Konzern- und Organschaftsrecht: Zwei Welten prallen aufeinander

Die Tätigkeit des GmbH-Geschäftsführers ist komplex und anspruchsvoll. Der Geschäftsführer ist als vertretungsberechtigtes Organ der GmbH nach außen hin in allen Bereichen die verantwortliche handelnde Person, auch wenn andere für „seine“ GmbH tätig sind. Im Innenverhältnis haben die Gesellschafter das Sagen, ohne jedoch dafür die Verantwortung im Außenverhältnis zu tragen.

Das GmbHG regelt die Verteilung von Rechten und Pflichten des Geschäftsführers sowie die Kompetenzen der Gesellschafter. Diese Regelungen gelten unabhängig davon, ob die GmbH groß oder klein ist bzw. in eine Unternehmensgruppe eingebunden ist. Es enthält kein ausdrückliches Konzernrecht, in dem bestimmt wird, ob die GmbH und damit auch der Geschäftsführer sich übergeordneten Konzerninteressen unterzuordnen haben. Es ist jedoch bereits seit langem höchstrichterlich geklärt, dass insoweit auf das Recht der Aktiengesellschaft zurückgegriffen werden kann.

Aus steuerlicher Sicht muss man leider feststellen, dass es dort kein „Konzernrecht“ gibt. Auf die gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten einer Unternehmensgruppe wird nicht per se Rücksicht genommen. Nur ganz wenige Vorschriften in den Steuergesetzen verwenden den Begriff des Konzerns, wobei hinzukommt, dass dem ein abweichendes Konzernverständnis zugrunde liegt (z. B. die Zinsschranke nach § 4h EStG sowie § 8a KStG). Grundsätzlich spricht das Steuerrecht von sog. „verbundenen Unternehmen“, was nicht deckungsgleich mit dem Konzern ist.

Um die Besonderheiten dieser verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen, verwendet das Steuerrecht einen ganz anderen Begriff: den der Organschaft. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Organschaft weichen grundlegend vom gesellschaftsrechtlichen Konzernrecht ab. Wenn gesellschaftsrechtlich ein Konzern vorliegt, muss keine steuerliche Organschaft gegeben sein. Unabhängig davon rechtfertigt das Vorliegen der steuerlichen Organschaft keinen Rückschluss auf konzernrechtliche Fragen. Der Geschäftsführer ist daher gehalten, beide Rechtsgebiete zu beachten.

Das Steuerrecht kennt im Wesentlichen zwei Arten der Organschaft: die umsatzsteuerliche und die ertragsteuerliche Organschaft.

Bei der umsatzsteuerlichen Organschaft wird die Tochtergesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG steuerlich wie eine unselbstständige Betriebstätte behandelt, mit der Folge, dass die Leistungsbeziehungen innerhalb der Organschaft nicht umsatzsteuerpflichtig sind. Die von der Tochtergesellschaft (auch Organgesellschaft genannt) gegenüber Dritten erzielten Umsätze sind umsatzsteuerpflichtig, werden aber bei dem Gesellschafter (auch Organträger genannt) erfasst, der für alle Unternehmen des Organkreises einheitlich die Umsatzsteuererklärungen abgibt, den Vorsteuerabzug auch der Tochtergesellschaften geltend macht und für alle Unternehmen die Umsatzsteuer entrichtet.

Bei der ertragsteuerlichen Organschaft (§ 14 ff. KStG und § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) wird das Einkommen jeder Tochtergesellschaft separat ermittelt. Gewinne bzw. Verluste der Tochtergesellschaften werden auf der Ebene der Muttergesellschaft zusammengefasst, so dass ein Verlustausgleich möglich ist. Nur auf das Saldo hat der Organträger die Ertragsteuern zu entrichten. Weiterer wesentlicher Vorteil der ertragsteuerlichen Organschaft ist, dass die Leistungsbeziehungen innerhalb der Unternehmensgruppe steuerlich nicht auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden.

Beide Organschaftsformen sind auf Deutschland beschränkt und unterliegen hohen rechtlichen Anforderungen. Die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Organschaft sind weitreichend. Vor dem Hintergrund können solche Strukturen nur mit einer professionellen, fachlichen Beratung aufgesetzt und begleitet werden.

