Die Haftung eines Geschäftsführers bei mündlicher Ressort-Aufteilung

Dr. Otto Lüders, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Notar a. D. Lüders Rechtsanwälte

In nahezu jedem mittelständischen Betrieb in der Rechtsform einer GmbH oder GmbH & Co. KG gibt es, wenn mehrere Geschäftsführer vorhanden sind, eine Regelung zur Zuständigkeit dieser Geschäftsführer im Sinne einer Ressortaufteilung. Gibt es eine solche Zuständigkeitsregelung im Rahmen der Geschäftsführung nicht, gilt das gesetzliche Prinzip der Gesamtgeschäftsführung, abgeleitet aus dem gesetzlichen Prinzip der Ge-samtvertretung nach außen (§ 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG).

Nicht nur eine sinnvolle arbeitsteilige Regelung nach Kenntnis und Vorbildung der Geschäftsfüh-rer verlangt nach einer solchen Zuständigkeits-verteilung. In der Regel sollen hierdurch auch Verantwortungsbereiche abgegrenzt werden. Der Standardfall ist das Vorhandensein eines kaufmännischen Geschäftsführers und eines technischen Geschäftsführers. Jedem Geschäftsführer werden bestimmte Bereiche in alleiniger Verantwortung übertragen, bestimmte Bereiche bleiben in der Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer. Hieraus leitet sich in der Regel das Organigramm des Unternehmens ab, denn den jeweiligen Geschäfts-führern sind bestimmte Abteilungen zugeordnet mit den daraus sich wiederum ergebenden Verantwortlichkeiten gegenüber den Geschäftsführern1.

Eine solche Ressortverteilung kann in der Satzung der Gesellschaft vorgenommen werden, was je-doch in der Regel unterbleibt, sodass durch Gesell-schafterversammlungsbeschluss den Geschäfts-führern eine Geschäftsordnung gegeben wird. Hierfür ist eine einfache Mehrheit der Stimmen ausreichend, nur einige Autoren verlangen, entsprechend der Regelung des § 53 Abs. 2 GmbHG, welcher sich auf Änderungen des Gesellschaftsver-trages bezieht, eine Dreiviertelmehrheit. Denkbar ist auch eine Ressortzuteilung im Rahmen der Anstellungsverträge der Geschäftsführer2.

Aber auch die Geschäftsführer selbst können sich eine Geschäftsordnung geben und darin die Geschäftsführungsbefugnisse aufteilen, entweder generell oder für bestimmte Aufgaben. Geben die Geschäftsführer sich eine solche Geschäfts-ordnung, ist dafür Einstimmigkeit unter den Geschäftsführern erforderlich, so wie es § 77 Abs. 2 Satz 3 des AktG für die Vorstände der Aktienge-sellschaft verlangt3.

Gibt es, hierauf sei an dieser Stelle noch einmal hingewiesen, weder in der Satzung noch durch Gesellschafterversammlungsbeschluss noch durch eine interne Regelung der Geschäftsführer eine Zuständigkeitsverteilung, gilt im Rahmen des Prinzipes der Gesamtgeschäftsführung notwendigerweise das Einstimmigkeitsprinzip. Dieses ist in der Regel wenig praktikabel, meistens sogar hinderlich.

Vor diesem Hintergrund kann nur jedem mittelständischen Betrieb dringend angeraten werden, eine nachvollziehbare Verteilung der Geschäftsführungsaufgaben durch eine solche Geschäftsordnung oder in anderer Weise vorzunehmen.

Dabei gewinnt gerade die Zuordnung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der Geschäftsführung im kaufmännischen Be-reich eine besondere Bedeutung im Hinblick auf tax compliance und Verfahrensdokumentationen. Nur bei eindeutigen Zuständigkeits-regelungen und natürlich bei deren Umsetzung lassen sich Zuschät-zungen bei der Gewinnermittlung vermeiden und der Vorwurf der leichtfertigen Steuerverkürzung entkräften⁴.

Vor etwas mehr als einem Jahr hat der Bundesgerichtshof sich noch einmal zur Haftung der Geschäftsführer einer GmbH bei einer mündlichen Aufteilung der Ressorts geäußert⁵. Wie so oft geht es in dieser Entscheidung des BGH um das Thema der Verpflichtung zur Insolvenz antragstellung und die sich hieraus ergebenden Haftung.

Grundsätzlich abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht dieses Urteil davon aus, dass eine Aufgabenzuweisung nicht zwingend einer schriftlichen Dokumentation bedarf.

Trotzdem, und dieses hebt der Bundesgerichtshof noch einmal deutlich hervor, hat eine – mündliche oder schriftliche – Geschäfts-verteilung (oder Ressortaufteilung) auf der Ebene der Geschäfts-führer eine klare und eindeutige Abgrenzungsregelung der Geschäftsführungsaufgaben zu enthalten, woraus sich eine für alle Mitglieder der Geschäftsführung erkennbare und von diesen akzep-tierte Aufgabenzuweisung ergibt. Hierdurch muss eine vollständige Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben durch hierfür fachlich und persönlich geeignetes Personal sichergestellt sein. Darüber hinaus, und dieses knüpft an die bisherige Rechtsprechung zum Thema der Haftung bei Ressortaufteilung an, muss, unabhängig von dieser jeweiligen Zuständigkeit eines Geschäftsführers, die Zuständigkeit des Gesamtorganes aller Geschäftsführer, insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten, festgeschrieben sein.

