Die Klimakrise wird in erster Linie durch die Anreicherung von Kohlendioxid (CO₂) in der Atmosphäre verursacht. Neben schnellen und tiefgreifenden Emissionsminderungen brauchen wir deshalb auch die aktive Entfernung von CO₂ aus der Luft – sogenanntes Carbon Dioxide Removal (CDR), auch als negative Emissionen bekannt.
Nahezu alle Szenarien, die mit dem 1,5 °C-Ziel vereinbar sind, sehen den massiven Ausbau der atmosphärischen CO₂-Entnahme vor: bereits ab 2030 im weltweiten Gigatonnenmaßstab, bis 2050 zwischen 5 und 16 Milliarden Tonnen jährlich.
Besonders im Falle einer Temperaturüberschreitung (Overshoot-Szenario) spielt CDR eine enorme Rolle: Nur durch aktive Entnahme lässt sich überschüssiges CO₂ wieder senken und die globale Erwärmung zurück auf ein sichereres Niveau bringen.
Wie funktioniert CO₂-Entnahme?
CDR umfasst zwei fundamentale Schritte:
- Entzug von CO₂ aus der Luft oder dem Ozean – durch natürliche Prozesse wie Photosynthese oder technische Verfahren wie Direct Air Capture.
- Dauerhafte Speicherung – in geologischen Formationen, Böden, Biomasse oder langlebigen Produkten.
Damit unterscheidet sich CDR von klassischer CO₂-Abscheidung an Punktquellen (CCS), die Emissionen reduziert, aber kein CO₂ aus der Atmosphäre entfernt.
Die wichtigsten Methoden
- Aufforstung und Wiederaufforstung: Bäume binden Kohlenstoff über Jahrzehnte.
- Direkte Luftabscheidung (DACCS): Maschinen filtern CO₂ aus der Umgebungsluft und speichern es unterirdisch.
- Böden und Biochar (Pflanzenkohle): nachhaltiges Bodenmanagement, Humusaufbau sowie Pflanzenkohle erhöhen den Kohlenstoffgehalt im Boden.
- Biomasse mit Speicherung (BECCS/BiCRS): Pflanzen nehmen CO₂ auf, das anschließend bei Nutzung mit CCS dauerhaft gespeichert wird.
- Ozeanbasierte Verfahren: darunter ozeanische Alkalinitätsanreicherung (OAE), Ozeandüngung sowie elektrochemische CO₂-Entnahme (Direct Ocean Capture).
- Mineralisierung und beschleunigte Verwitterung: CO₂ wird dauerhaft in Gestein gebunden.
- Langlebige Produkte: Bauholz oder CO₂-mineralisierter Beton speichern Kohlenstoff über Jahrzehnte bis Jahrhunderte.
Chancen und Herausforderungen
Alle Methoden unterscheiden sich in Kosten, Geschwindigkeit, Dauerhaftigkeit und Risiken. Aufforstung ist vergleichsweise kosteneffizient, aber anfällig für Rückschläge (z. B. Brände, Schädlinge). Technische Verfahren sind teurer, bieten aber dauerhaftere Speicherung und große Skalierungspotenziale.
Politische und regulatorische Weichenstellungen
- Klare rechtliche Rahmenbedingungen und langfristige Strategien können Investitionen absichern und Planungssicherheit für Unternehmen schaffen.
- Gezielte Förderung von Forschung, Entwicklung und Pilotprojekten bietet die Möglichkeit, Technologien schneller aus dem Labor in die Anwendung zu bringen.
- Stärkere und verlässlichere Anreizsysteme und Kohlenstoffmärkte könnten privates Kapital mobilisieren und CDR wirtschaftlich tragfähig machen.
- Transparente Kommunikation und öffentliche Beteiligung eröffnen die Chance, Missverständnisse auszuräumen und gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen.
- Internationale Governance-Mechanismen ermöglichen fairere Lastenverteilung, etablieren Standards für Monitoring und Verifizierung und vermeiden Fehlanreize.
Fazit
CO₂-Entnahme ist unverzichtbar, darf aber nie als Ersatz für Emissionsminderungen verstanden werden. Nur die Kombination aus beidem eröffnet die Chance, die Klimaziele zu erreichen. Ein Portfolio-Ansatz ist notwendig: kurzfristig bewährte Methoden hochskalieren, parallel neue Technologien entwickeln – damit wir bis Mitte des Jahrhunderts nicht nur „netto-null“, sondern auch „netto-negativ“ erreichen können.
