2021: Startschuss für die Wasserstoffwirtschaft

Wasserstoff ist zurzeit in aller Munde. Im Jahr 2020 haben sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Kommission ihre Pläne zum Hoffnungsträger der Energiebranche veröffentlicht. Gleichzeitig arbeiten viele deutsche Bundesländer und unsere europäischen Partner an eigenen Strategien. Mittlerweile ist überall klar: wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen wollen, ist Wasserstoff einer der wesentlichen Schlüssel, neben der gesetzten erneuerbaren Stromerzeugung. Zudem bietet er enorme Potenziale für die deutsche Industrie. Doch die Herausforderungen sind groß, denn um neue Wertschöpfungsketten für H2 aufzubauen und in eine industrielle Skalierung zu kommen, müssen viele Player und auch die Politik koordiniert und zielgerichtet zusammenarbeiten. Es ist – wie alle Bereiche der Energiewende – eine Aufgabe für die kommenden Jahrzehnte. Denn der Klimawandel schreitet ungebremst voran. Wir müssen in 2021 endlich loslegen!

Eine gute Nachricht vorneweg: Transportinfrastruktur, um Wasserstoff von der Erzeugung zum Verbraucher zu bringen, ist in weiten Teilen bereits mit der bestehenden Gasinfrastruktur vorhanden. Etwa 500.000 km Pipelines von der Ferngasstufe bis zum Endkunden liegen im Boden. Sie können schon heute große Energiemengen transportieren und genießen gleichzeitig hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Ein großer Anteil wird zukünftig für Wasserstoff genutzt werden können, besonders dort, wo so kundenseitig zu volkswirtschaftlich geringstmöglichen Kosten dekarbonisiert werden kann.

Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start der Wasserstoffwirtschaft 2021 in Deutschland
Um zu verstehen, wie sich Wasserstoffwirtschaft entwickeln kann, ist die Erfolgsgeschichte von Erdgas und LNG in den letzten Jahrzehnten guter Anschauungsunterricht. Unsere Vision sieht wie folgt aus:

  1. Die Gasfernleitungen stehen bereit, sie können zeitnah große Mengen Wasserstoff transportieren. Dazu müssen wir das EnWG anpassen.
  2. Wasserstoff startet über die Nachfrageseite, und zwar erstmal mit Mengen für Deutschland aus Deutschland (das ist vor allem wichtig, damit sich die deutsche Wasserstofftechnologie weiterentwickelt, weiterhin führend bleibt und international einsetzbar wird). Es wird sich aber schnell ein europäischer und sehr bald auch ein internationaler Markt entwickeln. Die „Pull“ von der Nachfrageseite zeigt, dass hier politische Anreize nötig sind. Es muss sich für Kunden lohnen klimaneutralen Wasserstoff einzusetzen. Dazu müssen geeignete politische Instrumente entwickelt werden.
  3. So entsteht zwischen Erzeugungsanlagen und ersten Großabnehmern aus Industrie oder Mobilität ein erstes Startnetz für reinen Wasserstoff – überwiegend durch Umnutzung aus Erdgasleitungen – das im Zeitablauf geographisch wächst und grenzüberschreitend wird. Dazu brauchen wir eine stärkere Integration der Systemplanung. Gleichzeitig beginnen entlang der Transportrouten für reinen Wasserstoff weitere Sektoren und Anwendungsfälle zum Tragen zu kommen. Und Verteilnetze beginnen damit, Wasserstoff beizumischen.
  4. Der steigende Bedarf an Wasserstoff weckt zusehends das Interesse von internationalen Investoren, die in großskalige Erzeugung investieren wollen, besonders in Ländern mit ausreichendem Potenzial für erneuerbarer Energie. Zum Beispiel in Portugal, Spanien oder in Norwegen, den Niederlanden und Schottland, aber auch über Europa hinaus. So entsteht ein europäischer Wasserstoffmarkt mit zunehmender Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähigen Preisen. Ich halte es für realistisch, dass zwischen 2030 und 2040 grüner Wasserstoff tatsächlich mit heutigem fossil erzeugten grauen Wasserstoff preislich konkurrieren kann, wenn die entsprechenden Größenordnungen erreicht werden können.
  5. Bis in die 2030er Jahre entstehen große „H2-Autobahnen“, die Verbrauchsschwerpunkte mit Erzeugungsgebieten in Europa und darüber hinaus verbinden. Angeschlossene H2-Speicher liefern Saisonalität und helfen, bedarfsgerechte Lieferungen sicherzustellen. Wasserstoff wird für alle Kundengruppen einsetzbar und verfügbar sein. In weiten Teilen Europas spielt Wasserstoff auch in der Mobilität sowie im Wärmemarkt eine Rolle in Ergänzung zum Strom und zu Biomethan, regional stark unterschiedlich und mit unterschiedlichen Technologien.
  6. Wasserstoff wird auf einem liquiden Markt in Europa gehandelt. In Erwartung, dass andere Regionen der Erde „nachziehen“, bildet sich auch ein globaler Markt für H2 oder entsprechend verwandte Produkte (z. B. grünes Ammoniak). Deutschland hat es geschafft sich eine Technologieführerschaft zu sichern. Zwischen 2040 und 2050 werden so die Lücken geschlossen und die letzten verbleibenden CO2-Quellen dekarbonisiert. ■

 

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