Zustimmungserfordernisse bei M&A-Transaktionen über das ganze Gesellschaftsvermögen

Dr. Tobias Grau, Rechtsanwalt, Partner, CMS und Militsa Decheva, Rechtsanwältin, Associate, CMS

Im Rahmen von M&A-Transaktionen gibt es viele rechtliche und wirtschaftliche Fragestellungen, die jeder GmbH-Geschäftsführer zu beachten hat. Eine zentrale und haftungsträchtige Frage ist, ob er trotz seiner grundsätzlich unbeschränkten Geschäftsführungsbefugnis die Zustimmung der Gesellschafter einholen muss. Diese Frage stellt sich sowohl auf Verkäufer- als auch auf Käuferseite. Allerdings können sich unter Umständen für den Geschäftsführer einer Verkäufer-GmbH weiterge-hende Einschränkungen seiner Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ergeben. Mit einem solchen Fall hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) jüngst auseinandergesetzt und für den Fall der Veräußerung des ganzen Vermögens einer GmbH Klarheit geschaffen.

ZUSTIMMUNGSERFORDERNIS NACH § 179A AKTG ANALOG

Gegenstand der BGH-Entscheidung vom 8. Januar 2019, Az. II ZR 364/181 war die Frage, ob der GmbH-Geschäftsführer verpflichtet war, vor der Veräußerung eines Betriebsgrundstücks, welches den einzigen wesentlichen Vermögensgegenstand der GmbH darstellt, einen notariell beurkundeten zustimmenden Gesellschafterbeschluss einzuho-len. In anderen Worten: Ob die entsprechende Vorschrift im Aktienrecht (§ 179a AktG) auf die GmbH anwendbar ist. Der BGH hat dies verneint.

Gemäß § 179a Abs. 1 AktG bedarf ein Vertrag über die Veräußerung des ganzen oder zumindest wesentlichen Vermögens einer Aktiengesellschaft außerhalb des Umwandlungsrechts eines vorherigen Beschlusses der Hauptversammlung. Fehlt dieser, ist der Übertragungsvertrag im Außenverhältnis (schwebend) unwirksam und kann nur durch die Genehmigung der Hauptversammlung Wirksamkeit erlangen.

Lange war umstritten, ob bei der Veräußerung des ganzen oder wesentlichen Gesellschaftsvermögens einer GmbH die Zustimmung der Gesellschafterver-sammlung in analoger Anwendung des § 179a AktG eingeholt werden muss. Die herrschende Meinung hatte dies bejaht. Darüber hinaus haben die Befür-worter einer analogen Anwendbarkeit der Vorschrift jedenfalls für die GmbH vertreten, dass der Gesell-schafterbeschluss notariell zu beurkunden ist2. In der Praxis waren die GmbH-Geschäftsführer daher gehalten, in den Fällen der Übertragung des ganzen oder wesentlichen Gesellschaftsvermögens einen notariell beurkundeten zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeizuführen, um das Risiko der Unwirksamkeit des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts von vornherein auszuschließen. Dabei wurden die höheren Kosten im Zusammen-hang mit der notariellen Beurkundung des Gesell-schafterbeschlusses oft in Kauf genommen.

Der BGH hat mit seinem Urteil der lang geführten Diskussion und der damit einhergehenden Rechts-unsicherheit ein aus Sicht der Praxis erfreuliches Ende gesetzt. Es ist nunmehr höchstrichterlich entschieden, dass § 179a AktG nicht analog auf die GmbH anwendbar ist. Seine Ent-scheidung hat der BGH im Wesentlichen damit begründet, dass eine planwidrige Regelungslücke fehlt und eine Vergleichbarkeit der Tatbestände nicht vorliegt, da die Gesellschafter einer GmbH – an-ders als die Aktionäre – über stärkere Mitwirkungs-, Kontroll- und Informationsrechte verfügen. Da die GmbH-Gesellschafter weniger schutzbedürftig sind, besteht kein Bedarf für die analoge Anwen-dung des § 179a AktG auf die GmbH.

