Die D&O-Versicherung als Individuallösung für Geschäftsführer

Franz M. Held, Prokurist, VOV GmbH

Die Nachfrage nach D&O-Versicherungsschutz ist schon zu einem Automatismus im Fall der Übernahme einer Geschäftsführungstätigkeit geworden. Doch der D&O-Markt hat Fahrt aufgenommen. Bei den am meisten verbreiteten Policen, den Unternehmens-D&ODeckungen, die die Gesellschaft für all seine Organmitglieder und weitere versicherte Personen abschließt, haben sich die Kapazitäten einiger D&O-Versicherer verknappt und auch der Risikoappetit hat abgenommen. Demzufolge sind höhere Versicherungssummen deutlich schwerer zu erhalten. Hinzu kommt, dass die Versicherungsbeiträge auch zum Teil erheblich angezogen sind.

In „Frommes Versicherungsmonitor“ vom 16.3.2021 liest sich das wie folgt:

„Prämienerhöhungen von mehr als 400 %, massive Kapazitätsengpässe, sich ständig verschlechternde Bedingungen: Im Markt für Managerhaftpflichtversicherungen sieht es derzeit alles andere als rosig für die Industriekunden aus. Die ohnehin angespannte Lage hat sich durch die Pandemie noch verstärkt. Die Versicherer fürchten eine Insolvenzwelle und fordern noch mehr Informationen …“.

Selbst wenn man attestiert, dass diese drastische Aussage für kleine und mittlere Unternehmen, also den KMU-Bereich, so nicht zutri•t, hat es aber auch hier Marktverhärtungstendenzen gegeben. Hat es in den vergangenen 10– 15 Jahren immer wieder eher sinkende D&OBeiträge bei einem gleichzeitigen Aufblähen der Bedingungsinhalte gegeben, so ist jetzt festzustellen, dass von einer derart weichen Marktphase sukzessive Abschied genommen wird. Doch was kommt jetzt?

Klar dürfte sein, dass für Geschäftsführer auch weiterhin ausreichend und nachhaltiger D&O-Versicherungsschutz zur Verfügung gestellt werden muss, da die D&O-Versicherung ein etabliertes und unverzichtbares Versicherungsprodukt ist. Deshalb ist es auch nicht hilfreich für den D&O-Markt, wenn derzeit ganze Branchen unter Generalverdacht gestellt werden und somit nur noch sehr schwer versichert werden können, obwohl eine individuelle Risikobetrachtung möglicherweise zu einem anderen Ergebnis führen würde. Tatsächlich gibt es kaum ein Risiko, dass nicht mit kreativen  Lösungen und risikospezifischen Rahmenbedingungen versicherbar gestaltet werden könnte. Das ist jedoch mit einer aufwändigen Risikoprüfung verbunden, die ausreichend Zeit und Know-how für den Underwriting-Prozess voraussetzt.

Und wenn die Anbieterseite nicht nur D&O-Lösungen in Form der Unternehmens-D&O, sondern auch solche für persönliche D&O-Policen im Produktko•er hat, gibt es noch eine sinnvolle Alternative. Solche Individualdeckungen erfreuen sich einer deutlich zunehmenden Beliebtheit, da jeder Geschäftsführer hierdurch seine eigene Absicherung hat, auf die – anders als bei der Unternehmens-D&O – keine andere versicherte Person oder gar die versicherungsnehmende Gesellschaft selbst drauf zugreifen kann.

Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass das Unternehmen ein eigenes Interesse am Abschluss einer D&O-Versicherung hat, da insbesondere bei sehr hohen Forderungssummen die „tiefen Taschen“ der D&O-Versicherer bilanzschützenden Charakter haben. Kerngehalt einer D&O-Versicherung sollte aber immer der Schutz des Privatvermögens der versicherten Personen sein.

Insofern müssen die aktuellen Bedingungsentwicklungen am Bedarf der Geschäftsführer ausgerichtet und damit aus deren Sicht kritisch auf den Prüfstand gestellt werden.

