Mögliche kapitalmarktrechtliche Pflichten für GmbHs

Dr. Daniel Rubner, Rechtsanwalt / Counsel
Dr. Lutz Pospiech, Rechtsanwalt / Assoziierter Partner / Dipl.-Kfm. GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

EINLEITUNG

Im Zusammenhang mit möglichen kapitalmarktrechtlichen Pflichten einer GmbH hat die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 (EUMarktmissbrauchsverordnung – kurz: „MAR“) zu einem Paradigmenwechsel geführt. Galt zuvor die Vielzahl kapitalmarktrechtlicher Pflichten lediglich für börsennotierte Aktiengesellschaften, gelten die Vorschriften der MAR für sämtliche Freiverkehrsemittenten. Zugleich ist der Anwendungsbereich der MAR nicht auf Aktien beschränkt, sondern erstreckt sich auf „Finanzinstrumente“ und damit insbesondere auf übertragbare Wertpapiere.

Sofern eine GmbH etwa eine Unternehmensanleihe oder einen Genussschein emittiert hat und die jeweiligen Wertpapiere zum Handel im regulierten Markt zugelassen bzw. zum Handel im Freiverkehr einer Wertpapierbörse einbezogen sind, gelten die strengen kapitalmarktrechtlichen Pflichten der MAR in vollem Umfang für derartige GmbHs mit Kapitalmarktbezug. Neben den Anforderungen der MAR treffen „kapitalmarktorientierte“ GmbHs eine Reihe weiterer Pflichten. Kapitalmarktrechtliche Pflichten entstehen für eine GmbH auch in Transaktionsprozessen, wenn der Vertragsgegner Finanzinstrumente emittiert hat, die am Kapitalmarkt notieren.

KAPITALMARKTBEZUG EINER GMBH DURCH DIE EMISSION VON WERTPAPIEREN

1. Ad-hoc-Publizität

Eine GmbH, die Wertpapiere emittiert hat und deren Wertpapiere an einer Börse notieren, muss sog. Insiderinformationen unverzüglich mittels einer Adhoc-Mitteilung nach Maßgabe von Art. 17 Abs. 1 MAR offenlegen. Zu veröffentlichen sind solche Informationen, die im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens geeignet wären, den Börsenkurs oder Marktpreis der betreffenden Wertpapiere erheblich zu beeinflussen (Art. 7 MAR). Bei zeitlich gestreckten Vorgängen können bereits Zwischenschritte veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen darstellen. Ad-hoc-Mitteilungen müssen fünf Jahre auf der Internetseite des Emittenten zugänglich sein und in das Unternehmensregister eingestellt werden.

Bei berechtigtem Interesse des Emittenten ist auch der Aufschub der Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung möglich (Selbstbefreiung), wenn keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und die Vertraulichkeit der Information sichergestellt ist. Diese Möglichkeit des Aufschubs endet allerdings zwingend bei Informationslecks und auch bei ausreichend präzisen Gerüchten.

2. Insiderlisten

Emittenten von Finanzinstrumenten, die der Ad-hoc-Pflicht unterliegen, haben Insiderlisten nach Maßgabe von Art. 18 MAR zu führen.

In die stets zu aktualisierenden Listen sind sämtliche Personen aufzunehmen, die Zugang zu Insiderinformationen eines Emittenten haben.

Auch für alle im Auftrag oder auf Rechnung des Emittenten handelnden Personen besteht diese Pflicht. In die stets zu aktualisierenden Listen sind sämtliche Personen aufzunehmen, die Zugang zu Insiderinformationen eines Emittenten haben. Zudem müssen alle zu erfassenden Personen über ihre insiderrechtlichen Pflichten und die Folgen bei Verstößen aufgeklärt werden. In die  jeweiligen Abschnitte der Insiderliste aufzunehmen sind bei einer GmbH auch Beiratsmitglieder, sofern sie durch ihre Tätigkeit regelmäßig von Insiderinformationen erfahren.

3. Directors‘ Dealings

Bei einer GmbH mit Kapitalmarktbezug müssen Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, und alle mit diesen in enger Beziehung stehende Personen dem Emittenten und der BaFin als zuständiger Behörde jedes Eigengeschäft mit Wertpapieren der GmbH unverzüglich melden, spätestens innerhalb von drei Geschäftstagen nach dem Datum des Geschäfts

Bei einer GmbH mit Kapitalmarktbezug müssen (i) Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, und (ii) alle mit diesen in enger Beziehung stehende Personen dem Emittenten und der BaFin als zuständiger Behörde jedes Eigengeschäft mit Wertpapieren der GmbH unverzüglich melden, spätestens innerhalb von drei Geschäftstagen nach dem Datum des Geschäfts (Art. 19 Abs. 1 MAR). Die Regelungen zu Directors‘ Dealings kommen dann zum Tragen, wenn eine Führungskraft oder eine ihr nahestehende Person innerhalb eines Kalenderjahres Geschäfte im Gesamtvolumen von EUR 20.000 (ohne Netting) getätigt hat.

