GenAI in Unternehmen: Zwischen Hype und echter Wertschöpfung

Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Future Workplace“

Wie Führung, Kultur und konkrete Strukturen den Weg zur sinnvollen KI-Integration ebnen

Generative KI (GenAI) ist mehr als ein technisches Schlagwort: Sie verändert die Arbeitswelt grundlegend. Unternehmen experimentieren, staunen, testen. Doch der Weg von der Neugier zur echten Wertschöpfung ist komplex. Zwischen Hype und nachhaltiger Integration liegt eine Lücke, die Technologie allein nicht schließen kann. Es braucht Führung, Kultur und konkrete Strukturen, um GenAI sinnvoll und nachhaltig im Arbeitsalltag zu verankern.

Dabei formiert sich eine neue Generation von Mitarbeitenden – die „Generation AI“. Sie denkt KI nicht nur mit, sondern geht aktiv in die Gestaltung. Die Frage ist nicht mehr, ob GenAI kommt, sondern wie Organisationen sie strategisch und verantwortungsvoll einführen.

Zwischen Experiment und Alltag

In vielen Unternehmen wird mit GenAI gearbeitet, getestet und ausprobiert. Doch die regelmäßige Anwendung im operativen Geschäft bleibt deutlich hinter dem eigentlichen Potenzial zurück.

Die Ursachen sind bekannt: fehlende Zeit, unklare Zuständigkeiten, Unsicherheit im Umgang mit neuen Technologien. Doch entscheidend ist: GenAI verändert die Arbeitswelt nicht automatisch – sie muss gestaltet werden. Innovation braucht Führung, die Orientierung gibt, Räume schafft und den Mut vorlebt, Neues auszuprobieren.

Der Wandel gelingt nicht durch Tools allein, sondern durch strategische Klarheit und kulturelle Anschlussfähigkeit. Nur wenn GenAI in den Alltag integriert wird – jenseits von Pilotprojekten – entsteht echte Wirkung.

Führung neu denken: Räume statt Antworten Die Einführung von GenAI ist kein reines Top-down- Projekt – sie lebt von beidem: strategischer Führung und aktiver Mitgestaltung. Führungskräfte setzen Impulse, schaffen Orientierung und geben dem Thema Sichtbarkeit. Gleichzeitig entstehen viele der besten Ideen direkt in den Teams – dort, wo GenAI konkret erlebt und ausprobiert wird.

Führung heißt, Räume für Experimente, Lernen und Fehler zu schaffen. Es geht nicht darum, alle Antworten zu kennen, sondern darum, Entwicklung zu ermöglichen. Offenheit, Vertrauen und eine gesunde Fehlerkultur sind zentrale Erfolgsfaktoren. Nicht jedes Projekt führt zum Erfolg und das ist auch okay. Denn auch ein Abbruch kann Teil von Innovation sein.

Führungskräfte sind Bindeglied zwischen Strategie und Umsetzung. Im Kontext von KI bedeutet das: Sie gestalten den Rahmen, in dem Lernen, Erproben und Verantwortung möglich werden. Dabei kommt es weniger auf technisches Detailwissen an, sondern auf die Fähigkeit, Orientierung zu geben, Potenziale zu kommunizieren und Unsicherheiten zu adressieren. Programme, die technologische Grundlagen mit Raum für Reflexion verbinden, leisten hier einen wichtigen Beitrag.

Der Wandel gelingt nicht durch Tools allein, sondern durch strategische Klarheit und kulturelle Anschlussfähigkeit.

Die KI-Kluft: Empowerment statt Abhängigkeit

Zwischen aktiver Nutzung und Unsicherheit im Umgang mit GenAI entsteht in vielen Organisationen eine spürbare Kluft. Diese ist weniger ein technisches als ein kulturelles Phänomen: Während spezialisierte Teams KI-Systeme entwickeln und betreiben, fehlt in den Fachbereichen oft die Übersetzung in den Arbeitsalltag. Die Folge ist eine strukturelle Disparität. Nicht aus Desinteresse, sondern aus fehlender Sichtbarkeit, mangelnder Sicherheit und unklarer Anwendbarkeit. Genau hier liegt ein Risiko für die Wirksamkeit digitaler Strategien. Denn echte Innovation entsteht dort, wo Technologie auf konkrete Prozesse, Entscheidungen und Routinen trifft.

Zwar ist der Zugang zu GenAI-Tools heute einfacher denn je – viele Anwendungen sind intuitiv und niedrigschwellig nutzbar. Doch diese Zugänglichkeit allein reicht nicht aus. Mitarbeitende müssen aktiv an die Hand genommen und schrittweise an die Technologien herangeführt werden. Erst durch gezielte Begleitung, Orientierung und praxisnahe Vermittlung entsteht echte Befähigung.

Organisationen müssen den Zugang zu KI systematisch öffnen. Schulungen, Austauschformate und praxisnahe Beispiele sind keine Begleitmaßnahmen, sondern zentrale Bausteine einer erfolgreichen Transformation.

