Aufräumen bei der betrieblichen Altersversorgung – Chancen und Risiken bei der Abfindung von Versorgungsanwartschaften

Es gibt zahlreiche Gründe, um bei der betrieblichen Altersversorgung „aufzuräumen“: Die Reduktion von Verwaltungsaufwand, ein Abbau finanzieller Risiken oder die Optimierung der Bilanz sind nur Beispiele. Mittel der Wahl ist die Abfindung, also der Verzicht des Begünstigten auf seine Ansprüche im Austausch gegen eine Zahlung. Bei Abfindungsprogrammen ist jedoch Vorsicht geboten, denn vorschnell vereinbarte Abfindungen können im Ergebnis teuer für das Unternehmen werden. Rentenanwartschaften dürfen nämlich nur in den Grenzen des § 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) abgefunden werden. Dieser regelt, wann Abfindungsvereinbarungen zulässig sind, unter welchen Umständen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer eine Abfindung auch gegen den Willen der anderen Seite verlangen kann und wie die Abfindung zu berechnen ist.

Welche Risiken bestehen bei Abfindungen?

Sensibilität für den Problemkreis ist wichtig, denn nicht selten geht es um erhebliche Beträge – insbesondere, wenn mehrere Arbeitnehmer abgefunden werden sollen.

Abfindungsvereinbarungen, die gegen § 3 BetrAVG verstoßen, sind unwirksam. Daher bleiben die Ansprüche des Arbeitnehmers bestehen, sodass dieser trotz Erhalt der Abfindung später eine entsprechende Rente verlangen kann. Durch die Rechtsprechung ist nicht abschließend geklärt, ob der Arbeitgeber den erfolglos gezahlten Abfindungsbetrag stets zurückfordern oder auf die ausstehenden Rentenansprüche anrechnen kann. Eine Doppelzahlung von Abfindung und Rentennachzahlung ist daher nicht ausgeschlossen.

Wann kann der Arbeitgeber einseitig ablösen?

Neben den Einschränkungen für Abfindungsvereinbarungen gewährt § 3 BetrAVG sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern Ablösungsrechte, nach denen Rentenanwartschaften ohne Zustimmung des jeweils anderen abgefunden werden können.

Zunächst können Arbeitgeber auch gegen den Willen des Arbeitnehmers Bagatellanwartschaften abfinden. Dabei handelt es sich um Anwartschaften, bei denen der Monatsbetrag der resultierenden laufenden Leistung bei Erreichen der Altersgrenze 1% der monatlichen Rentenbezugsgröße nicht übersteigt. Bei Kapitalleistungen beträgt der Grenzwert 120% der monatlichen Bezugsgröße. Für 2021 bedeutete das EUR 32,90 bzw. EUR 31,15 (Ost) bei laufenden Leistungen und EUR 3.948,00 bzw. EUR 3.738,00 (Ost) für Kapitalleistungen. Ausnahmen von diesem Abfindungsrecht bestehen nur, wenn der Arbeitnehmer von seinem Recht auf Übertragung der Anwartschaft Gebrauch macht oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein neues Arbeitsverhältnis im EU-Ausland eingeht und dies innerhalb von drei Monaten mitteilt.

Ein weiteres Abfindungsrecht gewährt die Norm im Falle der Insolvenz. Wird das Unternehmen nach einem Insolvenzverfahren unter Einstellung der Betriebstätigkeit liquidiert, können die Anwartschaften, die während des Verfahrens erdient worden sind, einseitig abgefunden werden.

Wovon kann man sich einvernehmlich trennen?

Im Ausgangspunkt kann jede Anwartschaft oder laufende Leistung durch Vertrag abgefunden werden, solange das Verbot des § 3 BetrAVG nicht entgegensteht. Dieses ist jedoch relativ umfangreich.

Während des laufenden Arbeitsverhältnisses umfasst das Verbot die gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften, wenn ein Zusammenhang zwischen der Abfindung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht. Damit sind zum einen Abfindungsvereinbarungen über Anwartschaften zulässig, die nicht oder nur auf grund einer vertraglichen Regelung unverfallbar sind. Vor allem können jedoch Abfindungen vereinbart werden, soweit keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Raum steht. Es kommt darauf an, ob ein Zusammenhang zwischen der Beendigung und der Abfindung besteht. Dies muss nicht notwendigerweise ein zeitliches Zusammentreffen bedeuten: Maßgeblich ist vielmehr eine inhaltliche Verknüpfung. In jedem Fall unwirksam sind damit Abfindungsvereinbarungen in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen und solche, die nach einer bereits ausgesprochenen Kündigung getroffen werden. Das Verbot kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Vereinbarung vor dem Ausspruch der Kündigung erfolgt, wenn letztere schon geplant ist.