Emittenten müssen fortlaufend eine Liste sämtlicher Personen aufstellen, die in den Anwendungsbereich der Mitteilungspflichten nach Art. 19 MAR fallen. Der Emittent muss die auf der Liste genannten Führungskräfte über die Pflichten bei Eigengeschäften schriftlich belehren. Die Führungskräfte wiederum sind ihrerseits verpflichtet, die ihnen nahestehenden Personen über deren Pflichten aufzuklären. In der GmbH zählen zu den Führungskräften stets die Geschäftsführer und die Mitglieder eines (fakultativen) Aufsichtsrats sowie ggf. Generalbevollmächtigte und sonstige höhere Führungskräfte, sofern sie regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und befugt sind, gewichtige unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Mitglieder eines lediglich beratend tätigen Beirats sind regelmäßig keine Führungskräfte im Sinne der Vorschriften über Directors‘ Dealings.

Nach Art. 19 Abs. 11 MAR dürfen Führungskräfte innerhalb von geschlossenen Zeiträumen (closed periods) von 30 Kalendertagen vor „Ankündigung“ eines Zwischenberichts oder eines Jahresabschlusses keine Eigengeschäfte in Wertpapieren der GmbH tätigen.

4. Verbot von Insidergeschäften / Verbot der Marktmanipulation

GmbHs mit Kapitalmarktbezug unterliegen dem Verbot von Insidergeschäften.

GmbHs mit Kapitalmarktbezug unterliegen dem Verbot von Insidergeschäften. Verboten sind nach Art. 14 MAR (i) das Versuchen oder Tätigen eines Insidergeschäfts, (ii) das Verleiten oder Anstiften eines Dritten zur Vornahme eines Insidergeschäfts und auch (iii) die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen. Ein Insidergeschäft liegt gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 1 MAR dann vor, wenn jemand ein Finanzinstrument unter Nutzung einer Insiderinformation für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt erwirbt oder veräußert.

Die MAR beinhaltet zudem das Verbot der Marktmanipulation. Die einzelnen handels- und informationsbezogenen Tatbestände der Marktmanipulation sind in Art. 12 MAR geregelt. Verboten ist nicht nur die vollendete Marktmanipulation, sondern bereits deren Versuch (Art. 15 MAR).

5. Sanktionen

Bei Verstößen gegen die Pflichten der MAR drohen drakonische Bußgelder:

Die BaFin veröffentlicht bei Verstößen gegen das Marktmissbrauchsrecht die ergangenen Bußgeldentscheidungen unter Offenlegung von Art und Charakter des Verstoßes und der Identität der betroffenen Person für fünf Jahre auf ihrer Homepage (naming and shaming).

Vorsätzliche Rechtsverstöße im Bereich des Insiderhandelsverbots und der Marktmanipulation sind zudem strafbar (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren). Ferner drohen zivilrechtliche Sanktionen in Form von Schadensersatz.

WEITERE PFLICHTEN FÜR KAPITALMARKTORIENTIERTE GMBHS

Sind die von einer GmbH emittierten Wertpapiere zum Handel im organisierten Markt einer Wertpapierbörse zugelassen, ist die betreffende Gesellschaft als „kapitalmarktorientierte GmbH“ i.S.v. § 264d HGB zu qualifizieren. Eine solche GmbH gilt – unabhängig von der Erfüllung der Größenkriterien des § 267 HGB – stets als große Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 3 S. 2 HGB), die besondere Pflichten treffen:

Hat die GmbH einen (fakultativen) Aufsichtsrat, müssen zwingend die Regelungen in §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 3 S. 2 AktG beachtet werden. Dem Aufsichtsrat hat ein unabhängiger Bilanzexperte anzugehören. Bei kapitalmarktorientierten GmbHs ist ein Prüfungsausschuss einzurichten, dem mindestens ein unabhängiges Mitglied mit „Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder der Abschlussprüfung“ angehören muss (§ 324 HGB).

Bei kapitalmarktorientierten GmbHs ist ein Prüfungsausschuss einzurichten, dem mindestens ein unabhängiges Mitglied mit „Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder der Abschlussprüfung“ angehören muss.

