Mietnachträge erfolgreich verhandeln – Was Vermieter von Mietern in der Krise erwarten

Dr. Raoul Kreide, Rechtsanwalt und Partner, GSK Stockmann Rechtsanwälte

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie wurden zahlreiche, auch erfolgreiche Geschäftsmodelle auf eine harte Probe gestellt. Im verhängten „Lockdown“ mussten Einzelhändler und Gastronomen über Monate hinweg komplett schließen oder konnten nur unter erheblichen Beschränkungen ö•nen. Dies führte zu Umsatzeinbrüchen in nie erwartbarem Ausmaß und stellt die Geschäftsführer der betreffenden Unternehmen vor extreme Herausforderungen. Der folgende Beitrag beleuchtet, welche Aspekte für die erfolgreiche Verhandlung eines Mietnachtrags zu beachten sind und auf welche Aussagen der Mieter besser verzichten sollte.

Ausgangslage: Nicht nur eine Pandemie
Am 15. Oktober 2020 titelte das Handelsblatt: „Galeria Karstadt Kaufhof schließt reihenweise Warenhäuser“. Viele Einzelhändler ringen gerade noch um die Abwendung einer Insolvenz. Unabhängig von den Auswirkungen der Corona-Pandemie befindet sich der Einzelhandel aber schon seit langem in einem Strukturwandel. So sank die Anzahl der Kleinhändler in den letzten Jahren stetig. Obwohl sie heute noch 80 % der Unternehmen stellen, beträgt ihr Umsatzanteil nur rund 6 %. Große Handelsunternehmen erwirtschaften hingegen rund 50 % der Einzelhandelsumsätze, obwohl sie nur 0,2 % der Unternehmen repräsentieren. Die dahinterstehenden Marktentwicklungen sind bekannt. Kleine Einzelgeschäfte schließen, weil sie im Preiswettbewerb keine hochqualifizierte Beratung mehr bieten können, ohne diese persönliche Betreuung aber erst recht austauschbar werden und mit günstigeren Onlineangeboten nicht  konkurrieren können. Auch die großen Filialisten verlieren zunehmend Marktanteile an den Onlinehandel, der ein riesiges Sortiment bei teilweise schon taggleicher Lieferung anbietet. Durch die Corona-Pandemie haben sich diese E•ekte nachhaltig beschleunigt. Kunden mussten im Lockdown alternative Einkaufsmöglichkeiten suchen. Sie haben diese kennen und oft auch schätzen gelernt. Es muss daher bezweifelt werden, ob das Vorkrisenniveau nach der Bewältigung der Pandemie überhaupt wieder erreicht werden kann.

Herausforderung: Liquiditätsmanagement
In der aktuellen Marktlage liegt die größte Herausforderung für Geschäftsführer darin, die ausreichende Liquiditätsversorgung des Unternehmens sicherzustellen. Nur so kann eine ernste Unternehmenskrise oder gar Insolvenzantragspflicht vermieden werden. Eine mögliche Zahlungsunfähigkeit nicht ernst zu nehmen, kann hingegen sowohl strafrechtliche Konsequenzen für den Geschäftsführer haben, als auch eine persönliche Haftung mit seinem Privatvermögen begründen.

Zahlreiche neue Förderprogramme wurden in den letzten Monaten aufgelegt, zu deren Inanspruchnahme jedoch viele bürokratische Hürden zu überwinden sind und nicht zuletzt zu ho•en bleibt, dass die benötigten Antragsformulare zur Verfügung stehen und bewilligte Gelder zeitnah ausgezahlt werden. Fatal wirkt es dann, wenn Auszahlungen aufgrund entdeckter Missbrauchsfälle pauschal gestoppt werden und damit einkalkulierte Finanzmittel nicht oder erst deutlich später zur Verfügung stehen. Vielversprechend ist hingegen die Ausweitung des Verlustrücktrags auf ein erfolgreiches Vorpandemiejahr 2019 (§ 111 EStG), da hier bereits gezahlte Steuern zurückerlangt werden können.

