Datengetriebene Earn-out-Regelungen

Unternehmen, die als Teil ihrer Transformationsstrategie ihre M&A-Aktivitäten u.a. auf die Akquisition von Unternehmen mit datengetriebenen Geschäftsmodellen ausrichten, sollten sich schon bei der Verhandlung der Unternehmenskaufverträge um eine entsprechende Weichenstellung für eine erfolgreiche Unternehmens- und Technologieintegration bemühen. Hier können sorgfältig formulierte Earn-out-Regelungen dem Käufer dabei helfen, seine Akquisitionsziele zu erreichen.

Datengetriebene Geschäftsmodelle künftig ein wichtiger Erfolgsfaktor für (fast) alle Unternehmen

Daten sind der Rohstoff der Zukunft. Wie ein unternehmenspolitisches Mantra geht dieser Satz seit einigen Jahren in den Führungsetagen von Unternehmen herum und ist auch längst Teil der Zielsetzung deutscher und europäischer Wirtschaftspolitik.

Dies ist nicht weiter verwunderlich. Denn Daten stellen einen essenziellen Teil der digitalen Transformation dar und haben ein enormes Wertschöpfungspotenzial. Nach einer Studie der Europäischen Kommission lag das Volumen der Datenökonomie in der Europäischen Union im Jahr 2019 bei über 400 Milliarden Euro und könnte bis zum Jahr 2025 auf über 820 Milliarden Euro ansteigen.[1]

Die Datennutzung kann für ein Unternehmen zahlreiche Vorteile haben. Unternehmen, die sich eine datenbasierte Entscheidungsfindung zu Nutze machen, können nach wissenschaftlichen Studien eine um 5-6% höhere Produktion und Produktivität aufweisen. Auch auf andere Leistungsparameter wie die Anlagenauslastung, die Eigenkapitalrendite und den Börsenwert scheint datenbasierte Entscheidungsfindung einen positiven Effekt zu haben.[2] Je nach Zählung haben sieben oder acht der zehn wertvollsten börsennotierten Unternehmen der Welt (Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Meta/Facebook, Tencent, Alibaba und ggf. Tesla)[3] datengetriebene Geschäftsmodelle.

Profitieren können nicht nur Unternehmen, deren Wertschöpfung ausschließlich auf Datennutzung beruht. Auch Unternehmen mit „klassischen“ Geschäftsmodellen können durch Datennutzung ihre Produkte und Dienstleistungen aufwerten, neue Kundensegmente erschließen, die eigene Produktpalette mit neuen innovativen Produkten erweitern oder ihre Erlöse steigern.[4]

Unternehmen müssen also ihre Geschäftsmodelle nicht vollständig umstellen, aber sich dennoch mit der Frage der effektiven Datennutzung auseinandersetzen, um nicht Gefahr zu laufen, an Wettbewerbsfähigkeit, Marktanteilen und Umsätzen einzubüßen. Unternehmen, die wachsen und langfristig überleben möchten, müssen sich nicht mehr die Frage stellen, ob sie überhaupt ein datengetriebenes Geschäftsmodell benötigen, sondern welches sie wann brauchen.[5]

Digitale Transformation weiterhin ein Haupttreiber von M&A-Aktivität in Deutschland

Die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland weist noch keinen hohen Digitalisierungsgrad auf. Eine Studie aus dem Jahr 2019 stufte 84% der deutschen Unternehmen noch als analog/nicht-digital bzw. als digitale Einsteiger ein.[6] In der Liste der wertvollsten börsennotierten Unternehmen taucht ein deutsches Unternehmen mit datengetriebenen Geschäftsmodell erst auf Platz 68 auf (SAP).