Kapitalmarktorientierte GmbHs haben nach §§ 289 Abs. 4, 315 Abs. 4 HGB in ihren Lagebericht eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale eines vorhandenen internen Kontroll- und Risikomanagementsystems bzgl. der Rechnungslegung aufzunehmen. Ferner müssen sie eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel in ihren Abschluss aufnehmen, auch wenn die jeweilige Gesellschaft keinen Konzernabschluss zu erstellen hat (§ 264 Abs. 1 S. 2 HGB). Größenabhängige Befreiungen von der Erstellung eines Konzernabschlusses greifen nicht (§ 293 Abs. 5 HGB). Zudem müssen kapitalmarktorientierte GmbHs ihren Jahresabschluss bereits innerhalb von vier Monaten nach Abschluss eines Geschäftsjahres offenlegen (§ 325 Abs. 4 HGB).

M&A-TRANSAKTIONEN MIT KAPITALMARKTTEILNEHMERN

1. Insiderrechtliche Vorgaben

Auch GmbHs ohne Kapitalmarktbezug können im Rahmen von Transaktionsprozessen kapitalmarktrechtlichen Pflichten unterworfen sein. Dies ist dann der Fall, wenn bei möglichen Unternehmenskäufen, das Verkäufer- oder Käuferunternehmen auf der Gegenseite Wertpapiere emittiert hat, die an der Börse notieren. Auch in Bezug auf die Insiderinformationen der Gegenseite bestehen dann grundsätzlich die umfassenden Insiderhandelsverbote auch für die jeweilige an der Transaktion beteiligte GmbH. Gleiches gilt ggf., wenn das zu erwerbende Unternehmen, also die Zielgesellschaft, Wertpapiere emittiert hat.

2. Marktsondierungen

Eine GmbH kann in einer Transaktion ggf. an einer sog. Marktsondierung teilnehmen. Für Marktsondierungen (Market Sounding) regelt Art. 11 MAR eine Ausnahme vom  Insiderweitergabeverbot und erleichtert so die Kommunikation zwischen Emittenten bzw. Bietern einerseits und Anlegern andererseits. Allerdings erfordert diese Privilegierung die Einhaltung umfassender Prüf-, Verhaltens- und Dokumentationspflichten gemäß Art. 11 Abs. 3 bis 8 MAR, die von den sondierenden Marktteilnehmern und auch von den Interessenten zu beachten sind.

Allerdings erfordert diese Privilegierung die Einhaltung umfassender Prüf-, Verhaltens- und Dokumentationspflichten […]

Transaktionen, in denen eine Marktsondierung vorgenommen wird, erfolgen regelmäßig in einem zweistufigen Verfahren. Zunächst einmal werden auf der ersten Stufe durch die Marktsondierung von ausgewählten Investoren im Vorfeld der Bekanntmachung einer Transaktion Einschätzungen zu der geplanten Transaktion, insbesondere zum platzierbaren Umfang der Transaktion und zum Kaufpreis, eingeholt. Auf der Grundlage der Einschätzungen der ausgewählten Investoren als relevante Marktteilnehmer werden dann auf der zweiten Stufe die genauen Konditionen der Transaktion (einschließlich des Volumens und des konkreten Preises bzw. einer Preisspanne) festgelegt, zu denen das jeweilige Finanzinstrument zum Verkauf angeboten und demzufolge öffentlich bekanntgemacht wird.

FAZIT

Seit Inkrafttreten der MAR ist die Zahl der GmbHs, die besonderen kapitalmarktrechtlichen Pflichten unterliegen, sprunghaft gestiegen. Denn diese Pflichten treffen nunmehr sämtliche Freiverkehrsemittenten, also auch die Emittenten von Unternehmensanleihen. Daneben können insbesondere insiderrechtliche Vorgaben auch dann zu beachten sein, wenn zwar nicht die GmbH selbst, aber ihr Vertragspartner oder die Zielgesellschaft einer Unternehmenstransaktion Wertpapiere emittiert hat.

Gleichzeitig hat sich der Bußgeldrahmen drastisch erhöht. Für den GmbH-Geschäftsführer ist damit ein doppeltes Haftungsrisiko verbunden: Zum einen droht seine persönliche Inanspruchnahme im Rahmen von (auch) gegen den Geschäftsführer gerichteten Bußgeld- oder gar Strafverfahren. Zum anderen haftet der Geschäftsführer unter den Voraussetzungen des § 43 GmbHG gegenüber der GmbH für diejenigen Schäden, die der Gesellschaft durch einen etwaigen Verstoß gegen die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften entstehen.

Auch GmbHs und ihre Geschäftsführer sollten daher besonderes Augenmerk auf ihre internen Organisationsstrukturen und ihre kapitalmarktrechtliche Compliance richten.