1. Einführung
Da Einlagen den Gewinn der Gesellschaft nicht erhöhen, führt auch die Rückgewähr von Einlagen nicht zu steuerbaren Einnahmen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Dazu ist der Bestand an Einlagen in einem Einlagekonto1, ausgehend vom Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs, um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben und zum 31.12. des laufenden Jahrs gesondert festzustellen. Hierzu muss die Kapitalgesellschaft auf den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahrs eine Erklärung zur gesonderten Feststellung abgeben. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung zum Ende eines Wirtschaftsjahrs ist Grundlagenbescheid für die gesonderte Feststellung des Folgejahrs (§ 27 Abs. 2 KStG). Über Leistungen, für die das steuerliche Einlagekonto gemindert wurde, muss die Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern eine Bescheinigung nach vorgeschriebenem Muster ausstellen (§ 27 Abs. 3 KStG). Bei Auskehrungen aus dem Gesellschaftsvermögen ist ein unmittelbarer Zugriff auf das Einlagekonto grundsätzlich nicht möglich. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG fingiert eine Verwendungsreihenfolge. Nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG gilt der ausschüttbare Gewinn als zuerst verwendet. Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 1 Satz 5 KStG). Im Ergebnis hat die Dividenden(-Besteuerung) Vorrang vor der Auskehrung von Einlagen. Ferner schreibt § 27 Abs. 1 Satz 3 eine zeitliche Fiktion vor. Bei der Prüfung, ob ausschüttbarer Gewinn oder Einlage ausgekehrt wird, wird auf die Feststellung zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs abgestellt.
2. Problemfälle
a. Bindungswirkung des Feststellungsbescheids auf der Ebene der Gesellschaft gem. § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG
Das Einlagekonto ist gem. § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG zum Schluss eines Wirtschaftsjahrs gesondert festzustellen. Die Feststellung erfolgt gegenüber der Gesellschaft. Der Bescheid ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt. Bei der Erstellung der Feststellungserklärung ist größte Sorgfalt geboten. Geschäftsführer und ggf. auch Gesellschafter der Gesellschaft sind nach offenen bzw. verdeckten Einlagen zu befragen.
aa. Zu erfassende Zuflüsse
Insbesondere folgende Zuflüsse sind im Einlagekonto zu erfassen:
- Ausgabeaufgeld bei Ausgabe neuer Anteile (Agio),
- Zuzahlungen in Form von Nachschüssen und sonstigen Zahlungen in die Rücklage iSv. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB,
- verdeckte Einlagen,
- Rückzahlungen vGA,
- Herabsetzung des Nennkapitals ohne Auszahlung an die Anteilseigner,
- bei Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung sowie in Einbringungsfällen gem. § 20 UmwStG das in der Bilanz auszuweisende Eigenkapital, soweit es das Stammkapital übersteigt,
- Forderungsverzicht bei Werthaltigkeit der Forderung.
Geschäftsführer sollten die Gesellschafter am Jahresende ausdrücklich zu verdeckten Einlagen befragen.
b. Keine nachträgliche Erfassung
Die Einlage kann nur in dem Jahr zur Erfassung im Einlagekonto erklärt werden, in dem sie der Gesellschaft zugeflossen ist. Ist sie im Jahr des Zuflusses in der Erklärung und damit auch im Feststellungsbescheid gem. § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG nicht erfasst, ist eine Erfassung in späteren Jahren nicht möglich. Dies verhindert die Grundlagen-Folgebescheidfunktion.
Beispiel: Im Jahr 2021 verzichtet Gesellschafter A auf eine Forderung gegenüber der A-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er ist. Der Forderungsverzicht ist aus der beim Finanzamt eingereichten Bilanz erkennbar. Hier ist eine Rücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB erfasst und in den Erläuterungen zur Bilanz ausdrücklich erwähnt. Versehentlich wird die Einlage in der Erklärung gem. § 27 Abs. 2 Satz 4 KStG nicht erfasst. Der Feststellungsbescheid zum 31.12.2021 weist ein Einlagekonto von null aus2.
bb. Bindungswirkung auf der Ebene der Gesellschafter
Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gehören Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit für diese Eigenkapital i. S. v. § 27 KStG als verwendet gilt. Daraus schließt der BFH, dass ein Gesellschafter sich nicht darauf berufen kann, dass steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf der Ebene der Gesellschaft unzutreffend ausgewiesen.
