Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber Dritten und Gesellschaftern – Ein aktueller Rechtsprechungsüberblick¹

Matthias W. Kroll, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht, DR. NIETSCH & KROLL RECHTSANWÄLTE, FACHANWÄLTE

I. Haftung gegenüber außenstehenden Dritten
Eine Haftung der Geschäftsführer gegenüber außenstehenden Dritten kommt überwiegend aus deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen in Betracht. Hierneben können auch Ansprüche aus einer sog. Sonderverbindung bestehen.

1. Ansprüche aus sog. Sonderverbindung
Eine vertragliche Haftung des Geschäftsführers im Außenverhältnis kann sich daraus ergeben, dass er in Gestalt einer Bürgschaft, eines Schuldbeitritts oder eines Garantieversprechens für die Erfüllung
einer Verbindlichkeit der GmbH einzustehen verspricht.

Bei einer Bürgschaft ist nach der Rechtsprechung selbst dann das Formerfordernis des § 766 BGB zu beachten, wenn der sich verbürgende Geschäftsführer alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer ist.

Eine ähnliche Formfrage stellt sich im Rahmen des Schuldbeitritts von Geschäftsführern/Gesellschaftern zu Darlehensverträgen der GmbH mit gewerblichen Kreditgebern hinsichtlich der Formvorschrift des § 492 BGB, die nach ständiger Rechtsprechung auch auf den Schuldbeitritt eines Verbrauchers Anwendung findet.² Auch hier hält der BGH daran fest, dass die Stellung als geschäftsführender Alleingesellschafter die Verbrauchereigenschaft unberührt lässt3.

Eine Haftung der Geschäftsführer wegen fehlender Vertretungsmacht gem. § 179 BGB kommt namentlich dann in Betracht, wenn bei bestehender Gesamtvertretungsmacht gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG nur einer der Geschäftsführer gehandelt und ausdrücklich oder konkludent Einzelvertretungsmacht oder eine entsprechende Ermächtigung des Mitgeschäftsführers behauptet hat.⁴

Eine entsprechende Nachforschungsobliegenheit besteht nur bei Vorliegen konkreter Umstände, die Anlass geben, an der Behauptung des Geschäftsführers zu zweifeln⁵. Die Haftung nach § 179 BGB entfällt allerdings, wenn der Geschäftsgegner auch bei unterstellter Vertretungsmacht des Geschäftsführers keine realisierbaren Ansprüche
gegen die vertretene GmbH gehabt hätte, weil diese vermögenslos war⁶. In derartigen Fällen ist aber an eine mögliche Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsführers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO zu denken.

Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers kann sich ferner aus sog. Rechtsscheingrundsätzen ergeben. So verhält es sich insbesondere, wenn der Geschäftsführer durch sein Auftreten ohne den nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen Rechtsformzusatz einem gutgläubigen Dritten gegenüber den Anschein erweckt, er sei selbst oder zusammen mit anderen der Inhaber des Unternehmens, der dieses in unbeschränkter persönlicher Haftung betreibt. Er muss sich dann so behandeln lassen, als entspräche der von ihm zurechenbar gesetzte Rechtsschein der Wirklichkeit.

Ferner macht sich der Geschäftsführer auch dann persönlich haftbar, wenn er zwar nicht den Anschein erweckt, er selbst sei unbeschränkt haftender Geschäftsinhaber, aber durch Fortlassung des Rechtsformzusatzes zurechenbar den Rechtsschein setzt, dass ein von ihm verschiedener Geschäftsinhaber persönlich haftet.

Nach der Rechtsprechung des BGH soll
darüber hinaus der Geschäftsführer einer UG (haftungsbeschränkt) auch dann haften, wenn er statt des nach § 5a Abs. 1 GmbHG vorgeschriebenen Rechtsformzusatzes der UG (haftungsbeschränkt) für eine „GmbH“ auftritt⁷.

2. Eigenhaftung aus Verschulden bei Vertragsschluss
Weiterhin kommt eine Haftung des Geschäftsführers aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 – 3 BGB in Betracht, wenn er für die GmbH Vertragsverhandlungen führt und dabei Aufklärungs- oder sonstige vorver-
tragliche Pflichten verletzt.

