KI im Staatsdienst: Wie sich Verwaltung und internationale Zusammenarbeit verändern können

Das Jahr 2 der sprechenden KI hat begonnen. In diesem Jahr werden Sie viel künstliche Intelligenz nutzen. Oft ohne es zu bemerken, denn KI wird im Hintergrund arbeiten, wenn wir einkaufen oder im Internet suchen. Aber nutzen Sie bitte KI auch ganz bewusst: Sie wird unsere Welt verändern, daher sollten wir diese Technologie verstehen. Dann können wir Stärken, aber auch die Risiken und
Grenzen von KI erkennen.

KI befindet sich noch in den Kinderschuhen. Wie bei jeder disruptiven Innovation ist das Staunen zunächst groß – und die Sorge vor dem Neuen, dem Unbekannten, an das wir uns erst gewöhnen. Wir leben also gerade in einer Zeit, die vergleichbar ist mit den ersten schwarzweißen Stummfilmen, die im Jahrmarktzelt gezeigt wurden, oder der geheimnisvollen Elektrizität, die große Säle mit Glühlampen illuminierte.

Ich erwarte allerdings, dass KI für uns sogar noch wichtiger werden wird als Filme und Elektrizität. KI kann eine fundamentale Veränderung bedeuten, für unseren Staat, und für die ganze Menschheit. Daher sollten wir diese erste Phase ganz bewusst wahrnehmen und aktiv gestalten. Dazu kann dann die internationale Zusammenarbeit beitragen: offene und transparente KI für gemeinsame Ziele der Welt einzusetzen.

Was macht eine Behörde mit KI?

Wie viele Ministerien arbeitet auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) intensiv mit Daten. Dies sind vor allem Informationen zur Situation unserer Partnerländer und Statistiken zu den nachhaltigen UN-Entwicklungszielen. Da die Datenmengen der digitalisierten Welt exponentiell steigen, hat die Bundesregierung entschieden, im Sinne einer stärker daten- und evidenzbasierten Politikgestaltung in allen Ministerien sogenannte Datenlabore einzurichten, finanziert von der Europäischen Union. Da so die Datenkompetenz in der obersten Bundesverwaltung erhöht und durch experimentelle Methoden neue Lösungen erarbeitet werden, können auch große Datenmengen effizient in der Regierungsarbeit genutzt werden.

Sprachmodelle einsetzen

Die Datenlabore können sich nun auch für KI als wertvoll erweisen: Wie die Blumen auf einer Wiese blüht KI auf dem Nährboden großer Datenmengen – vor allem auf Texten. Die Technologie hat sich als erstaunliches verbales Werkzeug erwiesen. Faszinierend ist, dass der Mensch mit einem modernen KI-Modell auch nicht mehr programmieren muss; KI übersetzt verbal vorgegebene Ziele in Software.

Und wo setzt man sie ein? Alle Experten sind sich einig, dass moderne Sprachmodelle unsere Arbeit beschleunigen und erleichtern werden, wenn sie Texte zusammenfassen oder Fakten extrahieren. Doch die Ansätze, wie das in bestehenden Arbeitsabläufen umzusetzen ist, variieren. Als Labor können wir experimentieren und haben im BMZ pilothaft verschiedene KI-Verfahren auf möglichen Nutzen hin untersucht. Die Erfahrungen tauschen wir laufend innerhalb der Datenlabore des Bundes aus, um so gemeinsam Lösungen zu entwickeln.

