Kündigungsschutz für Fremdgeschäftsführer und die Anwendbarkeit anderer arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften

Georg Kalenbach, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, rugekrömer Fachanwälte für Arbeitsrecht

Fremdgeschäftsführer unterliegen im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft häufig zahlreichen Beschränkungen und dürfen insbesondere bei größeren Gesellschaften oder in Konzernen oft  nur wenig selbst entscheiden. Ihre Aufgaben und Befugnisse unterscheiden sich dabei häufig nicht von sonstigen Angestellten in leitender Funktion. Auch ihre soziale Schutzbedürftigkeit ist nicht selten mit der sozialen Schutzbedürftigkeit anderer Arbeitnehmer im Unternehmen vergleichbar. Dennoch genießen Fremdgeschäftsführer in aller Regel keinen allgemeinen Kündigungsschutz, und arbeitsrechtliche Schutzvorschriften sind auf sie nicht anwendbar. Es bestehen jedoch Ausnahmen. Hiervon handelt der nachfolgende Beitrag.

1. Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz

Der Geschäftsführer wird in der Regel auf Grundlage eines Dienstvertrages für die Gesellschaft tätig. Dienstnehmer genießen keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutz (KSchG). Dieser besteht nach § 1 Abs. 1 KSchG nur bei einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer.

Möglich ist auch, dass die Tätigkeit des Geschäftsführers auf Grundlage eines Arbeitsvertrages erfolgt. Aber selbst dann besteht für das der Geschäftsführertätigkeit zugrundeliegende Arbeitsverhältnis kein allgemeiner Kündigungsschutz, da § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG bestimmt, dass die Vorschriften über den allgemeinen Kündigungsschutz in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, nicht gelten.

Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nach bisher herrschender Meinung nur dann greift, wenn die Organstellung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch besteht. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG greift dagegen nicht ein, wenn der Geschäftsführer vor Zugang der Kündigung bereits abberufen wurde oder sein Amt als Geschäftsführer vorher niedergelegt hat. In dieser Konstellation kann sich der Geschäftsführer, der seine Tätigkeit auf Grundlage eines Arbeitsvertrages erbringt, auf den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG berufen. Ob dies auch noch in Zukunft gilt, ist allerdings o•en, denn das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 21.9.2017 – 2 AZR 865/16 ausgeführt:

„Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob die negative Fiktion des § 14 I 1 KSchG auch dann eingreift, wenn die Organstellung bereits vor Zugang der Kündigung geendet hat. Nach dem Gesetzeswortlaut erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass sich die Fiktion uneingeschränkt auf dasjenige Anstellungsverhältnis bezieht, das schuldrechtliche Grundlage für die Organstellung ist oder gegebenenfalls auch war, solange es um die Kündigung allein dieses Vertragsverhältnisses geht. Darauf wäre es dann gegebenenfalls ohne Einfluss, wenn das Organmitglied sein Amt selbst durch Niederlegung aufgegeben hat oder wenn ihm die Kündigung des zugrundeliegenden Anstellungsverhältnisses erst nach dem Widerruf seiner Bestellung durch die Gesellschaft zugeht.“

§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG schließt den allgemeinen Kündigungsschutz nur dann aus, wenn lediglich ein Schuldverhältnis existiert und dieses mit der Gesellschaft besteht, bei der der Geschäftsführer seine Organstellung innehat. Existiert daneben ein weiteres Schuldverhältnis und handelt es sich hierbei um ein Arbeitsverhältnis, besteht in diesem Arbeitsverhältnis Kündigungsschutz. Dasselbe gilt, wenn die Anstellungsgesellschaft und die Gesellschaft, bei der der Geschäftsführer seine Organstellung innehat, nicht identisch sind.

a) Drittanstellung im Konzern
Die Konstellation, dass die Anstellungsgesellschaft und die Gesellschaft, bei der der Geschäftsführer seine Organstellung innehat, nicht identisch sind, kommt insbesondere in Konzernen häufig vor. Hierbei steht zum Beispiel ein leitender Angestellter in einem Arbeitsverhältnis zur Konzernobergesellschaft und soll bei einer Tochtergesellschaft zum Geschäftsführer bestellt werden.