Strukturen schaffen: Schulung, Formate, Freiraum

Technologietransformation gelingt nicht durch Tools allein. Sie braucht Strukturen, die Lernen ermöglichen, Neugier fördern und Anwendung erleichtern. Gezielte und adressatengerechte Schulungsangebote, Lernplattformen und kreative Formate wie KI-Challenges oder Prompting-Battles senken Barrieren und machen KI erlebbar. Entscheidend sind Lernräume, die zum Ausprobieren, Reflektieren und Weiterentwickeln einladen – mit niedrigem Einstieg, individuellen Lernpfaden und kollektiven Erfahrungsräumen.

Ein besonders wirkungsvoller Hebel sind Botschafterprogramme: Mitarbeitende aus verschiedenen Bereichen werden befähigt, als Multiplikator:innen zu agieren. Sie teilen Wissen, regen zum Austausch an und machen GenAI durch konkrete Beispiele greifbar. So entsteht ein Netz aus Erfahrungsräumen, das die Nutzung im Unternehmen verbreitet – nicht durch zentrale Vorgaben, sondern durch kollegiale Inspiration.

Menschen orientieren sich oft an ähnlichen Personen: Wenn jemand, der bislang wenig Berührung mit Technologie hatte, ein KI-Tool erfolgreich nutzt, wirkt das oft stärker als ein Impuls von den „üblichen Vorreiter: innen“. Der Multiplikator-Effekt ist entscheidend, um wirklich alle im Unternehmen zu erreichen – denn durch geteilte Erfahrungen, sichtbare Beispiele und offene Dialoge entstehen Neugier, Vertrauen und eigene Ideen.

Ein solches Lernökosystem – unterstützt durch Schulungsnavigatoren, Use-Case-Workshops und Peer- Learning – vermittelt nicht nur Wissen, sondern fördert kulturelle Offenheit und nachhaltige Verankerung.

Use Cases statt Visionen

GenAI entfaltet ihren Nutzen dort, wo sie konkrete Probleme löst und nicht dort, wo sie nur als Vision diskutiert wird. Der Schlüssel liegt in echten Use Cases: Aufgaben, die Zeit kosten, Prozesse, die verbessert werden können, Entscheidungen, die datenbasiert unterstützt werden. Das Wissen über diese Einsatzfelder liegt in den Fachbereichen. Sie kennen die Abläufe, die Engpässe, die Potenziale. Deshalb müssen sie frühzeitig als Mitgestalter: innen eingebunden werden.

Kein KI-Einsatz ohne klaren Zweck: Technologie darf nicht aus Innovationsdruck eingeführt werden, sondern muss einen nachvollziehbaren Mehrwert bieten. Pilotprojekte sind hilfreich, um Potenziale sichtbar zu machen und Motivation zu fördern. Aber sie brauchen Anschlussfähigkeit und strategische Einbettung, damit aus punktuellen Erfolgen nachhaltige Wirkung entsteht.

Innovation als Kreislauf: Vom Ich zum Wir

Innovation beginnt oft mit individueller Neugier, entfaltet ihre Wirkung aber erst im Zusammenspiel. GenAIInitiativen zeigen: Erst wenn Ideen geteilt, weiterentwickelt und gemeinsam umgesetzt werden, entsteht nachhaltiger Fortschritt.

Strukturierte Innovationsprozesse – etwa in Form von Funnels oder Kreisläufen – helfen, diesen Weg zu begleiten: Von der Inspiration über die Bewertung bis zur konkreten Umsetzung. So wird aus einem Impuls ein tragfähiger Beitrag zur Wertschöpfung. Dabei geht es nicht nur um Effizienz oder Automatisierung. GenAI eröffnet neue Räume für Kreativität, Zusammenarbeit und Problemlösung und schafft Möglichkeiten, die zuvor nicht denkbar waren.

Fazit: Technologie braucht Begeisterung

GenAI ist ein Möglichmacher, aber ihr Potenzial entfaltet sich nur, wenn Menschen mitgenommen werden. Es braucht Begeisterung, Beteiligung und Befähigung. Führungskräfte, die Räume schaffen. Strukturen, die Lernen ermöglichen. Und eine Kultur, die Fehler erlaubt und Neugier fördert.

KI entfaltet ihre Wirkung nicht allein durch Technologie, sondern durch kulturelle Anschlussfähigkeit und menschliche Kompetenz. Besonders generative KI senkt die Einstiegshürden und erweitert die Gestaltungsmöglichkeiten. Damit wächst auch die Verantwortung, diese Technologien inklusiv und wirksam nutzbar zu machen.

Für Entscheider:innen heißt das: Mitarbeitende nicht nur als Anwender:innen zu denken, sondern als Mitgestaltende. Es geht darum, Strukturen zu schaffen, die Lernen, Teilhabe und verantwortliches Handeln ermöglichen – und damit den Boden für eine Transformation zu bereiten, die nicht nur technologisch, sondern auch kulturell getragen wird.

Erst wenn Ideen geteilt, weiterentwickelt und gemeinsam umgesetzt werden, entsteht nachhaltiger Fortschritt.

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