Auf der Ausgabenseite lassen sich vor allem die Lohnkosten durch Kurzarbeit reduzieren. Die größte Herausforderung stellen daher die trotz Schließung unvermindert weiterlaufenden Mietzinsen dar. Hier kommt den Mietern zwar zugute, dass der Gesetzgeber den Lockdown nunmehr als einen Fall des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB)  definiert hat. Dadurch sind die Parteien aufgefordert, sich zusammen zu setzen. In welchem Umfang und unter welchen konkreten Voraussetzungen eine Anpassung zu erfolgen hat, bleibt jedoch weiterhin einer Einigung der Parteien vorbehalten oder müsste langwierig vor den Gerichten geklärt werden. Daher sollte der Geschäftsführer das konsensuale Gespräch mit dem Vermieter suchen, um einvernehmliche Regelungen zur Bewältigung der Pandemiezeit zu tre•ffen.

Validität und Transparenz des Geschäftsmodells
Vermieter sind dann zu Zugeständnissen bereit, auch in erheblichem Umfang, wenn sich das Mietverhältnis langfristig „rechnet“. Dabei geht es weniger um die Miete der nächsten Monate als vielmehr um die über die gesamte Mietlaufzeit zu erzielende Miete, aus der sich die Gesamtrendite ergibt. Daher spielt in vielen Verhandlungen auch die Verlängerung des Mietvertrags eine wichtige Rolle. Denn dadurch kann der Vermieter die gewährten Zugeständnisse kalkulatorisch auf einen größeren Mietzeitraum verteilen.

Entscheidend ist jedoch nicht nur die reine Miethöhe. Der Vermieter kann mit derjenigen Miete kalkulieren, mit deren Eingang er während der Vertragslaufzeit sicher rechnen kann. Bestehen Zweifel an der langfristigen Bonität des Mieters, muss er Abschläge vornehmen. Mietsicherheiten können hingegen den Wert des Mietverhältnisses und damit die Spielräume für kurzfristige Hilfen signifikant erhöhen, wenn sie über das übliche Maß hinausgehen.

Der Geschäftsführer des Mieters darf also durchaus davon ausgehen, dass der Vermieter ein kommerzielles Interesse an der Fortsetzung des Mietverhältnisses hat. Nur muss die Unterstützung des Mieters wirtschaftlich darstellbar sein,  entweder durch die absolute Gesamtrendite oder im Vergleich zur Rendite aus einer Neuvermietung, die unter Umständen Leerstandskosten, niedrigere Folgemieten und Ausbaukostenzuschüsse (oftmals in Form einer anfänglich mietfreien Zeit) mit einkalkulieren muss.

Zugleich sollte er sich aber auch bewusst machen, dass dem Handlungsspielraum des Vermieters Grenzen gesetzt sind. Denn der Wert aller Mietverträge eines Objekts stellt den entscheidenden Faktor bei der Wertermittlung der Gesamtimmobilie dar. Oftmals müssen Vermieter, die ein Objekt kreditfinanziert erworben haben, die Zustimmung ihrer Finanzierer zu einem Nachtrag einholen, zudem drohen Zinserhöhungen oder die Forderung nach einer  umfangreichen Nachbesicherung. Handelt es sich um einen institutionellen Anleger, etwa einen Immobilienfonds, können auch die vorgeschriebenen Anlagekriterien Spielräume beschränken. Im schlechtesten Fall könnte ein Fonds gezwungen sein, ein Objekt zu verkaufen, wenn beworbene Anlagekriterien dauerhaft nicht mehr erfüllt werden können.

Mieter werden daher erfolgreich über Mietnachträge sprechen können, wenn sie dem Vermieter die langfristige Validität ihres Geschäftsmodells belegen können. Geschäftsführer sollten jedoch der Versuchung widerstehen, den  Vermieter mit der Androhung eines Insolvenzantrags oder der möglichst drastischen Schilderung ihrer Finanzlage zu Zugeständnissen zu bewegen.