Der BGH erkennt eine Eigenhaftung in diesem Zusammenhang im Wesentlichen in zwei Fallgruppen an⁸:

  • der Vertreter nimmt in besonderem Maß persönliches Vertrauen für sich (nicht nur für den von ihm Vertretenen) in Anspruch und beeinflusst dadurch erheblich die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss;
  • der Vertreter hat ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Vertragsabschluss.

Die zweite Variante hat allerdings ihre Bedeutung verloren, seitdem der BGH anerkannt hat, dass selbst eine  maßgebliche oder alleinige Beteiligung des handelnden Gesellschafter-Geschäftführers an der GmbH nicht ausreicht, um eine Eigenhaftung wegen des wirtschaftlichen Eigeninteresses zu begründen⁹.

Aber auch an die erste Variante einer Haftung bei Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens stellt jedenfalls die neuere Rechtsprechung strenge Anforderungen, sodass in der Praxis selten Haftungsfälle hierzu eintreten.

II. Haftung gegenüber  Gesellschaftern
Die Organhaftung besteht nach § 43 Abs. 2 – 3 GmbHG gegenüber der Gesellschaft, nicht gegenüber den Gesellschaftern. Die bloße Verletzung einer Geschäftsführerpflicht nach § 43 Abs. 1 GmbHG führt daher nicht zu Ansprüchen der Gesellschafter gegen den Geschäftsführer aus Sonderverbindung oder aus § 43 Abs. 1 i.V.m. GmbHG § 823 Abs. 2 BGB. Der geschädigte Gesellschafter kann sich bei Verletzung seiner Mitgliedschaftsrechte aber an die Gesellschaft halten (§ 280 Abs. 1 BGB), der das Verhalten des Geschäftsführers nach § 31 BGB zugerechnet wird.

Eine unmittelbare Haftung der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern kann sich somit nur aus anderen Anspruchsgrundlagen ergeben. Das GmbHG sieht in § 31 Abs. 6 selbst eine solche Anspruchsgrundlage vor, allerdings nur für den Sonderfall, dass der Geschäftsführer schuldhaft eine nach § 30 Abs. 1 verbotene Auszahlung bewirkt und dadurch die Ausfallhaftung der Gesellschafter nach § 31 Abs. 3 ausgelöst hat.

1. Ansprüche aus Sonderverbindung
Eine Haftung kann aber aus gesonderten (vor-)vertraglichen Beziehungen zwischen dem Geschäftsführer und einem Gesellschafter erwachsen. Ein praxisrelevantes Beispiel für eine solche Haftung aus Sonderverbindung unmittelbar gegenüber den Gesellschaftern bilden insbesondere Fälle des Management-Buyout, in denen den Geschäftsführern eine Aufklärungspflichtverletzung im Vorfeld des Vertragsschlusses zur Last fällt. Beim Management-Buyout werden die Geschäftsführer als verpflichtet angesehen, die veräußerungswilligen Gesellschafter über sämtliche wertrelevanten
Tatsachen zu informieren, einschließlich stiller Reserven, greifbarer Geschäftschancen und etwaiger höherer Kaufangebote Dritter.  Verletzen die Geschäftsführer ihre Aufklärungspflicht, ergeben sich daraus Schadensersatzansprüche der Gesellschafter aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB10.

2. Ansprüche aus unerlaubter Handlung

a) Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB
Verletzt der Geschäftsführer einen Gesellschafter in einem der durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte oder Rechtsgüter (Eigentum, Gesundheit etc.), gilt grundsätzlich nichts anderes als für die Haftung
gegenüber Dritten.