Die Verpflichtungen eines Geschäftsführers gemäß § 15 a InsO zur Stellung eines Insolvenzantrages (früher § 64 GmbHG) ist zweifellos nicht delegierbar. Die Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung obliegt allen Geschäftsführern einer GmbH persönlich und kann nicht im Wege der Geschäftsverteilung auf einzelne Geschäftsführer übertragen werden.

Die sich aus der Nichteinhaltung der gesetzlichen Frist zur Antrag-stellung ergebenden Haftungen treffen also, unabhängig von jeg-licher Ressortaufteilung, alle Geschäftsführer eines Unternehmens. Damit nicht genug, der Bundesgerichtshof hat seine bisherige Recht-sprechung zur quasi Solidarhaftung der Geschäftsführer noch einmal bestätigt und ausgeführt, dass eine an sich zulässige Verteilung der Geschäftsführungsaufgaben keinen der Geschäftsführer von seiner eigenen Verantwortung für die ordnungsgemäße Führung der Ge-schäfte der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit entbindet.

Gerade bei der Wahrnehmung von eigentlich nicht übertrag baren Aufgaben, deren Wahrnehmung aber aufgrund der Geschäfts-verteilung in der Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers liegen, sind hinsichtlich der Erfüllung dieser Verpflichtungen sehr strenge Maßstäbe anzulegen.

Aber damit nicht genug, haftungstechnisch führt der BGH die Ressort-aufteilung fast vollständig ad absurdum, wenn er ausführt, dass hin-sichtlich derjenigen Pflichtaufgaben, welche einem Geschäftsführer nicht zugewiesen sind, ihm jedenfalls eine Über wachungsverpflichtung gegenüber seinen Mitgeschäftsführern obliegt.

Das heißt im Klartext, dass ein Geschäftsführer sich nie auf eine – schriftliche oder mündliche – Ressortaufteilung berufen kann, um seiner Inanspruchnahme auf Schadenersatz zu begegnen. Bei einer auch noch so differenzierten Ressortaufteilung bleibt letztlich immer das Thema der Überwachungsverpflichtung, resultierend aus der Gesamtverantwortung der Geschäftsführer für das Unternehmen.

Der Bundesfinanzhof liegt hier auf einer Ebene mit dem Bundes-gerichtshof, wenn es um die Inanspruchnahme eines Geschäftsführers im Rahmen eines Haftungsbescheides für Steuerschulden der Gesellschaft geht. Die den Geschäftsführern zur persönlichen Erfüllung zugewiesenen Aufgaben nach § 34 Abs. 1 AO lassen es nicht zu, dass ein Geschäftsführer sich darauf beruft, er habe mit Finanzen, Steuern, Buchhal-tung und ähnliche Dinge der Unternehmensleitung nichts zu tun, er sei vielmehr z.B. ausschließlich für die Technik und den Vertrieb zuständig.

Es greift auch hier das Thema der Überwachung des Mitgeschäftsführers und einer Haftung, welche sich aus der nicht vollständigen Erfüllung dieser Überwachungsverpflichtung ergibt.

Die – hier nicht weiter behandelte – Frage der straf-rechtlichen Relevanz einer Ressortverteilung ist in einer grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes angesprochen. Die strafrechtliche Ver-antwortlichkeit kann durchaus ausgeschlossen, zumindest aber erheblich gemindert sein. So kommt eine Bestrafung eines Geschäftsführers bei einem Verstoß gegen § 266 a I StGB (Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen) nur in Betracht, wenn bei dem Geschäftsführer bedingter Vorsatz festgestellt wird. Dieses dürfte bei einer Verlet-zung der Überwachungspflichten eines nach der Ressortaufteilung nicht zuständigen Geschäftsführers nur in den seltensten Fällen angenommen werden können.

Ob möglicherweise einem Geschäftsführer gegenüber dem anderen Geschäftsführer, welcher tatsächlich zuständig war, aber seinen Unterrich-tungsverpflichtungen gegenüber seinem Mitge-schäftsführer nicht nachgekommen ist, ein Freistellungs- oder Haftungsanspruch zusteht, ist, soweit ersichtlich, bis zum heutigen Tage noch nicht höch strichterlich entschieden.

FAZIT:

1. Eine Ressortaufteilung zwischen den Ge-schäftsführern sollte sinnvollerweise schrift-lich, am besten im Rahmen der Satzung oder einer Geschäftsordnung, erfolgen.

2. Die wechselseitigen Informationsverpflichtun-gen der Geschäftsführer sollten verfahrenstechnisch institutionalisiert werden.

3. Die Einhaltung steuerlicher Deklarations- und Zahlungsverpflichtungen sollte Gegenstand eines innerbetrieblichen Berichtswesens sein, im Rahmen dessen zum Beispiel der Leiter der Finanzbuchhaltung alle Geschäftsführer nach einem festgelegten Schema informiert.

4. In einer Krise des Unternehmens sollten regelmäßig, sinnvoller weise unter Hinzuziehung eines externen Beraters, die Kriterien für eine Zahlungsunfähigkeit/drohende Zahlungsunfä-higkeit/Überschuldung auf der Basis der hierzu ergangenen Rechtsprechung zu den einzelnen Kriterien überprüft werden.

 

1 Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., 2019, § 37 Rd.-Nr. 33; Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 37 Rd.-Nr. 29
2 Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2009, S. 239
3 Leuering/Dornhegge, NZG 2010, S. 13
4 AEAO zu § 153 Tz 2.
5 Urteil vom 06.11.2018 – II ZR 11/17, BB 2019, 590