Eine Mehrheit der deutschen Unternehmen setzt aber einen strategischen Schwerpunkt auf die digitale Transformation und sieht neben der Möglichkeit, die digitale Transformation selbst (organisch) voranzubringen, eine entsprechende Ausrichtung ihrer M&A-Tätigkeiten durch anorganisches Wachstum als wichtigen Teil dieser Strategie.[7] Die digitale Transformation ist daher auch seit Jahren einer der Haupttreiber der M&A-Aktivitäten von Unternehmen. Häufig werden Transaktionen gerade auch wegen des Bedarfs eines Unternehmens an Technologien der nächsten Generation und an neuen digitalen Fähigkeiten angestoßen.[8] Dies wird insbesondere für strategische Käufer, aber ggf. auch für Private Equity-Investoren mit längerfristiger Buy-and-Build-Strategie gelten.

Gerade Bewertungs- und Kaufpreisfragen nehmen bei M&A Transaktionen naturgemäß eine wichtige Rolle ein. Insofern kann auch eine entsprechende Kaufpreisgestaltung mit einer auf das datengetriebene Geschäftsmodell ausgerichteten Earn-out-Regelung dabei helfen, ein solches Akquisitionsziel zu erreichen bzw. abzusichern.

Nutzung von Earn-out-Vereinbarungen zur Förderung datengetriebener Akquisitionsziele

Earn-out-Vereinbarungen sind nachgelagerte, zusätzliche Kaufpreiskomponenten, deren Fälligkeit von dem Eintritt bestimmter, vereinbarter Erfolgsindikatoren abhängt. In der Regel knüpfen die Parteien beim Earn-out wie auch häufig bei der Ermittlung des Basiskaufpreises an die (künftigen) Erträge bzw. die Ertragsentwicklung des Zielunternehmens an (Ertragswertverfahren). Als solche finanziellen Erfolgsindikatoren kommen etwa Umsatz, Rohergebnis, EBITDA, EBIT, Jahresüberschuss oder operativer Cashflow in Betracht. Finanzielle Erfolgsindikatoren können insbesondere dann helfen, wenn Verkäufer- und Käuferseite die künftige Ertragsentwicklung des Zielunternehmens unterschiedlich einschätzen und darauf basierend unterschiedliche Vorstellungen von dem Wert des Zielunternehmens haben. Earn-out-Regelungen verlagern diese Fragen in die Zukunft und erlauben es, die jeweiligen Erwartungen mit der tatsächlichen Entwicklung und dem wirtschaftlichen Erfolg des Zielunternehmens abzugleichen und darauf basierend einen etwaigen Zusatzkaufpreis zu ermitteln.

In Betracht kommen beim Earn-out aber auch nicht finanzielle Erfolgsindikatoren wie etwa der Erhalt einer behördlichen Genehmigung oder einer Lizenz, die Erteilung eines Patents, die Zulassung eines Produktes durch Aufsichtsbehörden, die Erreichung einer bestimmten Produktreife oder Entwicklungsschritte, die Erreichung bestimmter Produktions- oder Kundenzahlen oder bestimmter Besucherzahlen auf der Unternehmenswebsite.

Ebenso kann sich der Käufer aber eine Earn-out-Regelung auch nutzbar machen, um sein datengetriebenes Akquisitionsziel zu fördern und zu erreichen, indem Erfolgsindikatoren so formuliert werden, dass sie beispielsweise Milestones für von dem Käufer gewünschte Datenübermittlung, Technologieintegration oder den gewünschten Know-how-Transfer darstellen. Es kann etwa geregelt werden, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Zielunternehmen genutzte oder zukünftig entstehende Daten auch für die Käufergesellschaften zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden, eine technologische Lösung des Zielunternehmens samt der dazugehörigen Daten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die bestehenden Produkte oder Prozesse des Käuferunternehmens ausgeweitet wird (z.B. zur Prozess-/Produktionsoptimierung mit Echtzeitdaten, Retargeting-Lösungen) oder dass der Verkäufer als Know-how-Träger etwa durch Schulungen für einen Know-how-Transfer zu sorgen hat.

