„Die Angst vor einer größeren Insolvenzwelle treibt die D&O-Versicherer zu teilweise panischen Kurzschlussreaktionen.“

Interview mit Sebastian KlapperGründer und Managing Director der Finlex GmbH, über Perspektiven bei der Manager-Haftplicht und die Bedeutung digitaler Werkzeuge und Plattformen für die D&O-Branche.

Redaktion: Gerhard Walter, Solutions by HANDELSBLATT MEDIA GROUP GMBH

Der wirtschaftliche Abschwung durch die Corona-Krise, der Bilanz-Skandal bei Wirecard: Viele Vorstände und Aufsichtsräte werden in den kommenden Monaten mit Schadenersatzforderungen konfrontiert werden. Damit rückt die Manager-Haftpflicht in den Fokus. Mit welchen Risiken muss die Versicherungsbranche aufgrund der zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten rechnen?
Die Risiken für die Versicherungsbranche allgemein sind nach unserer Einschätzung der letzten Zeit vielfältiger als je zuvor. Es ist aber wichtig, eine differenzierte Sichtweise darzustellen und die Herausforderungen der Branche offen zu besprechen und gemeinsam anzupacken. Die Corona-Krise trifft einige Wirtschaftszweige sehr hart und die Angst vor einer größeren Insolvenzwelle treibt die D&O-Versicherer zu teilweise panischen Kurzschlussreaktionen. Besonnenheit und langfristige, strategische Planung werden hier leider schmerzlich vermisst. Der Wirecard-Fall war sicherlich dann der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat und die von vielen Anbietern ja bereits angekündigte Trendwende in der D&O-Branche in diesem Jahr zum Höhepunkt getrieben hat. Kapazitäten wurden flächendeckend reduziert und in der Folge sind die Preise gestiegen. Als Reaktion darauf wurden insbesondere schwer getroffene Risiken neu ausgeschrieben in der Hoffnung, doch noch eine bessere Alternative zu finden. Ein ganz praktisches Problem war damit die Überlastung des Systems, das heute noch in großen Teilen analog funktioniert.
Ein positiver Nebeneffekt: die Marktteilnehmer sind wesentlich offener bei dem Thema Digitalisierung geworden und kommen mittlerweile sogar proaktiv auf uns zu. Nach unserer Einschätzung ist dies auch die einzige Möglichkeit das Geschäft nachhaltig effizient und weiterhin professional zu betreiben.

Der Markt der D&O-Versicherung nimmt gerade eine besorgniserregende Entwicklung: Die Prämien steigen teilweise massiv an, die Versicherungssummen werden gekürzt, die Bedingungswerke verschärft. Welche Konsequenzen hat die Marktverhärtung für die Branche und für Ihr Unternehmen?
Auch hier ist die differenzierte Betrachtung wichtig. Kleine Gewerbekunden sind von dieser Bewegung kaum betroffen. Natürlich haben Anbieter insbesondere ihre Neugeschäftsprämien angepasst und neuerdings sicherlich ein erhöhtes Informationsbedürfnis, aber das klassische KMU-Geschäft ist von der Härte der Entwicklung größtenteils verschont. Hier vermuten wir eher zukünftig Einhalt und Umdenken in der teilweise inflationären Ausdehnung des Bedingungsumfangs. Große Industriekunden und exponierte Risiken hingegen trifft es gerade sehr deutlich und teilweise auch unverhältnismäßig.

Das hat folgende Konsequenzen: Der erhöhte Informationsbedarf wird in den nächsten Jahren noch anhalten. Er muss aber bei allen Parteien, vom Versicherer über Makler bis Unternehmen sinnvoll prozessiert werden, was nur mit guter und auf die Industriebedürfnisse angepasster Technologie funktionieren kann. Bei FINLEX haben wir uns schon früh Anfang 2020 in Erwartung der Marktausprägung mit dem Thema beschäftigt und entsprechende Tools dafür (aus)gebaut. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Je besser wir den Risikoappetit eines jeden Versicherers auf unserer Plattform kennen, desto zielgenauer können wir per Knopfdruck passende Marktvergleiche bieten beziehungsweise prognostizieren, ob eine Ausschreibung zielführend wäre. Für größere Kunden können wir dann nur die Versicherer anfragen, von denen wir wissen, dass sie hier anbieten werden und wissen auch welche Informationen geliefert werden müssen, um gute Ergebnisse zu erzielen. Gleichzeitig kann man dem Kunden in einem geführten Online-Prozess besser erklären, warum wir die Informationen benötigen und diese in einer sicheren Onlineumgebung abfragen und auch wiederverwenden. Das entlastet das System und führt dazu, dass sich die Underwriter beim Versicherer für die komplexen Fälle die notwendige Zeit nehmen können. Gleichzeitig können wir dem Makler und Kunden sagen, womit sie nach der Datenlage und Erfahrung rechnen dürfen, welche Versicherer überhaupt in Frage kommen und wie lange es schätzungsweise dauern wird. Das führt zu mehr Transparenz und besseren Ergebnissen auf allen Seiten.

