HR-Themen im M&A-Prozess im Kontext von „ESG“

ESG ist auch in HR ein geradezu omnipräsentes Thema, auch wenn weitgehend noch unklar ist, in welcher Weise gerade das „S“ in „ESG“ operativ umzusetzen ist. Im Bereich der Konsultationspflichten bei Betriebsänderungen, also gerade auch bei Post-Closing Restrukturierungen, ist aber schon jetzt absehbar, dass die Frage der ESG-Bewertung einer Transaktion auch gegenüber Betriebsräten und Gewerkschaften erheblich an Bedeutung gewinnt. Der Grund ist letztlich, dass ESG eben auch als Standort- und damit Beschäftigungssicherungsfaktor begriffen wird. Die IG Metall hat das gerade mit Blick auf die Schwierigkeiten, Automobilzulieferer derzeit zu refinanzieren und damit zu sanieren, besonders herausgestellt.

Was bedeutet das für M&A Transaktionen? Drei Beobachtungen:

(1) Die Frage der „Restrukturierbarkeit“, auch operativ, wird zunehmend schon im Pre-Signing diskutiert und käuferseitig bewertet. Die Zeiten, in denen die Restrukturierung erst Monate nach einem Closing angegangen wird, sind längst vorbei. Ob und unter welchen Beschränkungen operative Anpassungen möglich sind, was sie kosten und ob diesen ggf. erheblicher Protest entgegenstehen wird, ist heute schon kommunikativ eine Schlüsselfrage. Der Fall Airbus, in dem ein einzelnes Werk eine an sich ausverhandelte Investorenlösung öffentlichkeitswirksam „beerdigt“ hat, wird in M&A-Prozessen lange nachwirken.

(2) „Airbus“ hat auch gezeigt, dass das „S“ in „ESG“ im Sinne der „Sustainability“ nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten, die Arbeitgeberwahl, Arbeitsbeziehungen und die Effizienz des Umwandlungsprozesses die Transaktionsbewertung seitens der Sozialpartner künftig prägen wird. Richtigerweise sind Fragen der nachhaltigen Unternehmensführung zwar an sich beim (ggf. mitbestimmten) Aufsichtsrat zu platzieren. Betriebsräte haben ohne konkreten Maßnahmenbezug hierfür aber an sich kein Mandat. Künftig kann aber auch der Wirtschaftsausschuss zu beteiligen sein, so wie dies in unserem Nachbarland – Frankreich – aufgrund eines am 25. August 2021 in Kraft getretenen Gesetzes bereits der Fall ist. Der Arbeitgeber muss den Wirtschaftsausschuss nicht nur über unternehmerische Entscheidungen als solche, sondern auch über Umweltauswirkungen dieser unternehmerischen Entscheidungen informieren. Im Einzelfall, insbesondere bei Um- und Restrukturierungsmaßnahmen, muss der Wirtschaftsausschuss vom Arbeitgeber über mögliche Umweltauswirkungen informiert und dazu angehört werden. Wird der Wirtschaftsausschuss übergangen, drohen Geldstrafen und Unterlassungsklagen.

(3) Ohne „Best Owner“-Konzepte, ggf. während der Transaktion dreiseitig zwischen den Sozialpartnern und den Erwerbsinteressenten vereinbart, sind komplexe M&A Vorhaben personalpolitisch kaum mehr denkbar. Gerade in Carve-out Projekten bedarf es eines professionellen Carve-out-Projektmanagements, um die Auswirkungen gerade der künftigen Mitbestimmungs- und Tarifstruktur auf die sozialpolitische Begleitung des M&A Vorhabens von Beginn an richtig einschätzen und steuern zu können. Die Forderungen der Arbeitnehmerseite haben sich hier nicht nur durch COVID (Mobiles Arbeiten & Co.) verändert. Die Arbeitgeberseite muss sich daher bei Zusagen neu orientieren. Gefordert wird häufig der Erhalt der Aufsichtsrats-Mitbestimmung und der Tarifbindung, die Absicherung einer Altersversorgung und Reorganisationssperren. Über den bisher üblichen Weg des Betriebsübergangs nach § 613a BGB ist dies nur eingeschränkt lösbar. „Best Owner-Vereinbarungen“ sind ein sinnvolles Instrument, um diese klassischen „Arbeitnehmerforderungen“ gleich zu Beginn einer Transaktion zwischen den Beteiligten zu adressieren. Sind weitere Anpassungsprozesse notwendig, können sogar externe Dritte, beispielsweise als Moderatoren oder Monitor für die Einhaltung der Zusagen, eingesetzt werden.

Dass derart sozialpolitisch begleitete Transaktionen funktionieren, zeigen die jüngsten Beispiele von AMS/Osram, Thyssenkrupp Elevators, Siemens Energy oder auch eine Vielzahl „kleinerer“ Fälle gerade im PE-Umfeld. Jüngste Beispiele zeigen auch, dass der „Reverse Carve-out“ in gleicher Weise sozial- und personalpolitisch sinnvoll begeistert werden kann. In Zeiten des Fachkräftemangels, bei dem Unternehmen von Mitarbeitern und Bewerbern zunehmend unter ESG und „Best Employer“-Standards bewertet werden, ist das unumgänglich.

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