Haftungsbeschränkung durch Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung in der Geschäftsführung der GmbH

Carsten Laschet, Rechtsanwalt, FRIEDRICH GRAF VON WESTPHALEN & PARTNER mbB | Rechtsanwälte
Dr. Sascha Horn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, FRIEDRICH GRAF VON WESTPHALEN & PARTNER mbB | Rechtsanwälte

Die Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung im Rahmen der Geschäftsführung einer GmbH ist aus haftungsrechtlicher Sicht eine wichtige und daher auch praxisrelevante Möglichkeit, die aufgrund der Vielschichtigkeit der Haftungsszenarien von GmbH-Geschäftsführern bestehende Haftung der Geschäftsführer – soweit gesetzlich möglich – zu erleichtern.

Die Anforderungen an eine wirksame Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung waren bereits Gegenstand einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten. Hierbei war insbesondere bislang streitig, ob eine wirksame Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung zwingend schriftlich fixiert werden muss¹.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil² zu den Voraussetzungen einer wirksamen Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung grundsätzlich und vor allem dazu Stellung bezogen, ob eine solche zwingend schriftlich zu erfolgen hat.

1. Hintergrund
Geschäftsführer einer GmbH sind – sofern mehrere Geschäftsführer bestellt sind und keine Einzelvertretungsbefugnis eingeräumt wurde – nach § 37 Abs. 2 GmbHG nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Nach der gesetzlichen Grundkonzeption sind sie zum Zusammenwirken verpflichtet. Gleichwohl sind sie jeweils kraft ihrer Amtsstellung grundsätzlich für alle Angelegenheiten der Gesellschaft zuständig; sie tragen die verantwortliche Leitung der Geschäfte der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit³. Aus haftungsrechtlicher Sicht gilt insoweit das Prinzip der Gesamtverantwortung der Geschäftsführung⁴.

Aufgrund der Vielschichtigkeit der Aufgaben und somit auch der einzuhaltenden Pflichten ist es bei einer GmbH ab einer bestimmten Größe in der Praxis zweckmäßig und oftmals auch erforderlich, die Aufgaben der Geschäftsführung der GmbH bei der Wahrnehmung durch mehrere Personen zwischen diesen aufzuteilen. Grundsätzlich sind die Gesellschafter – sofern der Gesellschaftsvertrag kein anderes Organ für zuständig erklärt – für die Geschäftsverteilung bzw. eine Ressortaufteilung zuständig. Sofern die Gesellschafter keine Geschäftsverteilung bzw. keine Ressortaufteilung (bspw. durch Gesellschafterbeschluss, als Bestandteil einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung oder mittels eines Geschäftsverteilungsplans in Form eines Organigramms⁵) bestimmen, können die Geschäftsführer nach h.M. eine solche auch selbst festlegen, vorausgesetzt, alle Geschäftsführer stimmen dieser zu bzw. tragen diese mit und Regelungen im Gesellschaftsvertrag bzw. ein Gesellschafterbeschluss stehen dem nicht entgegen⁶.

Durch eine wirksame Aufgabenverteilung bzw. Ressortaufteilung verlagert sich für die Geschäftsführer der Anknüpfungspunkt ihrer Haftung. Durch die Verteilung der Geschäfte auf die einzelnen Ressortinhaber begründet die Einzelgeschäftsführungsbefugnis des/der Geschäftsführer(s) für die ihm/ihnen zugewiesenen Aufgaben.

Gleichwohl bleiben sämtliche Geschäftsführer aufgrund des Prinzips der Gesamtverantwortung verpflichtet, sich wechselseitig über wichtige Vorgänge in anderen Ressorts zu unterrichten, die Tätigkeit der Geschäftsführerkollegen zu überwachen und notfalls zu intervenieren. Die Handlungspflicht des nach der Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung „nicht zuständigen“ Geschäftsführers wandelt sich zu einer Überwachungspflicht.

2. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 06.11.2018, Az. II ZR 11/17 (NZG 2019, 225)

Der Bundesgerichtshof hatte sich im Rahmen der Haftung eines Geschäftsführers wegen Zahlungen nach Insolvenz der Gesellschaft (§ 64 GmbHG a.F.) mit eben einer solchen Haftungsbeschränkung innerhalb der Geschäftsführung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die aus zwei Personen bestand, zu beschäftigen. Hierbei hat er zu den Anforderungen an eine wirksame Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung innerhalb der Geschäftsführung bei der GmbH Stellung bezogen.

