Wohnst Du schon oder suchst Du noch? Bezahlbarer Lebensraum bleibt Mangelware

Es ist eine Tatsache, über die schon lange diskutiert wird: In Deutschland wird zu wenig gebaut. Die hohe Nachfrage nach Wohnraum kann nicht befriedigt werden und es droht ein massiver Einbruch im Neubau. Doch was tun?

Die Bundesregierung hält zwar weiterhin an ihrem Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr fest, doch dieses Ziel wurde weit verfehlt. Die Zahl der Baufertigstellungen lag im vergangenen Jahr bei 295.300 Wohnungen und verharrte damit etwa auf dem Niveau von 2021. Ein Trend der auch 2023 anhält. In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden von Januar bis Juni 2023 insgesamt 111 500 Wohnungen genehmigt. Das waren 30,8 % oder 49 600 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum (Quelle: destatis). Hinzu kommt die demografische Entwicklung: Neben einem erhöhten Zuzug nach Deutschland – getrieben durch weltweite Krisen, der besonders in den ohnehin schon engen Mietmärkten der Großstädte seinen Niederschlag findet, hat sich gleichzeitig der Bedarf an kleineren Wohnungen durch die zunehmende Singularisierung in der Gesellschaft erhöht. Wenn man berücksichtigt, dass das ifo Institut sogar einen Rückgang der Baufertigstellungen im Wohnungsbau bis zum Jahr 2025 auf dann nur noch rund 175.000 Wohnungen pro Jahr erwartet, ist auf Basis dieser Prognosen in den kommenden Jahren mit einer weiteren Verknappung von Wohnraum und somit von weiteren deutlichen Mietsteigerungen auszugehen. Die Lage ist ernst und die Anspannung wächst. Denn bis 2025 könnten etwa 700.000 Wohnungen fehlen. Es könnte dann 1,4 Millionen Menschen treffen, die suchen und nicht finden. All dies zeigt die unbedingte Notwendigkeit einer zielgerichteten und effektiven Wohnungsbaupolitik.

Gleichzeitig belasten die hohen Materialkosten die Bauunternehmen, Projektentwickler bauen nicht mehr und die gestiegenen Zinsen schrecken Investoren ab. Hohe Umweltstandards, Rechtsunsicherheit und langwierige Genehmigungsprozesse potenzieren die Kostenprobleme. Die zunehmende Unsicherheit – bezüglich der Zinsentwicklung, der Kreditvergabebereitschaft der Banken, künftiger Gesetze zum Klimaschutz – lähmt, Unternehmen stellen Investitionen zurück und wappnen sich gegen drohendende Risiken.

Der Wohnungsgipfel am 25.09.2023 und dessen Ergebnisse sind daher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Die Bundesregierung hat mit dem beschlossenen 14-Punkte-Maßnahmenpaket wichtige Ansätze ausgearbeitet, wie zum Beispiel die Aussetzung der weiteren Verschärfung der Klimaschutzvorgaben beim Wohnungsbau und damit das Festhalten am EH 55-Gebäudestandard, die Verbesserung der Förderbedingungen bei den KfW-Neubauprogrammen sowie die angekündigte Beschleunigung der Genehmigungsprozesse. Ob die Beschlüsse ausreichen, dem Wohnungsnotstand in Deutschland entgegenzutreten, bleibt abzuwarten und darf kritisch hinterfragt werden. Denn die Finanzierungsbedingungen sind für Projektentwickler, Investoren und Enderwerber derzeit die größte Herausforderung. Förderprogramme müssen also ausreichend finanziert und verlässlich kalkulierbar sein, die Erwerbsnebenkosten ebenso deutlich sinken, wie die aktuellen Ansprüche an den Baustandard. Nur so kann im großen Stil der Neubau angekurbel werden.

Viele Maßnahmen des 14-Punkte-Paketes können von der Bundesregierung sofort in Eigenregie angegangen und verbindlich umgesetzt werden. Zusätzlich bedarf es aber auch einer schnellen und konsequenten Umsetzung der Maßnahmen, die nicht allein in ihrer Befugnis, sondern in der Hoheit der einzelnen Bundesländer, wie zum Beispiel die Senkung der Grunderwerbsteuer und die Grundstücksverfügbarkeit, liegen. Zum Teil haben schon einige Bundesländer den Grunderwerbssteuersatz reduziert, wie jedoch diese Steuerausfälle kompensiert werden sollen, ist noch offen.

Zudem bringt der ‚Kollaps‘ auf dem – Wohnungs-Bau-Markt – viele Unternehmen dazu, das Thema ESG in der Immobilienbranche hinten an zu stellen. Doch Investitionen in die energetische Optimierung sind nicht nur zwingend regulatorisch vorgeschrieben sondern auch dringend notwendig, um die Werthaltigkeit und Marktgängigkeit von Immobilien auch künftig zu erhalten. Dies gilt insbesondere für den Bestand, der ja diesbezüglich viel aufzuholen hat, wenn man die Gefahr von stranded assets vermeiden möchte. Energetische Sanierung bedeutet aber auch gleichzeitig eine Verteuerung des Wohnraums und zeigt das Dilemma zwischen E und S auf. Das ‚S‘ in ESG steht für die zunehmende Relevanz von sozialen Faktoren und der Verantwortung der Immobilienwirtschaft, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Es muss also ein Weg gefunden werden, Wohnraum zu schaffen, der die Ansprüche an E und S vereint. Keine leichte Aufgabe, aber durchaus eine machbare, wenn denn ausreichend gefüllte Fördertöpfe bereitstünden. Dies hat in den Aufbaujahren nach dem Krieg mit dem Förderprogramm Wiederaufbau schon einmal funktioniert und könnte  uns als gutes Beispiel dienen. Hier hat man all das bereits umgesetzt, was heute lang und breit diskutiert wird: einfaches, serielles Bauen sowie die zügige Bereitstellung von Grundstücken und von Fördermitteln.