause. Die langfristigen Wachstumstrends sind jedenfalls intakt; Die Nachfrage nach unseren Produkten und Dienstleistungen steigt weiter an  und wir sehen uns als Konzern hervorragend aufgestellt, um in den nächsten Jahren weiter zu wachsen.

Fresenius hat angekündigt, die Effizienz zu steigern: Wenn das nicht nur über Kostenreduktionen gehen soll, wo sehen Sie denn künftig ertragsstarke Bereiche im Gesundheitssektor?
Wir sehen in allen unseren angestammten Kerngeschäften gute Voraussetzungen für weiteres Wachstum. Das angekündigte Maßnahmenpaket zur Steigerung unserer Effizienz und Profitabilität wird uns helfen, uns noch stärker auf wachstumsstarke Bereiche zu fokussieren und in diese zu investieren. Zu den zukunftsträchtigen Bereichen, in denen wir uns bereits engagieren, gehören beispielsweise Biosimilars, Heimdialyse, Reproduktions- und Telemedizin. Hier sehen wir zusätzliches Wachstumspotenzial – weil sie den veränderten Bedürfnissen unserer Patientinnen und Patienten entsprechen. Und weil sie dazu beitragen, die Gesundheitssysteme zu entlasten.

Fresenius und auch Fresenius Medical Care haben kürzlich ihre Finanzierung aktualisiert und erstmals Kreditlinien mit einer Nachhaltigkeitskomponente vereinbart. Wie kam es dazu?
Im vergangenen Jahr haben wir sowohl bei Fresenius als auch bei Fresenius Medical Care ambitionierte Nachhaltigkeitsprogramme aufgelegt. Nachhaltigkeitskennzahlen haben bereits Einfluss auf die kurzfristige variable Vergütung der Vorstandsmitglieder. Dass wir die revolvierenden Kreditlinien als eines der wichtigsten Finanzierungsinstrumente beider Konzerne nun auch mit einer Nachhaltigkeitskomponente strukturiert haben, unterstreicht die zunehmende Bedeutung des Themas.

Ist nach Ihrer Einschätzung der deutsche Gesundheitsmarkt für die Digitalisierung und den Trend von der stationären zur ambulanten Behandlung gut vorbereitet?
Bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens sind andere Länder schon weiter als Deutschland. Wir sehen das beispielsweise im Vergleich mit Spanien und den USA. Aber auch in Deutschland wächst das Interesse an digitalen Angeboten von der Online-Terminbuchung über die digitale Krankenakte bis zur virtuellen Sprechstunde. Fresenius gestaltet diese Entwicklung  über Digitalisierungsinitiativen in allen Unternehmensbereichen aktiv mit. So wird beispielsweise Helios künftig alle Patientinnen und Patienten auf ihrem gesamten Behandlungsweg digital durchgehend begleiten können – unabhängig davon, ob diese sich in der Klinik aufhalten oder in einem ambulanten Zentrum behandelt werden.

Wir haben auch die revolvierenden Kreditlinien mit einer Nachhaltigkeitskomponente strukturiert.

Rachel Empey, CFO, Fresenius SE & Co. KGaA

Das aktuelle Handelsblatt Journal
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Finance“ erschienen.

Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:
Zum Journal