Der Bundesgerichtshof stellte in seinem Urteil zunächst klar, dass eine interne Geschäftsverteilung den/die Geschäftsführer nicht von seinen/ihren eigenen Verpflichtung(en) aus § 64 GmbHG entbinde⁷. Ein Geschäftsführer müsse vielmehr für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermögliche⁸. Insoweit betonte der Bundesgerichtshof im Falle einer wirksamen Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung den Verbleib einer Überwachungspflicht bei dem (ressortfremden) Geschäftsführer, der die Führung der nicht zu seinem Bereich gehören-
den Geschäfte im Auge behalten und diese auf Rechtmäßigkeit, Ordnungsgemäßheit als auch auf Zweckmäßigkeit überprüfen muss⁹.

2.1 Voraussetzungen einer wirksamen Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung
Grundsätzlich ist die Organisation der Aufgaben auf Geschäftsführungsebene wie auch die Aufgabenwahrnehmung selbst Teil der Unternehmensleitung, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu erfüllen ist10. Eine solche Organisation setzt nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes eine klare und abgrenzbare Aufteilung aller Geschäftsführungsaufgaben voraus11.

Eine ordnungsgemäße Erledigung von Geschäftsführungsaufgaben – somit auch deren Organisation – durch einen Mit-Geschäftsführer ist ferner nur dann gewährleistet, wenn die Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung von allen Geschäftsführern einvernehmlich mitgetragen wird12.

Eine wirksame Aufgabenverteilung setzt zudem voraus, dass die Arbeitsteilung auf Geschäftsführungsebene eine ordnungsgemäße Erledigung aller Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellt13.

Schließlich muss die Gesamtverantwortung der Geschäftsführung, insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten gewährleistet bleiben14. Nicht delegierbare Angelegenheiten sind bestimmte Geschäftsführungsaufgaben, die nicht „ressortfähig“ sind (Aufgaben, die für die Gesellschaft von grundlegender Bedeutung sind, bspw. die Gestaltung der Geschäftspolitik oder der Organisationsstruktur15), somit also einem Geschäftsverteilungsverbot unterliegen.

Die Anforderungen an eine wirksame Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung auf der Ebene der Geschäftsführung lassen sich  daher zusammenfassen als eine

  • klare und eindeutige Abgrenzung aller Geschäftsführungsaufgaben
  • aufgrund einer von allen Mitgliedern des Organs mitgetragenen Aufgabenzuweisung,
  • die die vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellt
  • und ungeachtet der Ressortzuständigkeit eines einzelnen Geschäftsführers die Zuständigkeit des Gesamtorgans, insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten der Geschäftsführung, wahrt.

2.2 Formerfordernis einer Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil klargestellt, dass eine Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung nicht zwingend der Schriftform oder einer ausdrücklichen Absprache bedarf16. Hierdurch hat der Bundesgerichtshof der vereinzelt im Schrifttum unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Wahrnehmung steuerrechtlicher Pflichten vertretenen Auffassung, wonach eine wirksame Begrenzung des Verantwortungsbereichs stets eine schriftlich fixierte Verteilung der Aufgaben bedarf17, eine klare Absage erteilt.

Hierbei hat der Bundesgerichtshof betont, dass er nicht verkenne, dass eine bloß faktische18 oder stillschweigende19 Aufteilung im Hinblick auf die Gefahr von Missverständnissen über die konkrete Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben typischerweise das Risiko von Missverständnissen in sich birgt, die den geforderten Geboten der Klarheit und Eindeutigkeit der Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben widersprechen. Gleichwohl ist es nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht ausgeschlossen, dass eine solche (faktische oder stillschweigende) Geschäftsverteilung oder Ressortaufteilung durch die tatsächliche Ausübung zu einer Aufgabenzuweisung erstarkt, die den vom Bundesgerichtshof herausgearbeiteten Merkmalen entspricht.