Problematisch ist, ob sich der deliktische Schutz der Mitgliedschaft auch auf Eingriffe aus dem sog. Verbandsinnenverhältnis, also auf Eingriffe seitens der Gesellschaft und ihrer Organe oder der Mitgesellschafter, erstreckt. Der BGH hat dies in einer bisher vereinzelt gebliebenen vereinsrechtlichen Entscheidung („Schärenkreuzer“11) angenommen und es infolgedessen für möglich gehalten, dass einem Vereinsmitglied, dessen Segelboot vom Vorstand einer sog. Klassenvereinigung zu Unrecht die Anerkennung als klassengerechter
Schärenkreuzer versagt worden war, ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB unmittelbar gegen das Vorstandsmitglied der Vereinigung zusteht. Unklar blieb allerdings, ob diese Rechtsfolge nur eingreift, wenn ein Eingriff von erheblichem Gewicht vorliegt, der unmittelbar gegen den Bestand der Mitgliedschaft oder die in ihr verkörperten Rechte gerichtet ist.

b) Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB
Als Schutzgesetz, dessen Verletzung eine Organhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB unmittelbar (auch) gegenüber den Gesellschaftern begründen kann, ist insbesondere der Straftatbestand des § 82 GmbHG (falsche Angaben bei Gründung und Kapitalmaßnahmen) anerkannt. Umstritten ist dagegen, ob auch Verstöße gegen § 85 GmbHG
(Verletzung der Verschwiegenheitspflicht) eine Organhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB gegenüber den Gesellschaftern zu begründen vermögen. Dies wird überwiegend angenommen.

Eine Untreue des Geschäftsführers gem. § 266 StGB, die auf eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft gestützt wird, kann demgegenüber entgegen einer früher herrschenden Ansicht nicht zu Ansprüchen der einzelnen Gesellschafter aus § 823 Abs. 2 BGB führen12. Bei Verletzungen der Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) scheidet eine Organhaftung gegenüber den Gesellschaftern nach wohl herrschender Auffassung ebenso aus, auch im Verhältnis zu erst nach der Entstehung der Insolvenzantragspflicht beitretenden Neugesellschaftern13.

Vorschriften des GmbHG, die keine Straf- oder Bußgeldvorschriften sind und lediglich das Mitgliedschaftsverhältnis zwischen GmbH und Gesellschafter näher ausgestalten, sind ebenso nach überwiegender Auffassung nicht als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen, wie etwa § 49 Abs. 3 GmbHG14 und § 51a GmbHG 1408).

c) Haftung nach § 826 BGB
Schädigt ein Geschäftsführer die Gesellschafter vorsätzlich und  sittenwidrig, sind Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB denkbar.

Bezieht sich der Vorsatz allein auf eine Schädigung des Gesellschaftsvermögens, ist allerdings fraglich, ob neben der unmittelbar geschädigten GmbH auch die nur mittelbar geschädigten Gesellschafter anspruchsberechtigt sind, was zu verneinen sein dürfte.

1 Es wurde die Rechtsprechung bis Oktober 2020 berücksichtigt.
2 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = ZIP 2006, 68 Rz. 12 m.w.N. (zu § 4 VerbrKrG)
3 BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = ZIP 2006, 68 Rz. 14 ff.
4 Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rz. 930 ff.
5 BGH v. 9.10.1989 – II ZR 16/89, ZIP 1989, 1453, 1454.
6 Ellenberger in Palandt, § 179 BGB Rz. 2
7 BGH v. 12.6.2012 – II ZR 256/11, GmbHR 2012, 953 Rz. 13 ff. m. abl. Anm. Römermann.
8 Etwa BGH v. 25.4.2006 – X ZR 198/04, MDR 2007, 326
9 BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 183 ff. = GmbHR 1994, 539 in Abkehr von seiner früheren, erheblich strengeren Rechtsprechung
10 Rhein, Der Interessenkonflikt der Manager beim Management Buy-out, 1996, S. 215 f.
11 BGH v. 12.3.1990 – II ZR 179/89, BGHZ 110, 323 = ZIP 1990, 1067 Rz. 12, 20 bei juriS.
12 LG Wiesbaden v. 13.8.2015 – 9 O 286/14, AG 2015, 833 (zur AG)
13 Klöhn in MünchKomm. InsO, 4. Aufl. 2019, § 15a InsO Rz. 162 ff. m.w.N.
14 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015