Für bereits laufende Leistungen dürfen keine Abfindungen vereinbart werden, es sei denn, sie wurden erstmals vor dem 01.01.2005 gezahlt (präziser: hätten gezahlt werden müssen). Denn das Abfindungsverbot für laufende Leistungen wurde erst zu diesem Zeitpunkt durch das Alterseinkünftegesetz eingeführt. § 30g Abs. 3 BetrAVG regelt insoweit, dass die neue Regelung nicht rückwirkend anzuwenden ist.

Vorsicht ist schließlich bei Betriebsübergängen geboten. In der Vereinbarung von Abfindungen beim Veräußerer im Vorfeld des Inhaberwechsels kann eine unzulässige Umgehung von § 613a BGB, der Vorschrift zum Betriebsübergang, liegen. Dies ist insbesondere bei der Due Diligence vor einer Akquisition zu prüfen.

Besonderheiten bei Organen der Gesellschaft

Erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten bestehen für die Anwartschaften von Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften – insbesondere also GmbH-Geschäftsführer. Die Rechtsprechung ermöglicht Organen und den Gesellschaften, von den Vorschriften des BetrAVG im gleichen Umfang abzuweichen, wie dies Tarifvertragsparteien möglich wäre. Im Ergebnis ist die Abfindung daher für amtierende Gesellschaftsorgane möglich, sodass beispielsweise in deren Dienstverträge weitergehende einseitige Abfindungsrechte der Gesellschaft aufgenommen werden können oder die Abfindung in einem Aufhebungsvertrag vereinbart werden kann. Es gelten nur die allgemeinen Bestimmungen – beispielsweise zur Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen. Für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer gelten die Regelungen des BetrAVG und damit die Einschränkungen für die Abfindung nicht.

Wann können Arbeitnehmer eine Abfindung verlangen?

In praktisch seltenen Fällen haben auch Arbeitnehmer die Möglichkeit, einseitig eine Abfindung zu beanspruchen. Dies setzt voraus, dass ihre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erstattet wurden. Das betrifft zum einen nicht versicherungspflichtige Versicherte, die kein Recht zur freiwilligen Versicherung haben. Zum anderen kann dies bei Versicherten oder deren Hinterbliebenen der Fall sein, wenn die Regelaltersgrenze erreicht, aber die Wartezeit noch nicht erfüllt wurde.

Höhe der Abfindung

Sind abfindbare Anwartschaften oder laufende Leistungen identifiziert, müssen die Vorgaben für die Höhe der Abfindung beachtet werden. Die Abfindung muss nach herrschender Meinung auch außerhalb der in § 3 BetrAVG vorgesehenen Abfindungsfälle mindestens dem Betrag entsprechen, der im Falle einer Übertragung der Anwartschaft oder laufenden Leistung auf einen neuen Arbeitgeber maßgeblich wäre. Sie ist nicht gleichzusetzen mit dem Betrag der Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz. Bei einer Direktzusage oder einer Unterstützungskasse entspricht dies dem Barwert der künftigen Versorgungsleistung im Zeitpunkt der Abfindung. Dieser ist nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu berechnen. Bei Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung ist der Mindestbetrag gleich dem gebildeten Kapital im Zeitpunkt der Übertragung. Freiwillige Abfindungsprogramme sind nur dann effektiv, wenn auch genügend Arbeitnehmer daran teilnehmen. Dies ist leichter zu erreichen, wenn die Abfindungssumme für die Arbeitnehmer attraktiver ist als die künftige Rentenleistung.

Zustimmungserfordernisse des Betriebsrats

Schließlich ist noch zu beachten, dass die Wirksamkeit einer Abfindungsregelung häufig von der Zustimmung des Betriebsrats abhängt, wenn im Unternehmen ein solcher besteht. Dies betrifft zunächst alle Anwartschaften und laufenden Leistungen, die sich aus einer Betriebsvereinbarung ergeben. Denn das BetrVG sieht vor, dass ein Verzicht auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich ist. Eine Abfindungsregelung ist stets auch mit dem Verzicht auf die Anwartschaft verbunden. Weiter besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn eine Regelung geschaffen wird, die sich auf mehrere Arbeitnehmer auswirkt. Soll beispielsweise ein Abfindungsprogramm eingeführt werden, das Abfindungsmöglichkeiten nach allgemeinen Regeln vorsieht, ist der Betriebsrat einzubinden.

Fazit

Festzuhalten bleibt, dass Abfindungen ein nützliches Werkzeug sein können, um sich von unliebsamen Rentenansprüchen zu befreien. Unternehmen und ihre Geschäftsführer müssen sich jedoch bewusst sein, dass eine solche Abfindung nicht immer zulässig ist und Verstöße gegen die Abfindungsverbote mit erheblichen finanziellen Schäden verbunden sein können. Bei dem Abschluss einer Vereinbarung oder der Einführung eines Abfindungsprogramms ist zudem darauf zu achten, dass die Höhe der Abfindung angemessen gewählt wird und eventuell der Betriebsrat beteiligt wird. Für wirtschaftlich bedeutende Vereinbarungen oder Programme empfiehlt sich daher eine professionelle Beratung.