Denn Vermieter sind durch die Privilegierung der Mieten im erö•neten Verfahren, die Mietkaution und zu einem kleinen Teil das Vermieterpfandrecht in einer wirtschaftlichen Situation, in der die geordnete Beendigung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wirtschaftlich nicht einmal nachteilig sein muss und vor allem planbar und rechtssicher ist. Zudem wird ein Vermieter durch eine Insolvenzdrohung faktisch gezwungen, jedes weitere Verhandeln wie auch den Abschluss  eines Nachtrags von entsprechenden Nachweisen bis hin zum vollständigen Sanierungsgutachten abhängig zu machen. Dies betri•t nicht nur den unter normalen Umständen fernliegenden Vorwurf einer Beihilfe zur Insolvenzverschleppung. Vielmehr droht bei Kenntnis einer ernsthaften Krise im Falle einer späteren Mieterinsolvenz nicht nur der Ausfall rückständiger Mieten, sondern darüber hinaus auch die Anfechtbarkeit erlangter Mieten, jedenfalls, sofern sie nicht unter dem Bargeschäftsprivileg gezahlt wurden. Da im schlimmsten Fall vier Jahresmieten im Risiko sind, wird schnell deutlich, dass bei üblichen Vertragslaufzeiten von zehn Jahren eine annehmbare Mietrendite unter Einbeziehung des Ausfallrisikos dann nicht mehr darstellbar ist. Gerade institutionelle Investoren müssen aber stets Rechenschaft ablegen können, ob sie mit den ihnen anvertrauten Geldern sorgsam umgegangen sind.

Kündigung ist keine Lösung
Für Geschäftsführer von Filialisten stellt sich oftmals die Frage, unrentable Standorte zu schließen, um die restlichen  erhalten zu können. Befristete Gewerbemietverträge, also solche mit fester Laufzeit, können vom Mieter aber nur (ordentlich) gekündigt werden, wenn dies im Mietvertrag explizit vorgesehen ist (§ 542 Abs. 2 BGB). Aus diesem Grund versuchen einige Filialisten die Sanierung über ein „kontrolliertes“ Insolvenzverfahren. Denn dann kann auch ein befristeter Mietvertrag mit einer sehr kurzen Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden (§ 109 InsO). Dies sowie weitergehende Möglichkeiten, die Belegschaft zu reduzieren, können es Filialisten ermöglichen, unrentable Standorte selektiv zu schließen. Es ist jedoch auch mit professioneller Vorbereitung nicht auszuschließen, dass eine „Eigenverwaltung“ im „Schutzschirmverfahren“ am Ende in einem Regelverfahren mündet, bei dem der Gesellschafter sein Unternehmen verliert. Das zum Jahresanfang eingeführte präventive Restrukturierungsverfahren („StaRUG“) ist für derartige Zwecke hingegen ungeeignet, da die Kündigungsmöglichkeit langfristiger Verträge in letzter Minute aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde.

Nachträge gestalten
Beachtet man die vorstehenden Rahmenbedingungen, bieten sich viele wirtschaftlich sinnvolle Lösungen, denen Vermieter in der Regel auch o•en gegenüberstehen. Dies reicht von Stundung oder Verzicht auf rückständige Mieten, mietfreien Zeiten bis hin zu einer vorübergehenden (Teil-)Umstellung auf umsatzabhängige Mieten (wobei gerade institutionellen Vermietern aufgrund investmentrechtlicher Vorgaben hier eine entsprechende Argumentationsbasis geliefert werden muss).

Verhandlungen über Mietnachträge werden in der Regel erfolgreich sein, wenn der Mieter darlegen kann, dass er für ein langfristig verlässliches Mietverhältnis steht. Dazu muss der Mieter darlegen können, dass er die Krise unter Einbeziehung des Mietnachtrags und ggf. weiterer Maßnahmen nachhaltig überwinden wird. Planrechnungen sind in der aktuellen Marktlage aber nur so gut wie die Transparenz der Konzepte und das Vertrauen in die dahinterstehenden Personen. Daher sollten Geschäftsführer vor allem darauf achten, Verlässlichkeit und Planbarkeit schon bei ihrer Kommunikation mit dem Vermieter in den Mittelpunkt zu stellen.