„Do You Want Chips With That?“ Automatisierung vs. Menschlichkeit: Die Zukunft der Gastronomie im Spannungsfeld

Die Automatisierung verändert die Convenience-Branche grundlegend, und Branchenführer suchen nach dem idealen Verhältnis zwischen technologischem Fortschritt und persönlicher Kundenbeziehung. Künstliche Intelligenz und Robotik bieten zwar das Potenzial für effizientere Abläufe, niedrigere Personalkosten und eine höhere Produktivität, doch die Akzeptanz bei den Konsumenten und die praktische Umsetzung in der gesamten Branche geben Anlass zur Sorge. Obwohl Firmen wie Circus bereits autonome Kochsysteme entwickelt haben, die den Personalaufwand reduzieren, verdeutlichte die Gesprächsrunde, dass Technologie allein nicht die Antwort auf alle Herausforderungen ist. Der Erfolg hängt vielmehr von einer durchdachten Einführung und dem Vertrauen der Kunden ab. Es zeigt sich klar, dass der menschliche Faktor weiterhin eine zentrale Rolle spielt.

Am 6. März 2025 fand das erste vierteljährliche Treffen der Global Convenience Vision Group (GCVG) statt. Die GCVG ist eine gemeinsame Initiative der The Retail Marketeers und der Vision Group Network, einem Netzwerk virtueller Foren, die sich der Diskussion der wichtigsten Themen, Trends, Herausforderungen und Chancen der Tankstellen- und Convenience Retail Industrie in den USA widmen.

Ein Höhepunkt der Veranstaltung war der Gastvortrag von Nikolas Bullwinkel, CEO und Gründer der Circus Group, mit dem Titel „Die Transformation einer etablierten Branche durch autonome Lebensmittelproduktion“. In seiner Präsentation stellte Bullwinkel die KI-gestützten Robotik Lösungen von Circus für die Gastronomie und verwandte Sektoren vor und erläuterte, wie diese Technologien dem Fachkräftemangel entgegenwirken, die Effizienz verbessern und durch die Automatisierung der Speisenherstellung neue Umsatzpotenziale für Unternehmen eröffnen können.

Die Frage, wie viel Automatisierung die Gastronomie verträgt und wo die menschliche Interaktion unverzichtbar bleibt, stand im Mittelpunkt einer lebhaften Diskussion. Experten aus verschiedenen Bereichen der Tankstellen- und Convenience-Branche beleuchteten die Chancen und Herausforderungen, die der technologische Fortschritt für Konsumenten und Unternehmen gleichermaßen mit sich bringt.

Ein zentraler Punkt der Debatte war die Akzeptanz von Automatisierung durch die Konsumenten. Richard Poye, COO des Food Trends Think Tank, illustrierte dies eindrücklich mit einem Beispiel vom Flughafen Austin. Dort blieben hochmoderne Kaffeeautomaten ungenutzt, während sich vor dem traditionellen Starbucks lange Schlangen bildeten. Dies unterstreicht, dass Technologie allein nicht ausreicht – das Nutzererlebnis und der Komfort für den Konsumenten müssen stimmen.

Diese Beobachtung deckt sich mit der Einschätzung von Bullwinkel, der argumentierte, dass einige Automatisierungskonzepte an einem mangelnden Mehrwert scheitern. Seine pointierte Aussage, Kaffee-Roboter seien „eine sehr dumme Idee“, verdeutlicht, dass nicht jede technologische Innovation automatisch erfolgreich ist. Er betonte, dass der Erfolg von Anbietern wie Starbucks nicht primär auf der Qualität des Kaffees beruhe, sondern vielmehr auf dem gesamten Erlebnis und der Stärke der Marke.

Die Frage, wie Automatisierung mit den steigenden Erwartungen an Convenience harmoniert, warf Tracey Kelly, Geschäftsführerin von Bowser Bean aus Australien auf. Sie fragte, wie das Prinzip der schnellen, sofort verfügbaren Speisen in einem Umfeld angewendet werden kann, in dem Konsumenten keine Wartezeiten akzeptieren. Bullwinkel zog hier einen interessanten Vergleich zu Restaurants wie Vapiano, wo Kunden bereit sind, für frisch zubereitete, personalisierte Speisen eine kurze Wartezeit in Kauf zu nehmen. Dies deutet darauf hin, dass der Wert der Individualisierung und Frische die potenziellen Nachteile einer kurzen Wartezeit überwiegen kann.

