Untätigkeit ist keine Option

Die Wirtschaft: stagniert oder befindet sich gar im Sinkflug und Deutschlands Unternehmen scheinen im internationalen Wettbewerb kontinuierlich an Boden zu verlieren. Die Energiewende: stottert. Die Infrastruktur: lässt immer deutlicher die Folgen lange vernachlässigter Herausforderungen zutage treten. Und in der der politischen Arena scheint jeglicher Schwung, der nach dem Auftakt der Ampel-Koalition zu spüren war, nun endgültig verflogen.

So oder so ähnlich stellt sich die Stimmungslage zum Standort Deutschland im Herbst 2023 dar. Auf dem Immobilienmarkt sind die Pessimisten ebenfalls in der Mehrheit: Zinssteigerungen und die ungewisse Wertentwicklung halten die Transaktionsmärkte in einer Art Warteschleife gefangen. Und angesichts des Einbruchs bei Baugenehmigungen und Fertigstellungen im Wohnungssektor sind sämtliche wohnungspolitischen Zielsetzungen in Frage gestellt – das einstmalige Ziel der 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ist ja bereits offiziell „abgemeldet“.

Es ist zweifelsfrei korrekt, Schwachstellen und Fehler zu identifizieren und auf Besserung zu drängen. Insbesondere bei Immobilien gibt es hier einiges zu nennen: Planungs- und Genehmigungsverfahren ziehen sich in die Länge, eine effiziente, digitalisierte Verwaltung scheint noch in weiter Ferne zu liegen. Gleichzeitig steigen die Baukosten aufgrund kontinuierlich wachsender und umfassenderer Standards und Vorgaben. Hier müssen dringend mehr als nur positive Denkanstöße gesetzt werden.

Dabei sollte jedoch nicht aus dem Blick geraten, dass der entscheidende Impuls zur Veränderung im Immobiliensektor aus ihm selbst heraus kommen muss. Die Herausforderungen, die den Sektor betreffen, sind beträchtlich: die Transformation hin zu einem nachhaltigen Gebäudebestand, die Digitalisierung von Prozessen und die Anpassung von Immobilien an veränderte Lebens- und Arbeitsweisen. Neben den konjunkturellen Einflüssen wirken sich auch strukturelle Veränderungen auf die Nachfrage aus, wie beispielsweise der wachsende Trend zum mobilen Arbeiten und Homeoffice im Bürosegment. Das könnte zu einem dauerhaften Rückgang des Flächenbedarfs, auf den sich alle einstellen müssen, die ihr Geld mit Büros verdienen – sei es als Planer, Projektentwickler, Investor und Vermieter oder als Berater, führen.

Daher ist die Fähigkeit, sich an die sich rasch verändernde Umgebung anzupassen und Veränderungen zu bewältigen, von zentraler Bedeutung. Dabei geht es nicht nur darum, mögliche Krisen irgendwie durchzustehen und auf wieder bessere Zeiten zu warten. Gefragt ist vielmehr die Fähigkeit, die Veränderungen zu analysieren, in ihrer gesamten Tragweite und Komplexität zu verstehen und die vor allem darin liegenden Chancen zu erkennen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Thema der Nachhaltigkeit oder ESG in der Immobilienbranche. Die Umstellung auf Klimaneutralität und die Anpassung von Geschäftsmodellen und Unternehmen bringen erhebliche Herausforderungen mit sich. Angesichts der aktuellen Marktlage mag es verlockend sein, auf die Bremse zu treten und sich auf die vermeintlich drängendsten Probleme zu konzentrieren. Dies wäre jedoch in vielerlei Hinsicht mehr als nur nachteilig.

Wir wissen längst, dass es bei der Frage des Kampfes gegen den Klimawandel oder der Anpassung an dessen Folgen nicht mehr um das „Ob“ geht. Untätigkeit ist keine Option. Das gebietet allein die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen.

Aber auch aus wirtschaftlichen Erwägungen wäre es fahrlässig, das Thema nicht weiter mit aller Entschlossenheit anzugehen.

Birgt doch Untätigkeit im Immobiliensektor erhebliche Risiken in Form von „stranded assets“. Immobilien mit einem hohen CO2-Fußabdruck werden unattraktiv und könnten im Extremfall nicht mehr vermarktet oder finanziert werden. Von den Chancen und Potenzialen, die sich aus der Transformation von Immobilien ergeben, ist da noch gar nicht die Rede: verbesserte Vermarktungschancen für „grüne Immobilien“, neue Nutzer- oder Investorengruppen, die sich mit einer entsprechenden Ausrichtung von Objekten oder des Unternehmens erschließen lassen, können ein maßgeblicher Antrieb sein.

Es lohnt sich, bei der Transformation mehr als nur am Ball zu bleiben – gerade in Zeiten wie diesen.