Vielmehr gilt nach Auffassung des BFH das steuerliche Einlagekonto für Leistungen der Körperschaft nur als verwendet, sofern dies der Feststellung auf der Ebene der Gesellschaft gem. § 27 Abs. 2 KStG zu entnehmen ist3.
Beratungshinweis: Bestehen Unsicherheiten über die Feststellung bzw. die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos, muss dies durch die Gesellschaft im Rahmen der Anfechtung des Feststellungsbescheids nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG geltend gemacht werden. Der Gesellschafter kann sich im Rahmen des Rechts behelfsverfahrens gegen seinen ESt-/KSt-Bescheid nicht auf eine fehlerhafte Feststellung des Einlagekontos berufen. Insoweit ist eine Drittanfechtung des Feststellungsbescheids nach § 27 Abs. 2 KStG in Betracht zu ziehen.
c. Unterjährige Einlagen
Für die Bestimmung der Verwendung des Einlagekontos zur Finanzierung von Auskehrungen aus der Gesellschaft wird gem. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG jedenfalls für die Bestimmung des ausschüttbaren Gewinns auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs abgestellt. Stimmt das Wirtschaftsjahr mit dem Kalenderjahr überein, ist dies der 31.12. des Vorjahrs.
Beispiel: A tätigt am 1.6.2021 eine Einlage zur Sicherstellung der Liquidität der A-GmbH. Im Oktober 2021 wird der entsprechende Betrag wieder ausgekehrt, da die Liquidität nicht mehr benötigt wird. Das Einlagekonto zum 31.12.2020 beträgt null. A geht von einer steuerneutralen Rückzahlung der von ihm kurzfristig gewährten Einlageleistung aus.
Nach dem Wortlaut von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG ist für die Bestimmung des ausschüttbaren Gewinns auf den Bestand des Einlagekontos zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs abzustellen. Die ganz herrschende Meinung schließt hieraus, dass die zeitliche Fiktion von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG auch den verwendbaren Bestand des steuerlichen Einlagekontos umfasst4. Nach der Systematik von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG ist vorliegend daher von der Auskehrung zwischenzeitlich erwirtschafteter Gewinne, also ausschüttbarem Gewinn auszugehen. Die Auskehrung unterliegt auf der Ebene der A-GmbH der Kapitalertragsteuer bzw. auf der Ebene des A der Dividendenbesteuerung. Dies gilt unabhängig davon, wie der „Auskehrungsbeschluss“ gefasst wird. Ein direkter Zugriff auf das Einlagekonto ist nicht möglich5. Die Auskehrung aus der A-GmbH wäre steuerneutral, wenn das Geld darlehensweise überlassen wurde.
d. Bedeutung der Bescheinigung gem. § 27 Abs. 3 KStG
Gem. § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG sind Leistungen, für die nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG das steuerliche Einlagekonto als verwendet gilt, von der Gesellschaft zu bescheinigen. Ist in der Bescheinigung die Verwendung des Einlagekontos zu niedrig bescheinigt worden, erfolgt gem. § 27 Abs. 5 Satz 1 KStG keine Korrektur.
Nach der Rechtsprechung des BFH gilt die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos nur dann als durch die Bescheinigung festgeschrieben, wenn mindestens einem Anteilseigner eine Bescheinigung i. S. v. § 27 Abs. 3 KStG ausgehändigt wurde6. Solange dies nicht erfolgt ist, ist die Gesellschaft demnach bezüglich einer Korrektur frei.
Ist allerdings für eine Leistung bis zum Tag der Bekanntmachung der erstmaligen Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos gem. § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG eine Bescheinigung seitens der Gesellschaft nicht ausgestellt, wird der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit € 0,– bescheinigt fingiert (§ 27 Abs. 5 Satz 2 KStG). Hiervon ist selbst dann keine Ausnahme zu machen, wenn Gesellschaft und Gesellschafter den Tatbestand einer Ausschüttung subjektiv gar nicht realisieren7.