Kernproblem dieses Nebeneinanders von Konzern- und Organschaftsrecht ist, dass beide Rechtsgebiete nicht vollständig aufeinander abgestimmt sind. So sind viele Verhaltensweisen konzernrechtlich zulässig bzw. sogar geboten, ohne dass das Steuerrecht darauf Rücksicht nimmt. „Übliche“ Konzernumlagen werden steuerlich auf Angemessenheit überprüft. Da im Konzern i. d. R. Mehrheitsbeteiligungen bestehen, müssen die konzerninternen Verträge für steuerliche Zwecke zudem hohen formellen Anforderungen genügen (z. B. Rückwirkungsverbot, Bestimmtheit, tatsächliche Durchführung). Dass eine Maßnahme im Konzerninteresse liegt, genügt nicht zur steuerlichen Rechtfertigung. So kann es im Konzerninteresse liegen, dass eine Tochtergesellschaft Steuerzahlungen zurückstellt, um ein Gesellschafterdarlehen zurückzuführen, damit die Konzernzentrale damit dringende neue Investitionen finanziert. Ohne ausdrückliche Zustimmung des Finanzamtes (z. B. durch eine Stundung), ist das aber nicht zulässig.

Im Mittelpunkt steht die steuerliche Verpflichtung, dass die GmbH alle wirtschaftlichen Chancen realisieren muss. Eine Verlagerung dieser Chancen auf die Muttergesellschaft bzw. verbundene Unternehmen löst in der Regel eine sog. „verdeckte Gewinnausschüttung“ aus. Die Einhaltung der formalen Pflichten (insb. Buchführung, Abgabe von Steuererklärungen sowie die Entrichtung der Steuern) gelten unabhängig von übergelagerten Konzerninteressen. Das Steuerrecht hat Vorrang gegenüber dem Konzernrecht!

Das wirkt sich auch auf die Haftung des Geschäftsführers aus. Wird der Geschäftsführer wegen eines eventuellen Fehlverhaltens vom Finanzamt nach § 69 AO in Anspruch genommen, kann er sich nicht gegenüber dem Finanzamt darauf berufen, dass eine entsprechende Weisung der Konzernzentrale vorliegt bzw. sein Verhalten dem übergeordneten Konzerninteresse entsprochen hat.

Das Zauberwort, um dieses Haftungsrisiko zu reduzieren, lautet Tax Compliance. Wenn der Geschäftsführer gegenüber der Finanzverwaltung dokumentieren kann, dass er mögliche Risiken gesehen und ein Risikovermeidungssystem aufgebaut hat, das zur Reduzierung des Risikos führt, kann der Geschäftsführer in der Regel nicht in Haftung genommen werden, wenn sich dieses Risiko dann doch noch realisiert. Im Konzern besteht nun aber das Problem, dass der Geschäftsführer dieses Tax Compliance System nicht nach eigenen Wünschen ausgestalten kann, sondern sich dem System einfügen muss, das durch den Konzern vorgegeben wird.

Zur Reduzierung des steuerlichen Haftungsrisikos im Konzern sollte der Geschäftsführer daher folgende Grundregeln beachten:

  1. Beim Amtsantritt muss geprüft werden, ob das vorhandene Tax Compliance System ausreichend ist. Gegeben falls muss er versuchen, es seinen Ansprüchen anzupassen.
  2. Im Anstellungsvertrag muss klargestellt werden, dass er zumindest intern von einer Haftung freigestellt wird, wenn er konzerninterne Weisungen befolgt.
  3. Bei der D&O-Versicherung ist darauf zu achten, dass auch das Steuerrecht umfasst ist.
  4. Die steuerlichen Grundlagen für Entscheidungen sind sorgsam zu dokumentieren, um bei einem eventuellen Haftungsfall darauf zurückgreifen zu können.
  5. Bei einem erkennbaren Verstoß gegen steuerliche Pflichten nützt die interne Freistellung wenig, wenn auch strafrechtliche Risiken bestehen. Spätestens in solchen Situationen sollte der Geschäftsführer eine Mitwirkung verweigern bzw. in Extremfällen sein Amt niederlegen.
  6. Der Geschäftsführer muss sich in rechtlichen Sachen ständig fortbilden. Wozu dieses E-Book und die Seminare von Euroforum gute Beträge sind.