Erfolgt die Bestellung zum Geschäftsführer der Tochtergesellschaft und wird mit der Tochtergesellschaft kein eigener Anstellungsvertrag abgeschlossen, sondern erbringt der Geschäftsführer seine Geschäftsführertätigkeit auf Grundlage des mit der Konzernobergesellschaft bestehenden Arbeitsvertrages, genießt der Geschäftsführer in diesem Arbeitsverhältnis weiter allgemeinen Kündigungsschutz. Dieser wird durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht ausgeschlossen, weil die Vorschrift nur im unmittelbaren Verhältnis der GmbH zu ihrem Geschäftsführer gilt.

Schließt der Geschäftsführer mit der Tochtergesellschaft hingegen einen eigenen Dienstvertrag ab, stellt sich die Frage, ob hierdurch das Arbeitsverhältnis zur Konzernobergesellschaft entweder ausdrücklich oder konkludent aufgehoben wird. Die Rechtsprechung geht zwar im Regelfall von einer konkludenten Aufhebung des bestehenden Arbeitsverhältnisses aus, wenn die Parteien des Arbeitsvertrages einen Geschäftsführerdienstvertrag schließen, der die nach § 623 BGB erforderliche Schriftform wahrt. Ein schriftlicher Geschäftsführerdienstvertrag, den eine von der Arbeitgeberin (Konzernobergesellschaft) verschiedene Gesellschaft (Tochtergesellschaft) mit dem Arbeitnehmer schließt, wahrt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24.10.2013 – 2 AZR 1078/12) jedoch nicht das Formerfordernis des § 623 BGB für eine Vereinbarung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Es fehlt an einem schriftlichen Rechtsgeschäft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dies führt dazu, dass zwei Vertragsverhältnisse bestehen: ein (ruhendes) Arbeitsverhältnis mit der Konzernobergesellschaft und ein Geschäftsführerdienstvertrag mit der Tochtergesellschaft. Wird der Geschäftsführerdienstvertrag von der Tochtergesellschaft gekündigt, lebt das ruhende Arbeitsverhältnis mit der Konzernobergesellschaft wieder auf. In diesem Arbeitsverhältnis besteht allgemeiner Kündigungsschutz.

b) Beförderungsfälle
Die Beförderungsfälle sind dadurch gekennzeichnet, dass der Geschäftsführer zunächst als Arbeitnehmer für die Gesellschaft tätig war und dann zu deren Geschäftsführer „befördert“ wird. Schließen der Geschäftsführer und die Gesellschaft in diesem Zusammenhang einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag ab, heben sie hiermit das zuvor zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis zumindest konkludent auf. Die Rechtsprechung nimmt in diesem Zusammenhang an, dass nach dem Willen der Parteien in aller Regel neben dem Dienstverhältnis nicht noch ein Arbeitsverhältnis (ruhend) fortbestehen soll. In dem Dienstverhältnis besteht kein allgemeiner Kündigungsschutz.

Wird ein schriftlicher Geschäftsführerdienstvertrag nicht abgeschlossen, ist zu klären, ob ein solcher mündlich oder zumindest konkludent zustande gekommen ist. In diesem Fall würde die Aufhebung des zuvor bestehenden Arbeitsverhältnisses an dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB scheitern. Das Arbeitsverhältnis würde fortbestehen und der allgemeine Kündigungsschutz für das Arbeitsverhältnis greifen. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG fände keine Anwendung auf das Arbeitsverhältnis, weil es nicht die Grundlage der Geschäftsführertätigkeit wäre, sondern der mündlich oder konkludent geschlossene Geschäftsführerdienstvertrag. Die Rechtsprechung geht in diesen Konstellationen jedoch davon aus, dass beim Fehlen von Anhaltspunkten kein konkludenter Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen wurde, sondern das Arbeitsverhältnis die schuldrechtliche Grundlage für die Geschäftsführertätigkeit bildet, sodass § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG Anwendung findet und kein Kündigungsschutz besteht. Für Anhaltspunkte, die zur Annahme eines mündlich oder konkludent geschlossen Geschäftsführerdienstvertrages führen, ist der Geschäftsführer darlegungs- und beweisbelastet.