Welche Kunden sind von der Marktverhärtung derzeit ganz besonders betroffen?
Die Frage wäre besser, welche nicht ?
Besonders betroffen sind Branchen wie Einzelhandel, Hotellerie und Gastronomie, Veranstaltungsbranche, Messebauer, Reisebranche, Kunst- und Kultur, Personen-Transport (Luft, Schiff, Schiene), Flughäfen, Textil, Sport, Automotive und Maschinenbau (letzteres erholt sich gerade leicht). Neue Geschäftsmodelle wie Krypto-Plattformen oder spezielle Finanzdienstleistungslösungen sind gerade sehr schwer zu platzieren. Unabhängig von der Branche sind grundsätzlich alle Unternehmen, die ein negatives Eigenkapital aufweisen beziehungsweise deren Finanzierung und Liquidität unsicher ist, schwer vermittelbar. Ganz extrem ist die Ausprägung bei deutschen Unternehmen, die den Sprung an eine US Börse wagen oder gewagt haben. Die Preisentwicklungen sind hier am größten.

Trotz der angespannten Lage – welche Lösungsansätze und Produkte können Sie Managerinnen und Managern zur Absicherung Ihrer Risiken anbieten?
Ein Lösungsansatz ist mehr Transparenz zwischen den Marktteilnehmern, die wir über unsere Plattform fordern und fördern. Wenn Kunden besser verstehen, dass mehr Transparenz über die Risiken zu besseren Ergebnissen führt und Versicherer verstehen, dass mehr Transparenz über deren Risikoappetit und deren Zahlen zu mehr Kundenbindung führt, sind wir einen großen Schritt weiter. Des Weiteren versuchen wir natürlich alle öffentlich verfügbaren Informationen automatisch zu verwerten.
Weiterhin ist die D&O-Versicherung für Unternehmen das wichtigste Produkt zur Transferierung der Risiken für Manager. Dieser Schutz sollte nach unserer Erfahrung auf einem modernen Spezialkonzept basieren, das aktuelle Themen beinhaltet, verständlich aufbereitet ist und nicht nur aus der Brille des Versicherers aufgesetzt ist.
Eine auskömmliche Strafrechtsschutz-Police und eine persönliche D&O der Geschäftsführer & Vorstände sind, wenn gut auf den D&O Unternehmensvertrag abgestimmt, eine sinnvolle Ergänzung.

Eine separate D&O Aufsichtsratspolice ist nach unserer Meinung hingegen nur in Ausnahmefällen sinnvoll, da diese Personengruppe in der klassischen D&O Unternehmenspolice bereits umfangreich mitversichert ist und zu mehr Komplexität im Schadenfall führt und der einzige relevante Fall der Streitverkündung in modernen D&O Policen bereits abgebildet ist. Die Mehrkosten durch Prämienerhöhungen und die reduzierten Kapazitäten im Markt sprechen ebenso grundsätzlich gegen ein solches Produkt.

In der nächsten Ausbaustufe werden wir das bereits bestehende professionelle Netzwerk zu Dienstleistern (Assistance-DL, Berater, Anwaltskanzleien, et cetera) und damit vielen nützlichen Assistance-Leistungen für unsere Kunden auf der Plattform weiter ausbauen.

Die Finlex GmbH hat in den vergangenen Jahren ihre Geschäftsaktivitäten ausgebaut – sehen Sie sich trotzdem immer noch als Startup?
Wir sehen uns als technologiebasiertes Wachstumsunternehmen im B2B Marktsegment der Versicherungsbranche. Die Einordnung als Startup oder nicht ist für uns nicht relevant. Man kann jedoch mit Gewissheit sagen, dass wir mit dem stark gewachsenen, wiederkehrenden Geschäft auf der Plattform bereits eine kritische Größe erreicht haben, damit auch viele neue Talente anlocken und weiter auf Wachstumskurs sind. Unsere Vision ist es die Plattform für Specialty Insurance Solutions in Europa zu werden. Unsere Mission ist es Unternehmenskunden zielgerichtet und „on demand“ über Risiken aufzuklären und diese transparent und auf dem höchsten qualitativen Standard zu transferieren.

Sebastian Klapper ist Gründer und Geschäftsführer der FINLEX GmbH mit Hauptsitz in Frankfurt am Main und Standorten in Berlin und Nürnberg. Der studierte Betriebswirt mit Spezialisierung auf Unternehmensfinanzierung (Corporate Finance) und einem Masterabschluss in Wirtschaftsrecht (LL.M. in business law) verfügt über langjährige Erfahrungen in der Versicherungswirtschaft und ist ein national sowie international erfahrener Experte für Financial Lines. Neben der mehrjährigen Regionalverantwortung innerhalb des Geschäftsbereichs Financial & Professional Services bei einem international agierenden Großmakler war er mehrere Jahre als Berater für Banken und Finanzdienstleister in London, Großbritannien im Bereich Risikomanagement tätig. Hervorzuheben sind seine Erfahrungen und sein Knowhow im Bereich der Kapitalmarkt- und Transaktionsrisiken. FINLEX ist eine Online Versicherungsplattform für Gewerbe- und Industriekunden mit dem Fokus auf Specialty Lines (Financial Lines) und verbindet Expertenwissen aus den Bereichen Financial Lines und Cyber.