WEITERE ZUSTIMMUNGSERFORDERNISSE

Gleichwohl darf der GmbH-Geschäftsführer nicht vorschnell davon ausgehen, dass kein zustimmender Gesellschafterbeschluss für den beabsichtigten Verkauf erforderlich ist. Es ist vielmehr im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob sich ein Zustimmungserfordernis aus anderen Gründen ergibt.

Geschriebene Zustimmungserfordernisse

In der Regel enthält bereits der Gesellschaftsvertrag oder die Ge-schäftsordnung für die Geschäftsführung einen Katalog der zustim-mungspflichtigen Geschäfte. Dazu gehören typischerweise die Ver-äußerung von Betrieben, Teilbetrieben oder Vermögensteilen, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Wesentlichen einen Betrieb oder Betriebsteil ausmachen, die Veräußerung von Beteiligungen an anderen Unternehmen oder die Veräußerung von Grundstücken.3 Wei-terhin können die Gesellschafter bestimmte Rechtsgeschäfte durch Ad hoc-Gesellschafterbeschlüsse von ihrer Zustimmung abhängig machen4. Die GmbH-Geschäftsführer sind in diesen Fällen verpflichtet, die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen.

Zustimmungserfordernis aufgrund der Bedeutung des Geschäfts

Darüber hinaus besteht eine Pflicht des GmbH-Geschäftsführers zur Herbeiführung eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses bei Vornahme von außergewöhnlichen oder besonders bedeutenden Geschäften5. Dabei handelt es sich um Geschäfte, die einen nach-haltigen Einfluss auf die Interessen des Unternehmens und der Gesellschafter haben6. Dies gilt laut BGH insbesondere für die Ver-pflichtung zur Übertragung des ganzen oder wesentlichen Gesell-schaftsvermögens einer GmbH, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag einen solchen Zustimmungsvorbehalt nicht enthält. Insoweit wird die Geschäftsführungsbefugnis des GmbH-Geschäftsführers bei Vorlie-gen von Maßnahmen und Rechtsgeschäften von außergewöhnlicher Bedeutung für die GmbH, wie z.B. der Veräußerung ihres ganzen Ver-mögens, eingeschränkt.

Anforderungen an den zustimmenden Gesellschafterbeschluss

Vieles spricht dafür, dass der BGH – anders als Stimmen in der Literatur – nicht von einer Beurkundungspflicht ausgeht, sondern formlose Gesellschafterbeschlüsse ausreichen lässt. Denn zur Begründung des Zustimmungserfordernisses bei besonders bedeutenden Geschäften verweist der BGH lediglich auf die Vorlagepflicht gemäß § 49 Abs. 2 GmbHG, die keine Beurkundungspflicht hervorruft. In der Literatur wird jedoch teilweise vertreten, dass die Übertragung des ganzen oder wesentlichen Gesellschaftsvermögens regelmäßig einer Sat-zungsänderung gleichsteht, die gemäß § 53 Abs. 2 GmbHG einen notariell zu beurkundenden Gesellschafterbeschluss mit Dreiviertel-mehrheit fordert

RECHTSFOLGEN BEI FEHLENDEM ZUSTIMMENDEM GE-SELLSCHAFTERBESCHLUSS

Rechtsfolgen für den Geschäftsführer

Eine Missachtung eines Zustimmungserfordernisses durch den GmbH-Geschäftsführer kann dazu führen, dass er abberufen wird oder sich gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig macht.

Rechtsfolgen für das Geschäft

Außerhalb des (analogen) Anwendungsbereichs des § 179a AktG hat sie jedoch grundsätzlich keine Außenwirkung. Der Vertragspartner der GmbH darf grundsätzlich auf die unbeschränkte und gemäß § 37 Abs. 2 GmbHG unbeschränkbare Vertretungsmacht des GmbH-Geschäfts-führers vertrauen. Holt der GmbH-Geschäftsführer keinen zustimmen-den Beschluss ein, ist der abgeschlossene Vertrag dennoch wirksam.