c) GmbH & Co. KG
Ob der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH, der in einem Arbeitsverhältnis zur Kommanditgesellschaft steht, allgemeinen Kündigungsschutz genießt oder ob dieser nach § 14 Abs. 1 KSchG ausgeschlossen ist, ist umstritten. In älteren Entscheidungen hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts den Kündigungsschutz bejaht, da eine nur mittelbare Stellvertretung für den Ausschluss des Kündigungsschutzes nach § 14 Abs. 1 KSchG nicht ausreichend sei. Hiergegen wird eingewandt, dass der Geschäftsführer auch der KG gegenüber als Organvertreter anzusehen sei, da er als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch für die KG handle.

2. Andere Arbeitnehmerschutzvorschriften
Neben der Frage, ob der Geschäftsführer sich auf den allgemeinen Kündigungsschutz berufen kann, stellt sich die Frage, ob auch andere arbeitsrechtliche Schutzvorschriften, insbesondere Vorschriften über den besonderen Kündigungsschutz z.B. für Schwangere, Schwerbehinderte etc., eingreifen können.

Das Eingreifen arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften setzt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Abgesehen von den Konstellationen, in denen ausdrücklich ein Arbeitsverhältnis abgeschlossen wurde, geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass der Geschäftsführer kein Arbeitnehmer ist. Das Bundesarbeitsgericht geht außerdem davon aus, dass der Geschäftsführer  grundsätzlich auf Grundlage eines Dienstvertrages tätig wird und daher nur in Ausnahmefällen als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Abweichend hiervon ist der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegri• weiter. Nach dem EuGH ist Arbeitnehmer, wer für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt und als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dies tri•t auch auf den Fremdgeschäftsführer zu, der den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt.

Soweit die Arbeitnehmerschutzvorschrift der Umsetzung Europarechtlicher Vorgaben dient und deshalb der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegri® maßgeblich ist, findet diese auch auf den Fremdgeschäftsführer Anwendung, selbst wenn dieser nach nationalem Verständnis als Dienstnehmer und nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren wäre.

Dies gilt nach der „Danosa“-Entscheidung des EuGH beispielsweise für das Kündigungsverbot gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und der Schutzfristen des § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG).

Im Gegensatz hierzu ist für den Kündigungsschutz nach § 18 BEEG (Elternzeit) und nach § 168 SGB IX (Schwerbehinderte) der nationale Arbeitnehmerbegri• maßgeblich.

Dasselbe gilt für auch für den Kündigungsschutz nach § 5 PflegeZG (Pflegezeit). Allerdings gilt das PflegeZG auch für Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG), wovon bei Fremdgeschäftsführern regelmäßig ausgegangen werden kann.

Im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ( AGG) i st § 6 Abs. 3 AGG von Bedeutung. Danach gelten die Vorschriften über den Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung auch für Organmitglieder, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betri•t. Dabei wird das Merkmal des Zugangs zur Erwerbstätigkeit weit verstanden und erfasst auch die (Nicht-)Fortsetzung eines befristeten Dienstverhältnisses nach Fristablauf als Fall des erneuten Zugangs aufgrund eines Diskriminierungsmerkmals (Alter, Geschlecht, Behinderung, etc.).

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass es zahlreiche Ausnahmen von der Regel gibt, dass Fremdgeschäftsführer keinen Kündigungsschutz haben und sich daher nicht selten gegen eine beabsichtigte Entlassung zur Wehr setzen können.