Software Defined Defence – Mit IT zur schnellen Fähigkeitsanpassung

Der Charakter militärischer Konflikte wandelt sich in einem rasanten Tempo. Deutlich wird dies zuallererst am russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, aber auch an der Präzisionsfähigkeit der israelischen Streitkräfte: In immer kürzeren Abständen kommen hier neue innovative IT- Lösungen bei den Streitkräften zum Einsatz. Etwa KI-Anwendungen, die durch die Echtzeitauswertung großer Datenmengen nicht nur die Aufklärung revolutionieren, sondern auch Ende-zu-Ende-Wirkketten auf dem Gefechtsfeld ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund steht die Bundeswehr aktuell nicht nur vor einer sicherheitspolitischen, sondern auch vor einer technologischen Zeitenwende. Denn es wird deutlich, dass Streitkräfte künftig nur dann militärisch bestehen werden, wenn sie ihre Waffen-, IT- und Kommunikations-Systeme auch kurzfristig an die sich kontinuierlich verändernden Anforderungen auf dem Gefechtsfeld anpassen können. Eine solch schnelle Anpassung ist in der Regel aber nicht auf der technologischen Basis klassischer, in sich geschlossener Plattformen wie etwa Panzern, Flugzeugen oder Schiffen möglich. Denn diese sind bisher darauf ausgelegt, dass Verbesserungen in der Regel erst mit größeren Kampfwertsteigerungen, oftmals in Zeiträumen zwischen fünf bis zehn Jahren, vorgenommen werden.

Wenn die militärische Plattform als Ganzes also der eher limitierende Faktor für schnelle Anpassungen ist, muss die Software in den Systemkomponenten diese Aufgabe übernehmen. Denn Software kann deutlich schneller an neue Anforderungen im Gefecht angepasst werden, als die darunterliegende physische Hardware – IT Hardware, Sensoren etc. Auf diese Weise lassen sich auch die Entwicklungszyklen von Panzern, Flugzeugen oder Fregatten beschleunigen. Die Systemansätze für Major Ground Combat System oder Future Combat Air System zeigen bereits in diese Richtung; Ihre Einsatzreife liegt aber noch weit in der Zukunft. Daher muss künftig bei der Weiterentwicklung bestehender Waffensysteme auch Software in den Mittelpunkt rücken. Mittels Software und der übergreifenden Vernetzung der Systeme sowie deren Ergänzung um innovative Elemente, insbesondere unbemannter Systeme, können benötigte Fähigkeiten schneller zur Verfügung gestellt werden als bisher – das ist das Paradigma von Software Defined Defence, kurz SDD. Die Bundeswehr hat deswegen zu recht SDD zu einem Leitprinzip ihrer Fähigkeitsentwicklung gemacht.

Um dies umsetzen zu können, benötigt die Bundeswehr eine entsprechende IT-Infrastruktur. Neben dem leistungsfähigen IT-System der Bundeswehr beispielsweise die private Cloud Bundeswehr oder verlegefähige Rechenzentren. Es bedarf aber auch neuer Vorgaben für die entsprechende Architektur und interoperable Schnittstellen. Schließlich müssen auch in der Bundeswehr Fähigkeiten auf- und ausgebaut werden, um Software für Waffensysteme mit eigener Expertise entwickeln und anpassen zu können.

Die BWI betreibt als primärer Digitalisierungspartner der Bundeswehr große Teile der benötigten Infrastruktur und unterstützt auch bei der Entwicklung der erforderlichen Architekturen und Vorgaben. Gemeinsam mit der Bundeswehr baut die BWI auch die sogenannte Software Factory Bundeswehr auf, mit der Software künftig standardisiert erstellt und weiterentwickelt werden soll.

Die derzeit in Waffensystemen genutzte Software ist in der Regel hochgradig individuell auf das jeweilige System zugeschnitten. Anpassungen erfordern spezifisches Know-how, schnelle Updates und Vernetzungen mit anderen Systemen sind in der Regel nicht möglich. Ein Ansatz könnte es sein, eine einheitliche Laufzeitumgebung für SDD-Software bereitzustellen, die zusätzlich zur vorhandenen Software auf die Waffensysteme aufgespielt wird. Dadurch können Anwendungen „on top“ auf Basis standardisierter Schnittstellen mit der zugrundeliegenden Hardware kommunizieren, neue Funktionalitäten auch nachträglich zur Verfügung stellen sowie Daten unter Nutzung der Kommunikationssysteme der Waffensysteme mit anderen Systemen und der Cloud austauschen.

Bei all diesen Überlegungen ist aber eines sicher: Die Umsetzung von SDD kann die Bundeswehr alleine nicht stemmen. Daher gilt es, zwischen Bundeswehr, Bundesministerium der Verteidigung, BWI und der gesamten IT- und Rüstungs-Industrie ein gemeinsames Verständnis für die Zielsetzung, eine effiziente Zusammenarbeit aller Beteiligten sowie die hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen zu entwickeln.