Warum KI für den Staat nützlich ist

KI-Anwendungen bergen großes Potenzial, staatliche Arbeit effektiver zu gestalten. In der Kommunikation zum Bürger kann ein modernes Sprachmodell beispielsweise einen behördlichen Bescheid erklären; mit einem erstaunlichen Verständnis der Gesetze und Verfahren. Unternehmen werden rasch zu diesem neuen Instrument greifen, um Prozesse zu beschleunigen und Kosten zu senken. Behörden können KI einsetzen, um das Regelwerk der Verwaltung schneller anzuwenden; mit Verantwortung und Umsicht und – besonders wichtig: der Möglichkeit, immer an einen Menschen zurück zu verweisen. KI kann helfen, Vorgaben detailgenau und trotzdem effizient umzusetzen und wirkt dadurch dem Personalmangel entgegen. Aber natürlich ist der Einsatz von KI auch nicht ohne Risiken. Sicherheit und Datenschutz sind wichtige Themen, die eine Nutzung begrenzen. Darüber hinaus gibt es weitere Risiken, als Stichworte seien hier beispielhaft genannt die digitale Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, Ethik und Menschenrechte, Umweltauswirkungen, und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Diese Themen bedürfen einer intensiven Beobachtung und Analyse, sowie geeigneter Maßnahmen, die negative Auswirkungen vermeiden. Die umfassende Betrachtung dieser Themen sprengt allerdings den Rahmen dieses Artikels.

Den experimentellen Auftrag der Datenlabore nutzen wir, um auch über weitere Anwendungen von KI zu diskutieren. Kann KI für den Staat grundlegend neue Vorteile bieten, wenn sie sinnvoll trainiert wird? Moderne KI-Modelle antworten durch ethische Optimierung bereits jetzt sehr ausgeglichen. Die jüngste Forschung bestätigt, dass die besten Sprachmodelle bereits ähnlich gut abwägen können, wie der Mensch. Meiner Meinung nach wird es eines Tages eine sinnvolle Option werden, transparent trainierte KI beratend bei Interessenskonflikten einzusetzen, um zu vermitteln und Kompromisse vorzuschlagen.

Vertrauen als Schlüssel der internationalen Zusammenarbeit für und mit KI

KI kann über die deutsche Behördenwelt hinaus für die internationale Zusammenarbeit relevant werden. Etwa beim Klimawandel: Staaten weltweit müssen die komplexen Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Regionen beziehen, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Hier kann KI ein wertvolles Instrument sein, um globale Klimasimulationen zu analysieren und länderspezifische Lösungen zu entwickeln. Und auch sonst, von präzisen Vorhersagen landwirtschaftlicher Erträge bis zu effizienten Energienetzen: KI wird eine Vielzahl an Anwendungsfällen bieten, für die Vielzahl der Herausforderungen unserer Zeit.

Wenn aber ganze Staaten mit der Technologie arbeiten sollen, müssen sie ihr vertrauen können. Transparenz ist dabei zentral, da KI-Systeme oft zu komplex sind, um im Detail nachvollziehbar zu sein. Geschlossene kommerzielle Systeme oder Lösungen aus einzelnen Staaten erschweren Vertrauen – auch in Deutschland, das großen Wert auf digitale Souveränität legt.

Internationale KI-Projekte, in denen viele Staaten am Trainingsprozess teilnehmen, „Open Source AI“ gemeinsam entwickeln und nutzen, könnten dagegen Vertrauen schaffen – so wie wir das in viel kleinem Rahmen in den Datenlaboren des Bundes praktizieren wollen. Transparenz hilft auch, der „KI-Kluft“ entgegenzuwirken, die entsteht, wenn Länder aufgrund fehlender Kenntnisse oder Ressourcen von der Technologie ausgeschlossen sind. Auch würde dadurch der Machtwettlauf zwischen den großen Staaten abgeschwächt. Stattdessen können in internationalen KIVorhaben die Aspekte eingebracht werden, zu deren Lösung sich die Weltgemeinschaft verpflichtet hat.

Mit allen diesen kommenden Veränderungen ist es gut möglich, dass wir in der Zukunft zwischen der Zeit vor und nach KI unterscheiden, sei es im Alltag, in der Behördenwelt, oder in der internationalen Zusammenarbeit.

Daher sollten wir es heute als Aufgabe sehen, KI als Technologie aktiv zu gestalten.

KI-Anwendungen bergen großes Potenzial, staatliche Arbeit effektiver zu gestalten.

Dr. Iliya NickeltChief Data Scientist, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
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