Wie Schott mit einheitlichem Finanzsystem die unternehmensweite Digitalisierungsstrategie vorantreibt

Dr. Jens Schulte, CFO, und Oliver Böhm, S/4HANA Finance Projektleiter der SCHOTT AG über den Wechsel des internationalen Spezialglas-Herstellers von der bisherigen SAP-Umgebung in die neue, digitale S/4HANA-Welt. Hierdurch werden die Grundlagen für die nächste Generation der bereits bestehenden ONE Finance-Organisation gelegt. Die Prozesse werden digitalisiert und systemgestützte, vorausblickende Analysen werden zum Routinewerkzeug – weltweit in allen Ländern und Gesellschaften.

von Dr. Jens Schulte und Oliver Böhm
Aus Managementperspektive stellen sich immer logistische und finanzielle Fragen: An welchem Standort lässt sich ein Produkt am günstigsten produzieren? Wo habe ich die kürzesten Transportwege? Passt die initiale Kosten- und Preiskalkulation? Genau diese Fragen stellte man sich auch bei der SCHOTT AG. Das Unternehmen mit einer über 135 Jahre langen Unternehmensgeschichte gilt als der Erfinder des Spezialglases. Heute ist der Technologiekonzern mit 2,2 Mrd. Euro Weltumsatz und 16.200 Mitarbeitern Partner für viele Branchen.

Die Herausforderung bei der Umsetzung von ONE Finance
Das Change-Management steht im Mittelpunkt bei diesen Projekten. Im Fall von SCHOTT gibt es ca. 80 Gesellschaften, die zu einem GoLive Termin („Big Bang“) umgestellt werden müssen und 270 Finance Mitarbeiter im Konzern, die es gilt zum Veränderungsmanagement abzuholen. Dazu die Stakeholder im Konzern, die die Prozesse oder Teilprozesse nutzen oder Informationen aus den Geschäftsprozessen ziehen. „Wir betreten mit vielen Aspekten, insbesondere mit der neuen Ergebnisrechnung Margin Analysis und der parallelen Bewertung über das Material Ledger, Neuland, auch beim Thema Datenmigration. Nach unserem Wissen hat das bis jetzt noch keiner in dieser Form gemacht“, so Oliver Böhm.

Verbesserung der unternehmensweiten Steuerung
Das bereits bestehende ONE Finance von SCHOTT verfügt über einheitliche Standards, Prozesse, Datengrundlagen und einer einheitlichen Organisationsstruktur, basierend auf dem derzeitigen SAP ECC System. Die unternehmensweite Steuerung ergibt sich sowohl auf Controlling-, als auch auf Accountingseite. Mit Hilfe von S/4HANA soll dieses nun weiterentwickelt werden. So kommt SCHOTT schneller zu umfassendem Reporting auf Basis von optimierten Datenstrukturen. Das bedeutet z. B. einen globalen Kostenrechnungskreis, eine Geschäftsjahresvariante und eine detaillierte Ausprägung der Funktionsbereiche. Dazu Dr. Jens Schulte: „Zusammengefasst bietet uns ONE Finance die Möglichkeit, unser System granularer, prägnanter, flexibler und schneller zu gestalten, um deutlich besser auf Marktsituationen reagieren zu können.“

Der Bebauungsplan als Dreh- und Angelpunkt der Digitalisierungsstrategie
S/4HANA legt im Prinzip als Bebauungsplan eine ganze Reihe von Leitplanken fest, die über einen Zeitraum von 20 oder mehr Jahren das integrierte System des gesamten Unternehmens prägen werden. „Wir erwarten uns eine ganze Reihe von Vorteilen, die uns weiterbringen, egal ob das schnellere oder bessere Entscheidungen im täglichen Geschäft sind. S/4HANA ist eine große Investition, die unser Konzern im Rahmen der Systemweiterentwicklung tätigt. Damit verbunden sind viele Ressourcen. Wir wollten möglichst viel rausholen für unser Geschäft“, so Dr. Jens Schulte. Deshalb wäre der Umstieg nach S/4HANA allein als technologisches Upgrade (Brownfield) für SCHOTT zu wenig gewesen.

Welche Vorteile ergeben sich mit ONE Finance auf Basis SAP S/4HANA
Mit S/4HANA bildet SCHOTT nun die Grundlage für schnellere Abschlüsse, wie Monats- und Jahresabschlüsse. Dazu ein optimiertes und individuelles Reporting-System. Hinzu kommt die Geschwindigkeit im operativen Bereich, wie z. B. das Realtime Processing. Dazu Dr. Jens Schulte: „Denken Sie an den Vertrieb, wo z. B. die Realtime Kreditlimit-Beurteilung ein schnelleres Eingehen auf Kundenwünsche ermöglicht, oder wo schnellere Angebotskalkulation durch eine unmittelbare Reaktion des Vertriebs vor Ort einen deutlichen Wettbewerbsvorteil bringt. Wenn wir uns jetzt noch auf die Managementsicht bewegen, erfüllt Realtime Data Processing sicherlich den Traum jedes CFOs, jederzeit auf Knopfdruck das komplette Konzernbild bis zur Bilanz zu erzeugen. Dieses Gesamtbild ist unser Target-Picture, welches wir erreichen wollen.“

Zwischenbilanz und Zielbild 2025?
SCHOTT startete vor 1,5 Jahren mit einem Proof of Concept. „Wir haben an unserem Setup gefeilt, sowohl technologisch als auch projektorganisatorisch. Innerhalb eines Vorprojekts mit unserem Consulting-Partner konnten wir dieses Setup auf den Prüfstand stellen, um dann effizient und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten“, so Oliver Böhm.

Durch dieses Digitalisierungsprojekt wird sich eine durchweg agile Unternehmenssteuerung für die SCHOTT AG ergeben. So dass man auch in Krisenzeiten den Fokus schnell verschieben kann, z. B. von wachstumsorientierten Auswertungen hin zu striktem Cash- und Kostenmanagement. Dann muss die Reportingfrequenz deutlich erhöht werden und die wesentlichen KPIs des Unternehmens auf Wochenebene getrackt werden, um zeitnah in den Dialog mit den Geschäftsbereichen gehen zu können. „Wir wollen jetzt die Digitalisierung bis 2025 weiter erhöhen, das gilt sowohl für den Finanzbereich als auch für das gesamte Unternehmen. Der Finanzbereich war mit der erste, der sich mit neuen Digitalisierungsmöglichkeiten auseinandergesetzt hat, z. B. mit Analysticstools, um Forecasts zum Monatsumsatz aus Tageshochläufen zu erstellen. Wir wollen das Vorbild für den Rest des Konzerns sein. Wir haben gut vorbereitete Prozesse und wir haben Menschen mit IT- und Prozessaffinität, die ein großes Interesse daran haben, mit Digitalisierungsthemen zu arbeiten“, ergänzt Dr. Jens Schulte abschließend.

 

Dr. Jens Schulte, CFO, SCHOTT AG
Oliver Böhm, S/4HANA Finance Projektleiter, SCHOTT AG

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