Selbstverständlich wird die Unternehmens-D&O-Versicherung weiterhin einen wichtigen Stellenwert haben. Doch bereits deren Konstrukt lässt kritisches Potenzial erkennen. Die Unternehmens-D&O-Versicherung ist als Versicherung für fremde Rechnung so ausgestaltet, dass das Unternehmen Versicherungsnehmer und Prämienschuldner ist. In der Schadenpraxis betre•en ca. 90 % aller Schadenfälle die sog. Innenhaftung, d.h. Ansprüche des Unternehmens selbst gegen seine Geschäftsführer bzw. andere versicherte Personen. Das Unternehmen ist also in den weit überwiegenden Fällen gleichzeitig Anspruchsteller und Versicherungsnehmer. Kritisch zu betrachten sind auch die Deckungselemente in der Unternehmens-D&O-Versicherung, die nur der Gesellschaft selbst zugutekommen. Erwähnt sei nur die sog. „Eigenschadendeckung“, wonach auch ohne Vorliegen einer persönlichen Haftung zugunsten der versicherungsnehmenden Gesellschaft Leistungen ausgekehrt werden können. Dadurch ist die Police  vorschadenbelastet und es ist durchaus vorstellbar, dass es mehrere Versicherungsfälle in einer Versicherungsperiode gibt, wodurch einem Geschäftsführer dann für „seinen“ Fall möglicherweise keine bzw. keine ausreichende Versicherungssumme mehr zur Verfügung steht. Oder ein unter den weiten Begri• der versicherten Person fallender Angestellter, wie etwa der Datenschutzverantwortliche oder sogar der Fuhrparkleiter, trägt bei einer Inanspruchnahme zu einer verringerten Versicherungssumme bei. So kann ein Geschäftsführer dann gezwungen sein, trotz bestehender Unternehmens-D&O-Versicherung eigenes Geld zur (vollständigen) Erledigung eines gegen ihn gerichteten Anspruchs aufbringen zu müssen. Zwar gibt es keinen D&O-Bedingungsstandard, der Trend bei der Unternehmens-D&O ging inden letzten Jahren aber eindeutig in die Richtung verstärkter Deckungsinhalte zugunsten des Unternehmens – mit den dargestellten verbundenen Nachteilen für die versicherten Geschäftsführer.

Sicherlich gibt es – das zeigt die D&O Schadenpraxis – meist ausreichend unter einer Unternehmens-D&O gedeckte Schadenfälle, bei denen sich die aufgezeigten Problemfelder und Interessenkonflikte nicht bewahrheitet haben. Ob eine andere versicherte Person einen Schadenfall auslöst und dann die Versicherungssumme dafür (teilweise)  „abgeräumt“ wird oder nicht, lässt sich aber nicht seriös vorhersehen, so dass jedenfalls schon mal bei der Wahl der  Höhe der Versicherungssumme nicht gespart werden sollte. Erst recht, wenn gleichzeitig mehrere versicherte Personen in Anspruch genommen werden und die zur Verfügung stehende Versicherungssumme dann auf die „Köpfe“ verteilt werden muss.

Wer also für sich betrachtet auf jeden Fall auf der sicheren Seite sein will, der sollte sich eigenen Versicherungsschutz mit einer höchstpersönlichen D&O-Versicherung bescha •en. Das macht sogar als ergänzenden Schutz zu einer Unternehmenspolice sehr viel Sinn.

Der D&O-Markt bietet hier sowohl standardmäßige als auch individuell zugeschnittene und damit bedarfsgerechte Versicherungslösungen an. Der Versicherungsschutz ist grundsätzlich derselbe wie der, den man als versicherte Person unter einer Unternehmens-D&O-Deckung erhalten kann. Anders als bei der Unternehmens-D&O-Police werden die „persönlichen D&O-Deckungen“ von jedem Geschäftsführer jedoch nur für sich selbst abgeschlossen. Bei den  persönlichen D&O-Deckungen verfügt der einzelne Geschäftsführer damit über eine höchsteigene unantastbare Versicherungssumme und er verhandelt den Bedingungsinhalt ausschließlich an seinem persönlichen Bedarf orientiert.

Der versicherungsnehmende Geschäftsführer sitzt also auf dem Fahrersitz und ist damit „Herr“ der D&O-Deckung,  während er bei Unternehmenslösungen die Bedingungsinhalte oftmals nicht verhandeln oder beeinflussen kann.

