Risikomanagement vor dem Hintergrund geänderter Rahmenbedingungen − Eine Betrachtung aus betriebswirtschaftlicher Sicht − Chancen erkennen und Unternehmen stärken

Aktuelle Entwicklung der Rahmenbedingungen

Die Bedeutung des Risikomanagements nimmt derzeit massiv zu. Dies liegt sowohl an geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen als auch an einem gestiegenen Risikobewusstsein aufgrund der zunehmenden Komplexität des Unternehmensumfelds. So wurde mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (kurz: StaRUG) die rechtliche Grundlage für eine verpflichtende Einführung eines Krisenfrüherkennungssystems geschaffen.

Des Weiteren wurde durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (kurz: FISG) die Verpflichtung zur Einführung von wirksamen internen Kontroll- und Risikomanagementsystemen für börsennotierte Aktiengesellschaften normiert und der bisherige Anwendungsbereich, der nur die Risikofrüherkennung im Blick hatte, erweitert. Diese Normierung entfaltet auch Ausstrahlungswirkung auf Unternehmen anderer Rechtsformen.

Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie die Relevanz eines funktionsfähigen Liquiditätsmanagements und der kontinuierlichen Ermittlung des verfügbaren Schuldendeckungspotenzials branchen- und rechtsformübergreifend verdeutlicht. Beides sind relevante Parameter bei der Bestimmung der unternehmensindividuellen Risikotragfähigkeit und damit Bestandteile des Risikomanagementsystems.

Der Blick über den Tellerrand – Bleiben Sie nicht bei den rechtlichen Verpflichtungen rund um das Risikomanagement stehen!

Die rechtlichen Verpflichtungen mit allen daraus resultierenden Folgen für das Leitungsorgan eines Unternehmens sind definiert und werden kontinuierlich konkretisiert und erweitert.

Das Ziel des Unternehmers beziehungsweise der Geschäftsführung sollte aber sein, das Erfordernis „Risikomanagement“ nicht allein als rechtliche Bürde zu begreifen. Vielmehr sollte der Anspruch sein, die betriebswirtschaftlichen Aspekte zu erkennen. Ein angemessenes und funktionsfähiges Risikomanagementsystem stellt vor allem ein wirksames Instrument zur Unternehmenssteuerung dar. Benchmarkstudien legen aber nahe, dass das Risikomanagement nur von rund einem Drittel aller Unternehmen auch tatsächlich für Steuerungszwecke eingesetzt wird.

Im Folgenden sollen die Voraussetzungen für eine Unternehmenssteuerung unter Zuhilfenahme des Risikomanagements sowie die Grundzüge der Implementierung eines solchen Systems näher beleuchtet werden. Des Weiteren möchten wir erläutern wie es gelingen kann, das Risikomanagement in den Unternehmensablauf einzubetten um nachhaltige Unternehmenserfolge zu sichern.

Risikomanagement aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Der Begriff „Risiko“, steht für die negative Abweichung zu einem definierten Sollzustand oder einem gesetzten Ziel. Risiken entstehen für Unternehmen dabei aufgrund von Unsicherheiten oder unvollständigen Informationen in Bezug auf zukünftige Entwicklungen und Ereignisse.

Ein angemessenes und funktionsfähiges Risikomanagement erfasst nunmehr alle Tätigkeiten, die darauf ausgerichtet sind, diese unternehmensindividuellen Risiken systematisch und möglichst frühzeitig zu erkennen, diese zu steuern und zu überwachen.

Es genügt dabei nicht, lediglich bereits identifizierte Risiken zu überwachen. Das Risikomanagement muss ein lebendes System sein, denn primär geht es um fortlaufende Transparenz über unternehmensindividuelle Risiken und das Erkennen etwaiger Krisen. Je präziser dies gelingt, desto größer ist stets der bestehende Handlungsspielraum, der einer Geschäftsführung für die Reaktion auf die Risiken und das entsprechende Gegensteuern bleibt.

Identifikation von Risiken

Voraussetzung für die Implementierung eines angemessenen und funktionsfähigen Risikomanagementsystems ist jedoch in einem ersten Schritt, dass die Unternehmensrisiken auch identifiziert werden. Diese sind vielfältig und stets individuell.

Eine sorgfältige Risikoanalyse erfordert daher Zeit, Erfahrung aber auch Unternehmenskenntnis. Eine Blaupause kann folglich nicht existieren. Die häufigsten Risiken stellen erfahrungsgemäß Risiken im Bereich der Bedrohung von Kernkompetenzen oder Wettbewerbsvorteilen, die Abhängigkeiten von Kunden oder Lieferanten sowie Nachfrage- und Absatzpreisschwankungen dar – wobei diese konjunkturell oder strukturell bedingt sein können. Des Weiteren spielen aber auch Haftpflichtschäden, stetig steigende Personalkosten, Compliance-Verstöße und Nachhaltigkeitsthemen, wie beispielsweise die Kosten für eine CO2-Bepreisung, im Rahmen der Risikoanalysen eine zunehmende Rolle.

