Der Weg des GmbH-Geschäftsführers zu seinem Recht

Dr. Rolf Stagat, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht, GKD Gäng Kramer Döring Stagat Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

EINLEITUNG
Der rechtliche Status des GmbH Geschäftsführers ist im Wandel. War es früher klar, dass Geschäftsführer einer GmbH nicht Arbeitnehmer sein können und ihre Rechte gegen die Gesellschaft im Streitfall nicht vor dem Arbeitsgericht verfolgen können, sondern vor dem Landgericht klagen müssen, so hat sich dies deutlich geändert. Die Rechtsprechung des BGH, des BAG und des EuGH haben die rechtliche Stellung von GmbH-Geschäftsführern immer mehr dem Arbeitsverhältnis angenähert, sodass GmbH-Geschäftsführer heute nicht mehr als „kündigungsrechtliches Freiwild“ betrachtet werden können.

Die Änderungen der Rechtsprechung betreffen nicht nur den Status, also die Frage, ob GmbH-Geschäftsführer freie Dienstnehmer oder Arbeitnehmer sind. Die Rechtsprechung hat GmbH-Geschäftsführern auch Wege eröffnet, ihre Rechte gegen ihr Anstellungsunternehmen vor den Arbeitsgerichten geltend zu machen. In Konsequenz dieser veränderten Rechtsprechung können Geschäftsführer nicht nur häufiger Arbeitnehmerschutzgesetze für sich in Anspruch nehmen, sondern auch öfter den Rechtsweg zum Arbeitsgericht beschreiten. Dadurch verändern sich nicht nur die Erfolgschancen von Geschäftsführern in Trennungssituationen; der rechtliche Status und die Zulässigkeit des Rechtswegs zum Arbeitsgericht haben auch erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierung des Trennungsprozesses.

WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG DES RECHTSWEGS ZUM ARBEITSGERICHT
Ob der Organstellung von Geschäftsführern ein Arbeitsvertrag oder ein Dienstvertrag zugrunde liegt, hat immense Auswirkungen auf die Chancen im Trennungsstreit. Bevor es aber um die Frage der Wirksamkeit der Kündigung – den sog. materiellen Kündigungsschutz – geht, wird (fast) immer um die Rechtswegzuständigkeit gestritten. Ob eine Klage gegen eine Kündigung beim Arbeitsgericht oder beim Landgericht eingereicht wird, hat gravierende Folgen für die Kosten, mit denen betroffene Geschäftsführer rechnen müssen. Um die Klage gegen die Kündigung des Anstellungsverhältnisses vor dem Landgericht führen zu können, muss der Geschäftsführer zunächst den Gerichtskostenvorschuss einzahlen. Die Höhe des Gerichtskostenvorschusses hängt vom Streitwert ab, der sich bei Geschäftsführerdienstverträgen nach der vertraglichen Laufzeit richtet. Im Regelfall wird dabei das dreifache Jahresgehalt zugrunde gelegt. Bezieht der Geschäftsführer z.B. ein Jahresgehalt von EUR 200.000,00, so beträgt der Streitwert EUR 600.000,00 und der Gerichtskostenvorschuss EUR 11.688,00. Hinzukommen die Kosten für den anwaltlichen Vertreter, die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz im Beispiel EUR 10.474,98 betragen. Verliert der Geschäftsführer den Prozess, muss er diese Gebühren nicht nur seinem eigenen Anwalt bezahlen, sondern zusätzlich der Gesellschaft die Kosten für ihren Anwalt erstatten. Das Prozesskostenrisiko erreicht so häufig schon in der ersten Instanz Beträge von über EUR 30.000,00.

Völlig anders sieht es aus, wenn der Geschäftsführer vor dem Arbeitsgericht klagen kann. Bei den Arbeitsgerichten ist weder ein Gerichtskostenvorschuss zu leisten noch ist man im Falle der Prozessniederlage – jedenfalls in der ersten Instanz – verpflichtet, dem Gegner die Kosten zu erstatten (§ 12a ArbGG). Darüber hinaus werden Kläger im Kündigungsschutzprozess beim Arbeitsgericht durch eine gesetzliche Deckelung des Streitwerts vor hohen Verfahrenskosten geschützt (§ 42 Abs. 2 GKG). In Kündigungsschutzprozessen ist der Streitwert danach auf den Betrag des Vierteljahreseinkommens begrenzt. Im Beispielsfall ist der Streitwert vor dem Arbeitsgericht auf EUR 50.000,00 gedeckelt, das Prozesskostenrisiko beträgt lediglich EUR 3.483,73. Das Kostenrisiko eines Prozesses vor dem Landgericht ist demzufolge fast zehnmal so hoch wie für eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht.

