Wir befinden uns inmitten eines Epochenwandels, und das tut weh. Überall in der Wirtschaft knirscht es. Das Ende des fossilen Zeitalters läutet den Beginn einer ganzheitlich-ökosystemischen Gesellschaft ein. Eine solch fundamentale systemische Neugestaltung verläuft nicht von heute auf morgen und geht nicht ohne Brüche und Reibungen vonstatten. Vor allem Deutschland, ein industrieller Weltmeister, leidet sehr
unter dem Abschied des Industriezeitalters. Globale und lokale Transformationen brauchen Zeit, bis sie ihre volle Wirkung entfalten – manchmal mehr, als wir ihnen zugestehen wollen.
Die Wurzeln der ökologischen Transformation
Die Wurzeln der Eco Transition, eine der sechs großen Transformationen unserer Zeit (vgl. The Future:Project 2023), reichen bis tief in das 20. Jahrhundert zurück. Tatsächlich sind die Wirkungsweisen von Treibhausgasen oder die anthropozäne Erwärmung der Erdkugel schon seit vielen Jahrzehnten bekannt. Seither hat das Wissen um die Auswirkungen des Klimawandels über Organisationen, Forschungsinstitute und weltweite Protestbewegungen den Weg in die öffentliche Wahrnehmung gefunden. Dass solch eine Kritik an unserem Wirtschaftssystem nicht ganz ohne ihre Gegner und Leugner geschehen konnte, war abzusehen. Dennoch hat der Großteil der Wirtschaft und Politik verstanden: Wie früher wird die Welt nie wieder.
Ära der systematischen Umsetzung
Gegenwärtig stehen wir an einem besonderen Punkt der ökologischen Transformation, der nur allzu häufig mit Stagnation verwechselt wird. Für viele Jahrzehnte dienten die Erkenntnisse über die klimatischen Veränderungen in erster Linie der Schaffung eines breiten Konsens, der die Notwendigkeit für Anpassungen unserer Lebens- und Wirtschaftsweisen betont. Nun beginnt jedoch die Ära der systematischen Umsetzung von sozio-ökologischen Lösungen. Aber wenn die Gesellschaft nicht mitmacht, kann man die Ökologisierung der Wirtschaft vergessen. Insofern ist dieser Wandel nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine kommunikative Angelegenheit.
Von Umweltschutz zu Lebensqualität
Die Eco Transition umfasst dabei weit mehr Facetten als der herkömmliche Umweltschutz. Die Realisierung einer nachhaltigen Gesellschaft erfolgt letztlich durch die ganzheitliche Neugestaltung von Infrastrukturen, Produktionssystemen und Kulturtechniken. Dabei spielen technologische Innovationen eine ebenso wichtige Rolle wie gesellschaftliche Anpassungen und Weiterentwicklungen. Sie müssen zukünftig die tatsächlichen menschlichen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen und ein konstruktives Verhältnis mit der Natur ermöglichen.
Damit geht eine neue Einstellung einher, die den gegenwärtigen Quantitätsfetisch und Massenkonsum ablehnt, ohne gänzlich auf individuelles Wohlbefinden zu verzichten. Vielmehr eröffnet die ökologische Verantwortung Raum für die qualitative Weiterentwicklung von bewussten, achtsameren Lebensweisen, deren Lebensqualität im Einklang mit der Umwelt erzielt wird.
Der Übergang in die Zeit der aktiven Gestaltung macht Greenwashing und alarmistische Verzichtslogiken endgültig obsolet. Immer stärker wendet sich der öffentliche Diskurs von der Schuldfrage ab und wendet sich der Umsetzung von konkreten Lösungsansätzen zu. Geleitet durch die systematische Suche nach Wegen in eine sichere und nachhaltige Zukunft erzeugt die Eco Transition ein neues Verständnis von Wohlstand und Lebensqualität.