Interessant ist der Abschluss einer höchstpersönlichen D&O-Versicherung auch in den Fällen, bei denen etwa Versicherungsschutz über eine Unternehmens-D&O-Deckung einer ausländischen Muttergesellschaft besteht, die je nach Konstellation die deutsche Rechtswirklichkeit, insbesondere bei Inanspruchnahmen im Innenverhältnis, nicht risikoadäquat abbildet. Eine individuelle D&O-Police kann diese gefährliche Lücke e•ektiv schließen. Weiterer nicht zu unterschätzender Bedarf nach einer eigenen Absicherung besteht zudem im Falle des Ausscheidens aus dem Unternehmen. Denn der ausgeschiedene Geschäftsführer kann das weitere Schicksal der Unternehmens-D&O-Police nur noch schwer beeinflussen und so fühlt er sich durch eine D&ODeckung ausreichend abgesichert, obwohl nach seinem Ausscheiden möglicherweise die Versicherungsbedingungen anders gestaltet worden sind oder die Versicherungssumme reduziert wurde. Und diese fehlende Kontrolle über das Schicksal des D&O-Vertrages wird oftmals unterschätzt. Vertragliche Sicherheit bietet eine entsprechende „Verscha•ungsklausel“ im Dienstvertrag, die im Idealfall ganz konkret regelt, wie der D&O-Versicherungsschutz ausgestaltet und erhalten werden muss. Da solche Klauseln oftmals aber nur sehr unscharf formuliert sind, gewähren die persönlichen D&O-Versicherungen meist mehr Sicherheit. Selbst im Zusammenspiel mit einer Unternehmens-D&O-Versicherung bieten Individualdeckungen für den Geschäftsführer ein Extra an Schutz, da hierdurch gleichzeitig ein zusätzlicher Pu•er an Versicherungssumme gescha•en wird.

Da sich persönliche D&O-Versicherungen inhaltlich nicht unwesentlich unterscheiden, gilt auch hier, den Wald vor lauter Bäumen nicht aus den Augen zu verlieren. So existieren persönliche D&O-Deckungen mit wertvollen Bedingungselementen, die über den üblichen Schutzumfang hinausgehen und etwa eine Anwaltshotline zur Verfügung stellen, bei der ein betro•ener Geschäftsführer im Falle aufziehender Gewitterwolken 24/7 auf Kosten des Versicherers unmittelbar Kontakt zu einem sehr versierten Rechtsanwalt aufnehmen kann. Jedem Geschäftsführer ist daher dringend zu empfehlen, das Thema D&O-Versicherung zur „Chefsache“ zu machen.

Dabei sollte er aber nicht nur auf das Wording achten, der Geschäftsführer sollte in jedem Fall auch über das  Schadenmanagement des Versicherers zufriedenstellend informiert sein. Einen klaren Pluspunkt verzeichnen hier D&O-Anbieter, die alternativen Streitbeilegungsmöglichkeiten o•en gegenüberstehen.

Ebenso ist bei der Wahl des den Haftpflichtvorwurf abwehrenden Rechtsanwalts Sorgfalt geboten. Neben den im Einzelfall geschuldeten Spezialkenntnissen sollte dieser auf jeden Fall vermittelnd tätig sein können und damit seinen Beitrag zur Vermeidung einer Eskalation der jeweiligen Schadensache zu leisten imstande sein. Gute D&O-Anbieter verfügen über ein entsprechendes Netzwerk mit derart qualifizierten Rechtsanwälten, von dem die versicherten Geschäftsführer dann unmittelbar profitieren können.

Fazit: Individual-D&O-Policen erfreuen sich einer stetig wachsenden Nachfrage. So lautet auch meine klare Empfehlung an die Geschäftsführer, sich nicht nur auf die vom Unternehmen abgeschlossene D&O-Police zu verlassen, sondern das Thema „D&O“ zur Chefsache zu machen und sich auch Gedanken darüber zu machen, ob man sich mit einer eigenen D&O-Police nicht noch wohler fühlen würde.