TAKTISCHE BEDEUTUNG DES RECHTSWEGS ZUM ARBEITSGERICHT
Der Kampf um den Rechtsweg wird von Geschäftsführern aber nicht nur wegen der Kosten geführt. Weiteres Motiv für den Gang zum Arbeitsgericht ist die eher arbeitnehmerfreundliche Haltung der Arbeitsgerichte. Die für allgemeine zivilrechtliche Angelegenheiten zuständigen Landgerichte folgen regelmäßig ohne Umschweife der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Rechtsstellung eines Geschäftsführers mit dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses als grundsätzlich unvereinbart ansieht. Dagegen sind Arbeitsrichter eher geneigt, den Schutz arbeitsrechtlicher Gesetze zu gewähren. Die Tendenz der Arbeitsgerichte, auf das Anstellungsverhältnis von Geschäftsführern arbeitsrechtliche Schutzvorschriften anzuwenden, erhielt durch neuere Entscheidungen des EuGH, des BAG und des BGH ständig neue Nahrung. Während der BGH bis 2019 seinem Dogma treu blieb, ein Geschäftsführer stehe „im Arbeitgeberlager“ und könne deshalb nicht Arbeitnehmer sein,¹ hat das BAG schon 1999 entschieden, dass ein GmbH-Geschäftsführer im Falle starker Weisungsabhängigkeit durchaus Arbeitnehmer sein kann.² 2010 erklärte der BGH die Vereinbarung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf Dienstverträge von Geschäftsführern für zulässig³ und 2011 entschied der EuGH in der Rechtssache Danosa, dass Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer einer deutschen GmbH Arbeitnehmer im unionsrechtlichen Sinne sind.⁴ Sämtliche Arbeitnehmerschutzgesetze, die auf europarechtlicher Grundlage beruhen, sind seither auch auf Fremdgeschäftsführer und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer anzuwenden. Schließlich hat der BGH in seinem Urteil vom 26. März 2019 erstmals anerkannt, dass Fremdgeschäftsführer Arbeitnehmer sein können, zumindest soweit es um die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geht.⁵

WANN IST FÜR GESCHÄFTSFÜHRER DER RECHTSWEG ZUM ARBEITSGERICHT ERÖFFNET?
Ob das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist, muss jedoch von der Frage unterschieden werden, ob der Geschäftsführer vor dem Arbeitsgericht klagen kann. Letzteres regelt das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Danach sind die Arbeitsgerichte sachlich zuständig für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. ⁶ Um vor dem Arbeitsgericht klagen zu können, reicht es jedoch nicht, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Geschäftsführer und GmbH darzulegen. Klagende Geschäftsführer müssen zusätzlich die Hürde der Sperrwirkung von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nehmen. Nach dieser Bestimmung gelten Vertretungsorgane einer GmbH nicht als Arbeitnehmer. Diese negative Fiktion versperrte nach ständiger Rechtsprechung des BAG den Weg zum Arbeitsgericht auch dann, wenn der Geschäftsführer bei Einreichung der Klage die Organstellung gar nicht mehr innehatte und Grundlage seiner Organstellung kein Dienstvertrag, sondern ein Arbeitsvertrag war. Bei Bestandsschutzstreitigkeiten wurde vielmehr allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abgestellt.⁷

ERWEITERUNG DER ZUGANGSMÖGLICHKEITEN ZUM ARBEITSGERICHT
Ab 2011 hat das BAG seine Auslegung von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG geändert. Die Sperrwirkung der negativen Fiktion ist nunmehr strikt an die Organstellung gekoppelt. der Rechtsweg zum Arbeitsgericht ist somit nur noch so lange versperrt, wie der Geschäftsführer seine Organstellung noch innehat. Damit gibt das BAG dem Geschäftsführer einen Hebel in die Hand, mit dem er die Zulässigkeit des Rechtswegs zum Arbeitsgericht selbst herbeiführen kann. Das Geschäftsführeramt endet nämlich nicht nur durch Abberufung seitens der Gesellschaft, sondern auch durch Niederlegung des Amtes durch den  Geschäftsführer selbst. Dabei kommt es nicht auf die nur deklaratorische Eintragung im Handelsregister an, sondern auf den Zugang der Erklärung der Niederlegung bei der Gesellschaft. Geschäftsführer können die Zulässigkeit des Rechtswegs sogar noch im anhängigen Gerichtsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des angerufenen Gerichts über seine Zuständigkeit beeinflussen und durch Amtsniederlegung die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts begründen.

Geschäftsführer können die Zulässigkeit des Rechtswegs sogar noch im anhängigen Gerichtsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des angerufenen Gerichts über seine Zuständigkeit beeinflussen und durch Amtsniederlegung die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts begründen.

Nach Beendigung der Organstellung kommt es für die Rechtswegzuständigkeit nur noch darauf an, ob es sich um einen Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus einem Arbeitsverhältnis oder über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG). Richtet sich die Klage gegen eine ordentliche (fristgemäße) Kündigung des Anstellungsvertrages, so lassen die Arbeitsgerichte zugunsten des Klägers die bloße Rechtsbehauptung genügen, er sei Arbeitnehmer. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses muss also nicht nachgewiesen, sondern lediglich behauptet werden. Geschäftsführern eröffnet diese Rechtsprechung des BAG die Möglichkeit, praktisch jede Bestandsschutzklage und jedes  Statusfeststellungsverfahren vor das Arbeitsgericht zu bringen. Sie müssen lediglich ihre Organstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit durch Amtsniederlegung beenden und in ihrer Klagebegründung die Rechtsansicht vertreten, dass es sich bei ihrem Anstellungsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelt.

ZUSAMMENFASSUNG
Geschäftsführer in Trennungssituationen sollten vor Erhebung der Klage gegen die Kündigung ihres Anstellungsverhältnisses prüfen, welchen Rechtsweg sie beschreiten. Nach neuerer Rechtsprechung besteht auch für Geschäftsführer häufig die Möglichkeit, statt vor dem Landgericht vor dem Arbeitsgericht zu klagen. Dieser Weg bringt nicht nur erhebliche Kostenvorteile mit sich, sondern verbessert auch die Prozesschancen.

Nach neuerer Rechtsprechung besteht auch für Geschäftsführer häufig die Möglichkeit, statt vor dem Landgericht vor dem Arbeitsgericht zu klagen.

 

1 BGH, NJW 1984, 2528
2 BAG, Urteil vom 26.05.1999 – 5 AZR 664/98
3 BGH, NZA 2010, 889
4 EuGH, NZA 2011, 143
5 BGH, Urteil vom 26. März 2019 – II ZR 244/17
6 § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG
7 BAG, NZA 1999, 839