3 Trends zur Dekarbonisierung
Diese drei Trends zeigen Entwicklung in Richtung Dekarbonisierung auf und geben wertvolle Hinweise, wie der Übergang in ein postfossiles Zeitalter bewältigt werden kann:
- Circular Systems
Um dem Ressourcenmangel und der Abfallproblematik linearer Produktionsabläufe entgegenzuwirken, satteln immer mehr Unternehmen auf Circular Systems um. Produkte und Nebenerzeugnisse werden weiterverwertet, recycelt und über möglichst lange Zeit genutzt. Diese Kreislaufsysteme sind eng mit innovativen Logistik- und Vertriebskonzepten verbunden und erfordern oft eine Neugestaltung des Verpackungs- und Nutzungserlebnisses. - Green Hightech
Technologien, die konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind und in Branchen wie Energie, Landwirtschaft, Transport und Bauwesen Anwendung finden, bündelt der Trendbegriff Green Hightech. Die Kombination von ökosystemischem Wissen und digitalen Technologien ermöglicht dabei ein effizientes Management komplexer Systeme. - Carbon Engineering
Vom bedrohlichen Abfallprodukt zur potenziellen Ressource: Carbon Engineering markiert einen Paradigmenwechsel in der Betrachtung von Treibhausgasen. Spezielle Filteranlagen sammeln und komprimieren etwa unerwünschte Nebenprodukte, um sie in der Getränkeproduktion oder Pflanzenzucht einzusetzen. Neue Technologien ermöglichen zudem eine höhere Emissionstransparenz, künftig könnte so der exakte CO2-Ausstoß jeder einzelnen Handlung ermittelt werden.
Willkommen im postfossilen Zeitalter
Die Transformation der Eco Transition umfasst weit mehr als „Umweltschutz“: Sie lässt Produktionssysteme und Infrastrukturen resilienter werden, macht Städte lebenswerter und sorgt dafür, dass sich Produkte und Dienstleistungen wieder stärker den echten menschlichen Bedürfnissen annähern. Die biedere Nachhaltigkeit wird somit vom Kostenpunkt zu einer Wachstumsvoraussetzung. Mit dem Übergang von alarmistischem Klimaaktivismus, Verzichtslogik und Greenwashing hin zu einer systemisch gedachten
Nachhaltigkeit schafft diese Transformation eine neue Lebensqualität.
Übergänge können zwar weh tun, sind aber für den Epochensprung der menschlichen Zivilisation unabdingbar (vgl. The Future:Project 2024). Wir sollten dem fossilen Zeitalter dankbar sein, denn es hat den unglaublichen Lebensstandard unserer Gesellschaft geschaffen. Aber ewig konnte es nicht weitergehen. So wie wir einst das Steinzeitalter verlassen mussten, müssen wir jetzt in die nächste Epoche: das postfossile Zeitalter.
—
Über Tristan Horx
Tristan Horx spricht als Keynote-Speaker über die Kraft der Rebellion für den Wandel, Generationen und die Conscious Economy. Er verbreitet die Botschaft des Future:Project auf internationalen Bühnen und regt zum Austausch über die großen transformativen Kräfte unserer Zeit an.
Über The Future:Project
The Future:Project ist ein transdisziplinär arbeitendes Expert:innen-Netzwerk aus erfahrenen Trend- und Zukunftsforschenden. Mit ihrem Wissen über Trends, Zukunft und Transformationen unterstützen sie Menschen und Organisationen dabei, eine lebenswerte Zukunft zu gestalten.
→ thefutureproject.de
—
Literatur
The Future:Project (2023): Future:System – Transformation beyond Megatrends. Frankfurt am Main.
→ shop.thefutureproject.de/products/future-system-transformation-beyond-megatrends
The Future:Project (2024): Die Omnikrise – Wie uns eine Krise, in der alles miteinander zusammenhängt, den Weg in die Zukunft zeigt. Frankfurt am Main.
→ shop.thefutureproject.de/products/die-omnikrise