Unter Umständen kann jedoch der fehlende zustimmende Gesellschaf-terbeschluss auch auf das Außenverhältnis durchschlagen. Dies ist nach den aus dem Gedanken der missbräuchlichen Rechtsausübung entwickelten Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht durch den Geschäftsführer dann der Fall, wenn die Überschreitung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers im Innenverhältnis dem Vertragspartner bekannt ist oder sich ihm geradezu aufdrängen muss. In einem solchen Fall ist der Vertragspartner nicht schutzwürdig und kann aus dem Vertrag keine Rechte herleiten. Das Rechtsgeschäft ist vielmehr unwirksam. Dies gilt erst recht, wenn der Vertragspartner mit dem GmbH-Geschäftsführer kollusiv zusammenwirkt.

NACHFORSCHUNGSPFLICHTEN

Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers ist der Vertragspartner eigentlich nicht verpflichtet, die internen gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, was auch für öffentlich zugängliche Unter-lagen wie z.B. den Gesellschaftsvertrag gilt7. Er darf darauf vertrauen, dass die ggf. erforderliche Zustimmung eingeholt wurde, es sei denn es liegen konkrete Anhaltspunkte für das Gegenteil vor8. Nun hat der BGH allerdings ausgeführt, dass den Vertragspartner der Gesell-schaft eine Erkundigungsobliegenheit treffen kann, wenn das Unternehmen als Ganzes veräußert wird. Dem Geschäftsführer der Käufer-GmbH ist in diesen Fällen daher zu empfehlen, einen entsprechenden Zustimmungsbeschluss anzufordern.

FAZIT

Die BGH-Entscheidung ist von großer Relevanz für die Praxis. Es ist nunmehr klargestellt, dass der zustimmende Gesellschafterbeschluss in den Fällen der Übertragung des ganzen oder wesentlichen Ge-sellschaftsvermögens einer GmbH nicht in analoger Anwendung des § 179a AktG notariell beurkundet werden muss. Weiterhin steht fest, dass die Missachtung des Zustimmungserfordernisses die Wirksam-keit des Rechtsgeschäfts im Außenverhältnis grundsätzlich nicht berührt. Etwas anderes gilt nur in den Fällen der Evidenz der Über-schreitung der Vertretungsmacht durch den Geschäftsführer.

Im Hinblick auf das Erfordernis eines Zustimmungsbeschlusses hat sich allerdings durch die BGH-Entscheidung im Ergebnis nichts ge-ändert. Ein Gesellschafterbeschluss ist in solchen Fällen in der Regel – auch ohne Rücksicht auf § 179a AktG – entweder nach den ge-sellschaftsvertraglichen Regelungen oder aufgrund der Bedeutung dieses Rechtsgeschäfts erforderlich.

In beiden Fällen ist sowohl auf Verkäufer- als auch auf Käuferseite darauf zu achten, dass einem ggf. bestehenden Zustimmungserfordernis Genüge getan wird

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass eine Veräußerung des ganzen oder wesentlichen Gesellschaftsvermögens sowohl in der Ausgestaltung eines Asset Deals als auch eines Share Deals in Be-tracht kommen kann. Im Wege eines Asset Deals veräußert die Ge-sellschaft selbst ihr gesamtes Vermögen. Es ist jedoch möglich und in der Praxis üblich, dass das wesentliche Gesellschaftsvermögen aus Beteiligungen an anderen Gesellschaften besteht, die im Rahmen eines Share Deals veräußert werden. In beiden Fällen ist sowohl auf Verkäufer- als auch auf Käuferseite darauf zu achten, dass einem ggf. bestehenden Zustimmungserfordernis Genüge getan wird.

 

1 BGH, NZG 2019, 505 ff..

2 MüKo GmbHG/Harbarth, 2. Aufl. 2016, GmbHG § 53 Rn. 229.

3 Vgl. MAH GmbHR, § 2 Satzung Rn. 149.

4 MAH GmbHR, § 2 Satzung Rn. 145.

5 MüKoGmbHG/Liebscher, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 49 Rn. 51.

6 MüKoGmbHG/Liebscher, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 49 Rn. 51.

7 MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 37 Rn. 184.

8 MüKoGmbHG/Stephan/Tieves, 3. Aufl. 2019, GmbHG § 37 Rn. 184.