Moderne Industriegesellschaften benötigen Innovationen, um zugleich zu wachsen und nachhaltig zu wirtschaften. Ohne radikale Transformation und konsequente Innovation können diese Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit den Wohlstand ihrer Bürgerinnen und Bürger nicht bewahren.
Besonders deutlich zeigt sich dieser Zusammenhang von Innovationsfähigkeit und Wohlstand im Bereich der Digitalisierung. Keine führende Volkswirtschaft der Welt kann es sich leisten, in diesem Bereich hinter den globalen Spitzenreitern hinterherzuhinken.
Wie steht es also um Deutschlands Innovationsfähigkeit im Allgemeinen, um die Innovationskraft im Bereich der Digitalisierung im Besonderen?
Der Innovationsindikator 2023, Resultat einer Kooperation von BDI und Roland Berger, zeigt, dass Deutschland im Vergleich der Innovationsfähigkeit 35 ausgewählter Volkswirtschaften auf dem zehnten Platz liegt. Wie ist das zu bewerten?
Das hängt von der Perspektive ab. Bei den neun Nationen, die vor Deutschland liegen, handelt es sich nicht um „klassische“ Industrienationen. So ist dem Innovationsindikator 2023 zufolge kein Land der G7-Gruppe oder der BRIC-Staaten innovationsfähiger als Deutschland. Länder wie die Schweiz oder Singapur bzw. die skandinavischen Länder hingegen liegen vor Deutschland. Diese Länder können gar nicht anders, als sich im globalen Wettbewerb auf bestimmte Innovationsfelder zu konzentrieren. Sie investieren massiv in ein leistungsfähiges Wissenschaftssystem und sorgen für enge Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. So bieten sie stark innovativen und international vernetzten Industrien hervorragende Standortbedingungen.
Licht und Schatten bestimmen also das Bild der Innovationsfähigkeit Deutschlands im Allgemeinen. Das gleiche Bild zeigt sich bei einem genaueren Blick auf das spezielle „Digitalisierungs-Ranking“ des Innovationsindikators 2023.
Der Innovationsindikator 2023 schlüsselt das allgemeine Thema der Digitalisierung in zwei Bereiche auf: digitale Hardware (mikro- und nanoelektronische Bauteile, unter anderem Computerchips, und andere integrierte Schaltungen) einerseits, digitale Vernetzung und softwarebasierte Anwendungen (Entwicklung zukunftsfähiger digitaler Kommunikationsnetzwerke zum Beispiel Halbleiter und Halbleiterlaser, Quantentechnologien, Künstliche Intelligenz oder Cloud-Computing) andererseits. Folgende Rankings ergeben sich für diese beiden Bereiche.
Deutschland landet im Bereich der digitalen Hardware aktuell auf einem durchaus beachtlichen sechsten Platz. Deutschland kann als vielleicht wichtigster verbliebener Produktionsstandort in Europa (zum Beispiel Silicon Saxony) einmal mehr durch ein positives Handelsbilanzsaldo auch bei digitaler Hardware, durch nennenswerte Indexwerte im Bereich der wissenschaftlichen Publikationen sowie im Bereich Markenanmeldungen punkten. Allerdings bleibt die Patentintensität und auch die absolute Zahl der Patente in diesem Bereich hinter anderen Ländern auffallend zurück.
Im Bereich der digitalen Vernetzung nimmt Deutschland lediglich eine Position im oberen Bereich des Mittelfelds ein – auf einer Stufe mit Ländern wie Irland oder den Niederlanden; aber deutlich nicht nur hinter Ländern wie Finnland, Schweiz oder Schweden, sondern auch hinter China und den USA liegend. Deutschland kann mit Ausnahme der absoluten Exportgrößen im Bereich der digitalen Vernetzung bei keinem der Indikatoren einen Spitzenwert erreichen. Im Bereich der Patentanmeldungen und der Markenanmeldungen finden sich allerdings vergleichsweise hohe Werte, die die gute deutsche Position mitbestimmen. Insgesamt müsste Deutschland vor dem Hintergrund seiner Faktorausstattung und ökonomischen Größe im Bereich der digitalen Vernetzung deutlich mehr investieren, wenn es weltweit an der Spitze in diesem Technologiefeld agieren möchte. Gerade die moderne deutsche Industrie mit ihren zunehmend automatisierten Logistik- und Wertschöpfungsketten böte hier eine Vielzahl von Anwendungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, die bei Weitem noch nicht ausgeschöpft werden.
So bestätigt sich im Bereich der Digitalisierung eine Ambivalenz, die sich auch schon für Deutschlands Innovationsfähigkeit im allgemeinen nachweisen ließ. Gerade im Bereich der Digitalisierung lässt Deutschland Potenziale, die sich aus einer guten Position im Bereich der digitalen Hardware ergeben, ungenutzt verstreichen. Hier sind zukünftig – man denke nur an die Potenziale, die sich zukünftig im Bereich Generative AI ergeben – mehr Mut und Innovationen gefragt.
Hier geht’s zum Innovationsindikator 2023: https://www.rolandberger.com/de/Insights/Publications/Deutschland-bleibt-innovativ-aber-es-fehlt-der-Schwung.html