Rechtsrahmen
Die Verordnung (EU) 2022/2560 (EU-FSR)[1] zielt darauf ab, den Binnenmarkt vor unlauterer Konkurrenz durch finanzielle Zuwendungen aus Drittstaaten zu schützen. Hierzu enthält sie weitreichende Untersuchungsbefugnisse für die EU-Kommission sowie Anmeldepflichten für bestimmte M&A Transaktionen sowie bestimmte Vergabeverfahren.
Aktivitäten der EU-Kommission
Die geschäftsführende Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager kündigte im Rahmen einer Rede über Technologie und Politik am 9. April 2024 die erste Untersuchung von Amts wegen (sog. Ex officio-Untersuchung) nach der EU-FSR an. Diese richtet sich gegen einen chinesischen Lieferanten von Windturbinen und betrifft den Ausbau von Windparks in Spanien, Griechenland, Frankreich, Rumänien und Bulgarien. Dabei betonte Vestager, die EU müsse aus den Erfahrungen mit Solarzellen lernen und dürfe dieselben Fehler nicht auch bei Elektrofahrzeugen, Windkraft oder Computerchips machen. Es ist zu erwarten, dass in diesen Bereichen entsprechend auch ein deutlicher Untersuchungsschwerpunkt der Kommission liegen wird.
Darüber hinaus melden Unternehmen seit Oktober 2023 regelmäßig M&A Transaktionen bei der Kommission an. Diese waren bisher in den meisten Fällen unproblematisch. Soweit die Kommission kein förmliches Prüfverfahren eröffnet, gelten M&A Transaktionen 25 Arbeitstage nach der Anmeldung als freigegeben[2]. Eine gesonderte Freigabeentscheidung ist nicht erforderlich. Bei der ersten eingehenden Prüfung wegen einer M&A Transaktion handelte es sich um den geplanten Erwerb der alleinigen Kontrolle an einem europäischen Telekommunikationsanbieter durch ein staatlich kontrolliertes Unternehmen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)[3]. Das Vorhaben wurde am 26. April 2024 bei der Kommission angemeldet. Die finanziellen Zuwendungen liegen dabei insbesondere in einer unbegrenzten Garantie der VAE sowie in einem unmittelbar der Transaktion dienenden Darlehen von Banken, die von den VAE kontrolliert werden. Nach Ansicht der Kommission liegt eine wettbewerbsverzerrende Wirkung bei solchen Finanzinstrumenten mit hoher Wahrscheinlichkeit vor, weshalb sie ein Einschreiten für geboten hielt. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, mit einer Entscheidung ist bis Herbst 2024 zu rechnen.
Das Verfahren im Rahmen von Vergabeverfahren ist etwas abweichend geregelt. Hier müssen Bieter die EU-FSR Anmeldung mit dem Angebot einreichen. Der Auftraggeber reicht diese Unterlagen dann an die Kommission weiter. Auch hier muss die Kommission aktiv tätig werden, wenn sie die Teilnahme eines Bieters an einem Vergabeverfahren in Frage stellen möchte. Bereits im Februar 2024 hatte die Kommission ihre erste eingehende Prüfung im Bereich von Auftragsvergaben gegen einen chinesischen Produzenten von Schienenfahrzeugen eingeleitet. Das Unternehmen ist die Tochtergesellschaft eines chinesischen Staatskonzerns und reichte im Rahmen des Vergabeverfahrens die erforderliche Anmeldung nach der EU-FSR ein, um an einer Ausschreibung des bulgarischen Ministeriums für Verkehr und Telekommunikation mit einem Gesamtwert von EUR 610 Mio. teilnehmen zu dürfen. Die Kommission sah hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dem Unternehmen drittstaatliche finanzielle Zuwendungen gewährt wurden, die den Binnenmarkt verzerren können[4]. In der Folge zog das Unternehmen sein Angebot zurück und die Kommission stellte das Verfahren ein. Eine weitere eingehende Prüfung folgte kurz darauf gegen ein chinesisches Unternehmen im Bereich der Vergabe erneuerbarer Energieprojekte [5].
Praktische Erfahrungen und Herausforderungen
Ein zentrales Element für die Sicherstellung der EU-FSR Compliance ist die Erfassung der Informationen über finanzielle Zuwendungen, die ein Unternehmen weltweit von sog. Drittstaaten erhalten hat. Ohne diese Daten können Unternehmen die für M&A Prozesse und Vergabeverfahren erforderlichen Anmeldungen nicht erstellen bzw. einreichen. Die erforderlichen Informationen müssen weltweit gesammelt und ausgewertet werden. Dabei handelt es sich um Daten aus verschiedenen Bereichen, etwa Zuschüsse und Darlehen, aber auch Steuervergünstigungen. Erst langsam wächst das Bewusstsein dafür, dass die Erfassung dieser Daten erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann und daher frühzeitig systematisch angegangen werden sollte. Dabei kann es sinnvoll sein, von Anfang an IT (ERP) Experten einzubinden, um das Reporting für die Zukunft soweit wie möglich zu automatisieren.
[1] Verordnung (EU) 2022/2560 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen.
[2] The Foreign Subsidies Regulation – 100 days since start of application of the notification obligation, Competition FSR Brief No 1/2024.
[3] Zusammenfassung des Beschlusses über die Einleitung einer eingehenden Prüfung in der Sache FS.100011 — EMIRATES TELECOMMUNICATIONS GROUP / PPF TELECOM GROUP, Amtsblatt der Europäischen Union, C/2024/3970.
[4] Pressemitteilung der Kommission vom 16. Februar 2024, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_24_887.
[5] Kurzmitteilung der Kommission über die Einleitung einer eingehenden Prüfung in der Sache FSP. 100151, Amtsblatt der Europäischen Union, C/2024/2830.