Nutzung von Earn-out-Vereinbarungen zur Eingrenzung typischer Risiken von datengetriebenen Transaktionen

Während es bei den oben genannten Earn-out-Funktionen darum ging, die datengetriebenen Akquisitionsziele des Käufers positiv abzusichern, kann der Earn-out auch dabei helfen, die mit datengetriebenen Geschäftsmodellen häufig einhergehenden Risiken einzudämmen. Insbesondere bei Start-ups, aber erfahrungsgemäß auch bisweilen in etablierteren Unternehmen finden sich häufig datenschutzrechtliche Baustellen. Auch mögliche Schwachstellen in der IT-Sicherheit spielen insbesondere im gegenwärtigen politischen Klima eine immer wichtigere Rolle. Häufig werden solche Risiken im Rahmen der rechtlichen oder technischen Due Diligence identifiziert. Beispielsweise können erforderliche Zustimmungen von Datensubjekten fehlen oder es fehlt generell noch an einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Datenschutzorganisation, die folglich noch aufgebaut werden muss. Solche Risiken können häufig nicht kurzfristig ausgeräumt werden. Für die Vergangenheit können dem Käufer hier dann Garantien und insbesondere Freistellungen einen gewissen Schutz bieten. Zugleich kann die Erledigung eines vereinbarten Maßnahmenplans zur Beseitigung der identifizierten Risiken für die Zukunft einer Earn-out Regelung als Erfolgsindikator zugrunde gelegt werden.

Eine Herausforderung bei der Verhandlung solcher nicht finanziellen Erfolgsindikatoren ist die Formulierung von beiderseitig akzeptablen Earn-out-Voraussetzungen.

Zum einen geht es darum, Manipulationsmöglichkeiten auszuschließen. So muss etwa zugunsten des Verkäufers gewährleistet sein, dass der Käufer nach Vollzug des Unternehmenskaufvertrages nicht mit Hilfe seiner gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten den Erfolgseintritt sabotieren und dadurch die Fälligkeit des Earn-outs vereiteln kann.

Zum anderen kann auch die vertragliche Risikoallokation schwierig sein. Während der Käufer eher vom Ergebnis her denkt und auf den Erfolg wird abstellen wollen, wird der Verkäufer in der Regel nur eine bestimmte Tätigkeit schulden, nicht aber die Verantwortung für den Erfolgseintritt tragen wollen. In diesem Zusammenhang muss dann etwa geklärt werden, was gelten soll, wenn der Verkäufer, der eine Leistung persönlich schuldet (z.B. Know-how-Transfer), krankheitsbedingt ausfällt, oder wenn der Erfolgseintritt durch höhere Gewalt oder durch das Dazwischentreten Dritter vereitelt wird oder wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die vereinbarten Erfolgsindikatoren nicht machbar sind. Diese und weitere Erwägungen wollen wohl durchdacht und austariert sein und gehen nicht selten mit Kontroversen in den Verhandlungen einher – ein Aufwand, der sich aber lohnen kann, wenn er dem Käufer hilft, seine Akquisitionsziele zu erreichen oder seine Risiken zu minimieren.

[1] https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/9fb0599f-c18f-11ea-b3a4-01aa75ed71a1/language-en

[2] https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1819486

[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12108/umfrage/top-unternehmen-der-welt-nach-marktwert/

[4] https://www.demand-projekt.de/paper/Fritsch,%20Manuel%20,%20Krotova,%20Alevtina,%202020,%20Der%20Weg%20zu%20datengetriebenen%20Gesch%C3%A4ftsmodellen,%20DEMAND%20Gutachten.pdf

[5] https://www.researchgate.net/publication/276272305_Data-Driven_Business_Models_A_Blueprint_for_Innovation

[6] https://www.demand-projekt.de/paper/DEMAND-DataEconomicsAndManagementOfDataDrivenBusiness(WhitePaper).pdf

[7] https://www.rws-verlag.de/aktuell/newsticker-kanzleien/studie-von-noerr-und-tu-muenchen-m-a-treiber-fuer-die-digitale-transformation-60155/

[8] https://www.accenture.com/de-de/insight-tech-led-mergers-acquisitions