3. Folgen der BGH-Entscheidung vom 06.11.2018 (Az. II ZR 1/17) für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes bringt Klarheit bezüglich der Formanforderungen an eine wirksame Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung, in dem klargestellt wird, dass eine schriftliche Abfassung nicht erforderlich ist. Eine schriftliche (oder zumindest in Textform erstellte) Abfassung der Geschäftsverteilung bzw. Ressortaufteilung bleibt aufgrund der im Streitfall erforderlichen Nachweisbarkeit und der bei dem/den beklagten Geschäftsführern liegenden Beweislast der rechtssichere und daher auch aus Sicht der beratenden Praxis der empfehlenswerte Weg. Hierfür spricht auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, die den Geschäftsführern im Rahmen der Haftung für die Verletzung von steuerrechtlichen Verpflichtungen einer Geschäftsverteilungsregelung nur dann enthaftende Wirkung beimisst, wenn sie zuvor schriftlich fixiert wurde20. Im Übrigen wird eine schriftliche Abfassung auch deshalb gebotensein, um die von dem Bundesgerichtshof herausgearbeiteten, durchaus strengen Anforderungen einhalten zu können, die eine klare und eindeutige Abgrenzung aller Geschäftsführungsaufgaben verlangen.

1 Vgl. Ziemons, in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Auflage 2017, § 43 Rn. 338; Dreher ZGR 1992, 22, 57 •.
2 Urteil vom 06.11.2018, Az. II ZR 11/17 (NZG 2019, 225).
3 Vgl. OLG Koblenz, NZG 1998, 953.
4 Vgl. BGH, GmbHR 1989, 170, 171 f.; 1990, 298.
5 Vgl. Altmeppen, in: Altmeppen/Roth, GmbHG, 5. Auflage 2005, § 37 Rn. 33; Lutter/Hommelho•, in: Lutter/Hommelho•,
GmbHG, 16. Auflage 2004, § 37 Rn. 28.
6 Vgl. BGH NJW 1995, 2850, 2851; Baukelmann, in: Rowedder/Schmidt-Leitho•, GmbHG, 6. Auflage 2017, § 37 Rn. 42; Wicke, GmbHG, 4. Auflage 2020, § 37 Rn. 9; a.A. Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, §§ 35-38, Rn. 80; HK/Fichtelmann, GmbHG, § 37 Rn. 29.
7 Vgl. BGH NZG 2019, 225 Rn. 14; BGH NJW 1994, 2149 = DStR 1994, 1092 = ZIP 1994, 891, 892.
8 Vgl. BGH NZG 2019, 225, Rn. 14; BGH NJW-RR 1995, 669.
9 Vgl. Lohr, NZG 2000, 1204, 1210; Goette, in: Festschrift 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 131.
10 Vgl. BGH NZG 2019, 226, Rn. 19; BGHZ 125, 366, 375 = NJW 1994, 1801 = DStR 1994, 1272, 1274 = NJW-RR 1994, 1190; BFHE 141, 443, 446 = NJW 1985, 400.
11 Vgl. BGH NZG 2019, 226, Rn. 17.
12 Vgl. BGH NZG 2019, 226, Rn. 21: MünchKomm, GmbHG, 2. Auflage, § 43 Rn. 114; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Auflage, § 37 Rn. 29; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Auflage, § 37 Rn. 29.
13 Vgl. BGH NZG 2019, 226, Rn. 19, 21.
14 Vgl. BGH NZG 2019, 226, Rn. 21; . BGH NJW-RR 1986, 1293 = ZIP 1987, 1050; BGHZ 133, 370, 378 = NJW 1997, 139.
15 Vgl. Leuering, NZG 2010, 13.
17 So U.H. Schneider/ S.H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, 12. Auflage, § 37 Rn. 69; Fleischer, in: MünchKomm, GmbHG, 2. Auflage, § 43 Rn. 115; E. Vetter, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Auflage, Rn. 22.48; Michalski/Ziemons, GmbHG, 3. Auflage, § 43 Rn. 338; Dreher, ZGR 1992, 22, 59 f.
18 Vgl. OLG Koblenz, NZG 1998, 953, 954; E. Vetter, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Auflage, Rn. 22.48; Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 14.
19 Vgl. BGH, wistra 1990, 97, 98 = BeckRS 1989, 31106444.
20 Vgl. BFHE 141, 443 = NJW 1985, 400 Ls.; BFHE 146, 23 = BeckRS 1986, 22007594.