Implementierung eines Managementsystems

Sind die Risiken identifiziert worden, so gilt es, diese anhand einer Relevanzskala auf die spezifischen unternehmensrelevanten Risiken zu verdichten. Nach einer ersten groben Bewertung kann hieraus das Risikoinventar, das heißt die Summe aller individuellen Risiken, abgeleitet werden.

Um das Risikomanagementsystem zielführend für die Unternehmenssteuerung einsetzen zu können, ist eine hieran anschließende vertiefende Risikoquantifizierung unerlässlich, denn nur, wenn ein Risiko in Zahlen ausgedrückt ist, lassen sich hieraus Schlussfolgerungen ziehen.

Diese Schlussfolgerungen sind vielschichtig: So ermöglicht eine erfolgte Risikoquantifizierung eine Aussage zum Eigenkapital- und Liquiditätsbedarf – letztlich zur Risikotragfähigkeit des Unternehmens. Die Risikoquantifizierung und der hierdurch definierbare „Risikoappetit“ können als Grundlage für unternehmerische Entscheidungen, für das Abwägen von Chancen und Risiken dienen. Die Frage nach der ökonomisch sinnvollen Höhe einer Versicherungsprämie oder der Relevanz eines Sicherungsgeschäfts ist beantwortbar. Gleichzeitig spiegelt sich die Summe der quantifizierten Risiken auch in Kapitalkostensätzen wider. Nicht zuletzt ist die Quantifizierung der Risiken auch Voraussetzung für eine Aggregation der Risiken und die Simulation verschiedener Eintrittsszenarien.

Wichtig ist dabei, die Risikoquantifizierung anhand korrekter mathematischer Methoden vorzunehmen. Die simple Formel „Eintrittswahrscheinlichkeit mal erwartete Schadenshöhe“ wird dem Charakter der meisten Risiken nicht gerecht.

Einbettung des Risikomanagementsystems in das Unternehmen

Wie gelingt nun die Einbettung eines aufgesetzten Risikomanagements in die Unternehmenslandschaft – was letztlich Voraussetzung für die fortlaufende Funktionsfähigkeit des Systems und damit auch die gewünschte, mögliche Unternehmenssteuerung ist?

Unerlässlich hierfür ist zunächst eine entsprechende Risikokultur, welche die grundsätzliche Einstellung und die Verhaltensweisen beim Umgang mit Risikosituationen umfasst. Sie ist prägend für das Risikobewusstsein eines jeden Mitarbeiters und muss diesen seitens des Managements entsprechend vorgelebt werden.

Des Weiteren ist von herausragender Bedeutung, dass der Aufbau des Risikomanagementsystems transparent ist und Verantwortungsbereiche und Rollen klar definiert und abgegrenzt, aber auch kommuniziert und dokumentiert werden.

Nur so kann gewährleistet werden, dass Maßnahmen zur Reduktion von Risiken sowie implementierte Kontrollen fortlaufend durchgeführt werden.

Chancen erkennen und Unternehmen stärken

Fakt ist: Es besteht eine Korrelation zwischen einem funktionsfähigen Risikomanagement, nachhaltigen Unternehmenserfolgen und damit auch der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.

Im Gegensatz zu einer reinen Auswertung der Jahresabschlüsse und der Ermittlung von Kennzahlen (etwa der Kapitalquoten, des dynamischen Verschuldungsgrads oder der Zinsdeckungsquote), was einem Blick in die Vergangenheit entspricht, ist ein gelebtes und funktionsfähiges Risikomanagement der Blick in die Gegenwart und Zukunft.

In einem funktionsfähigen Risikomanagementsystem, in welchem Risiken korrekt identifiziert und quantifiziert wurden, sind Rückschlüsse auf eine eventuell erforderliche Adjustierung der Unternehmensstrategie und -planung, des Geschäftsmodells, der Absatzstrategie von Produkten und Dienstleistungen usw. möglich. Unternehmen mit einem entsprechenden Risikomanagementsystem sind in der Lage, Veränderungen zu erkennen und − wichtiger noch − angemessen auf diese Veränderungen zu reagieren.

Durch ein funktionsfähiges Risikomanagementsystem können die Auswirkung von Risikoszenarien auf die Gewinn- und Verlustrechnung, d.h. auf die Ertragslage des Unternehmens und infolgedessen auch auf die Vermögens- und die Liquiditätslage dargestellt und entsprechend ausgewertet werden. Somit tragen die aus dem Risikomanagement gewonnenen Informationen zu verbesserten Entscheidungen der Unternehmensleitung bei.

Unsere Empfehlung lautet bei allen Änderungen der Rahmenbedingungen daher, den zunächst vielleicht wahrgenommenen Druck als Chance zu begreifen, sich eigenen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken zu stellen. Ihr Unternehmen wird hiervon profitieren.