Nach der Rechtsprechung ist eine nachträgliche Änderung auch dann nicht möglich, wenn der Feststellungsbescheid noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Das Gesetz stellt in diesem Punkt ausdrücklich nicht auf den Gesichtspunkt der Bestandskraft ab. Da § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG vom Gesetzgeber nachträglich eingefügt wurde, geht die Rechtsprechung ferner davon aus, dass es sich um eine zielgerichtete Änderung der bis 2005 geltenden Rechtslage handele, welche nicht im Wege der Auslegung und/oder teleologischen Reduktion rückgängig gemacht oder durch sachliche Billigkeitsmaßnahmen korrigiert werden könne. Schließlich sei die Regelung auch mit übergeordnetem Recht vereinbar. Der Gesetzgeber habe mit der Vereinfachung nicht die Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritten8.
Beispiel: A erhält von der A-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer er ist, im Oktober 2021 eine Provisionszahlung, für die es keine Rechtsgrundlage gibt. Ausschüttbarer Gewinn ist nicht vorhanden, zum 31.12.2020 ist jedoch ein entsprechender positiver Bestand im Einlagekonto ausgewiesen. Die Unwirksamkeit der Provisionsvereinbarung ist A nicht bewusst. Am 27.11.2022 erfolgt die erstmalige Feststellung des Einlagekontos auf den 31.12.2021. Im Rahmen der Betriebsprüfung im Jahr 2023 wird die vGA aufgedeckt und entsprechende Einkünfte aus Kapitalvermögen bei A veranlagt.
A kann sich nicht auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG berufen. Da bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung des Einlagekontos i. S. v. § 27 Abs. 2 KStG zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Leistung (2017) eine Steuerbescheinigung i. S. v. § 27 Abs. 3 KStG nicht erteilt wurde, gilt der Betrag der Einlagenrückgewähr im Jahr 2021 als mit € 0,– bescheinigt (§ 27 Abs. 5 Satz 2 KStG). Eine Korrektur ist nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht möglich. Allerdings muss m. E. eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO möglich sein9.
Beratungshinweis: Bei Einreichen der Erklärung zum steuerlichen Einlagekonto ist der Geschäftsführer der GmbH zu befragen, ob eine Bescheinigung über die Auskehrung von Einlagen zu erstellen ist.
1 BMF-Schreiben vom 4.6.2003, BStBl. I 2003, 366; dazu DÖTSCH/PUNG, DB 2003, 1345; FRANZ, GmbHR 2003, 818.
2 Zu einer Korrektur nach § 129 AO vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 13.10.2016 10 K 10320/15, EFG 2017, 231K; FG Münster vom 13.10.2017 13 K 3113/16 F, EFG 2018, 11.
3 BFH vom 19.5.2010 I R 51/09, DStR 2010, 1833; FG Baden-Württemberg vom 18.11.2011 11 K 1481/09, EFG 2012, 949; bestätigt durch BFH vom 24.2.2015 VIII R 50/11, GmbHR 2015, 1099.
4 BMF-Schreiben vom 4.6.2003 2003-06-04 IV A 2-S 2836-2/03, BStBl. I 2003, 366 Tz. 10; BAUSCHATZ in Gosch, KStG, 4. Aufl., 2020, § 27 Rz. 48; ENDERT in Frotscher/Drüen, KStG, § 27 Rz. 21 ff. (April
2020); BINNEWIES, GmbHR 2010, 1101; BFH vom 30.1.2013 I R 35/11, BStBl. II 2013, 560; vgl. auch BFH vom 19.5.2010 I R 51/09, DStR 2010, 1833.
5 Vgl. BFH vom 24.2.2015 VIII R 50/11, GmbHR 2015, 1099.
6 BFH vom 10.6.2009 I R 10/09, BStBl. II 2009, 974.
7 Vgl. nur OFD Münster vom 27.11.2009 S 2836-7-ST 13-33,GmbHR 2010, 56.
8 FG Schleswig-Holstein vom 28.11.2013 1 K 35/12, EFG 2014, 581, bestätigend BFH vom 11.2.2015 I R 3/14, BStBl. II 2015, 816; FG Rheinland-Pfalz vom 18.7.2014 1 K 1338/12, EFG 2014, 2081; vgl. auch FG Berlin-Brandenburg vom 9.4.2013 8 K 8200/09, DStRE 2014, 216; durch den BFH aus anderen Gründen aufgehoben: BFH vom 21.10.2014 I R 31/13, BFH/NV 2015, 623.
9 Vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 18.7.2014 1 K 1338/12, EFG 2014, 2081; FG Sachsen vom 8.6.2016 2 K 1860/15, EFG 2017, 156.