Ein besonders wichtiger Aspekt, der von Claudio Reboredo, Inhaber einer mittelständischen Tankstellenkette aus Argentinien, aus lateinamerikanischer Sicht eingebracht wurde, ist die Bedeutung der menschlichen Verbindung. Er betonte, dass die Umwandlung traditioneller Tankstellen in Gastronomische Standorte gerade auf dieser persönlichen Kundenbindung aufbaue. Der Einsatz von Roboter-Küchen würde seiner Meinung nach diese wertvolle Verbindung gefährden. Während er technologischen Lösungen in zentralisierten Küchen offen gegenübersteht, haben für ihn aktuell grundlegendere operative Prioritäten Vorrang.

Auch Jesper Østergaard, CEO 7-Eleven Dänemark, beobachtete in einem technologisch fortgeschrittenen Markt eine klare Präferenz der Kunden für menschliche Interaktion. Er sieht das größte Potenzial für Automatisierung daher eher im Hintergrundbetrieb, insbesondere in größeren Betrieben mit signifikanter Speisenproduktion.

Eva Strasburger, Co-Founderin des Vision Group Networks, brachte eine interessante Perspektive ein, wie Technologie sogar zur Stärkung der Kundenbindung beitragen könnte. Sie schlug vor, dass visuelle Erkennung und künstliche Intelligenz durch personalisierte Begrüßungen und das Erinnern von Kundenpräferenzen ein Gefühl der Verbundenheit schaffen könnten. Das Beispiel der Interaktion mit ChatGPT zeige, dass Menschen bereit sind, mit intelligenten Systemen in einen gewissen „sozialen“ Austausch zu treten, wenn dieser einen Mehrwert bietet.

Ich erinnerte an die Ansicht von NACS-Präsident Henry Armour, dass die Wettbewerbsvorteile der Branche in der leichten Zugänglichkeit der Standorte und dem exzellenten Service liegen. Roy Strasburger teilte diese Ansicht und äußerte Bedenken, wie sich der vermehrte Einsatz von Robotern und Self-Checkout-Systemen auf diese wichtigen menschlichen Interaktionen auswirken könnte.

Mit Blick in die Zukunft prognostizierte Poye eine schrittweise Einführung von Automatisierung in der Gastronomie. Er glaubt, dass Technologie die Zubereitung von Speisen beeinflussen wird, dies aber in einem inkrementellen Prozess geschehen wird. Interessanterweise sieht er in der Automatisierung sogar die Chance, die menschliche Interaktion zu verbessern, indem sie Mitarbeitern ermöglicht, sich stärker auf die Kunden zu konzentrieren, anstatt repetitive Aufgaben zu erledigen.

Fazit: Die Diskussion zeigt deutlich, dass die Zukunft der Gastronomie nicht in einem entweder-oder von Automatisierung und menschlicher Interaktion liegt. Vielmehr geht es darum, das richtige Gleichgewicht zu finden. Technologie kann Effizienz steigern und Prozesse optimieren, aber die menschliche Komponente bleibt entscheidend für das Kundenerlebnis, die Markentreue und letztendlich den Erfolg. Die Kunst wird darin bestehen, technologische Innovationen so zu gestalten und einzusetzen, dass sie die menschliche Interaktion ergänzen und bereichern, anstatt sie zu ersetzen.

Lesen Sie hier den ganzen Report:

https://vgnsharing.com/vision-report/gcvg-do-you-want-chips-with-that/

Über Christian Warning
Christian Warning ist Gründer und Inhaber der The Retail Marketeers GmbH, eine in Hamburg ansässige Beratungs-Boutique. Die Firma hat sich auf den Bereich „Convenience-Retail“ in all seinen verschiedenen Ausprägungen spezialisiert. Dank der über drei Jahrzehnte umfassenden Praxiserfahrung in der Branche und eines weitreichenden Netzwerks, das Hersteller, Großhändler und wichtige Führungskräfte der Branche einschließt, bietet The Retail Marketeers strategische Einblicke und praktische Lösungen für Unternehmen, die sich in der sich schnell entwickelnden Omnichannel-Landschaft des Einzelhandels für unterwegs und der Mobilität bewegen.

Christian Warnings tiefgehendes Verständnis des Convenience-Marktes wird durch seine Rolle als NACS Relationship Partner für die deutschsprachigen Märkte und als Gastgeber des jährlichen NACS Convenience Leaders Exchange in Hamburg zusätzlich unterstrichen. Er ist zudem Vorsitzender der global führenden Technologiekonferenz für Tankstellen, forecourttech, und fungiert als Moderator der Global Convenience Vision Group, einer gemeinsamen Initiative des Vision Group Network mit Sitz in Austin, Texas, USA, und The Retail Marketeers. Darüber hinaus ist er Vorsitzender des Beirats Mobility & Convenience des Institute of Culinary Arts (ICA) Network. Das ICA ist das führende Executive-Netzwerk mit über 350 Mitgliedern in Deutschland, in dem sich die Top-Führungskräfte der Foodservice-Industrie zu regelmäßigen Veranstaltungen treffen.