Corporate Compliance-Pflichten des Geschäftsführers nach dem künftigen Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz

Dr. Carsten Kruchen, Rechtsanwalt, Partner, MUTTER & KRUCHEN Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB
Jessica Werner, Rechtsanwältin Associate, MUTTER & KRUCHEN Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB

I. Corporate Compliance als Ausfluss der Legalitäts- und Rechtsvergewisserungspflicht

Zu den zentralen Pflichten des GmbH-Geschäftsführers nach § 43 Abs. 1 GmbHG gehört die Sorge dafür, dass sich die GmbH rechtmäßig verhält, also insbesondere öffentlich-rechtliche Pflichten einhält. Diese Pflicht des Geschäftsführers wird als Legalitätspflicht bezeichnet (BGH NJW 2019, 2165 Rn. 10; Wicke in Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 43 Rn. 5).

Im Rahmen der Legalitätspflicht hat der Geschäftsführer jedenfalls sämtliche Rechtsvorschriften zu beachten, welche die GmbH im Außenverhältnis treffen. Gemeinhin betrifft dies das Bilanz-, Kartell-, Wettbewerbsrecht, Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht, Verwaltungs-, Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht (vgl. Wicke aaO.). In den vorstehenden Kanon gehört auch das Geldwäschegesetz („GwG“) und die Pflichten, die sich hinsichtlich der Einholung, Aufbewahrung und Aktualisierung der Angaben zu wirtschaftlich Berechtigten der GmbH und der ggf. erforderlichen Mitteilung an das Transparenzregister nach § 20 Abs. 1 GwG ergeben. Einen Unterfall hierzu bildet die grundsätzliche Pflicht nach § 20 Abs. 3a S. 1 GwG, von den Anteilseignern der GmbH, soweit bekannt, in angemessenem Umfang Auskunft zu den wirtschaftlich Berechtigten der GmbH zu verlangen.

Es besteht zudem auch Einigkeit in Rechtsprechung und Schrifttum, dass aus der Legalitätspflicht für den Geschäftsführer nach den Maßstäben der sog. „Ision“-Grundsätze auch eine sogenannte Rechtsvergewisserungspflicht folgt, die es gebietet, sich über die geltende Rechtslage zu informieren (vgl. BGH NZG 2011, 1271 Rn. 16, Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2020, 1368, 1375), was zu Ende gedacht auch das stetige Monitoring von Rechtsänderungen mit einschließt. Um der ihnen nach § 43 Abs. 1 GmbHG obliegenden Sorgfalt zu genügen, sollten sich Geschäftsführer stets auch über für die Gesellschaft relevanter rechtlicher Fortentwicklungen und Rechtsänderungen auf dem Laufenden halten. Auch wenn nach richtiger Auffassung in der GmbH nicht in jedem Fall eine eigenständige Compliance-Organisation nach dem Vorbild des Grundsatzes 5 Empfehlung A 2 des
Deutschen Corporate Governance Kodex für börsennotierte Aktiengesellschaften einzurichten ist (vgl. Wicke aaO.), sind Geschäftsführer dennoch gut beraten, sich über bevorstehende Rechtsänderungen informiert zu halten; Stichwort: „Corporate Compliance“. Ein neuerlicher Anwendungsfall hierfür ist der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Europäischen Vernetzung der Transparenzregister und zur Umsetzung der Richtlinie 2019/1153 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Nutzung von Finanzinformationen für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen schweren Straftaten („RegE TraRFinG“) vom 10. Februar
2021 mit seinen weitreichenden Neuerungen, insbesondere zum Transparenzregister.

II. Novellierung des Transparenzregisters zum Vollregister

Zur Erinnerung: §§ 18 ff. GwG regeln das Transparenzregister. Dabei handelt es sich um ein seit 1. Oktober 2017 bestehendes Register (Eingeführt mit Umsetzung der EU-Richtlinie 2015/849; „4. Geldwäscherichtlinie“), zu welchem u.a. wirtschaftliche Berechtigte von Gesellschaften mit beschränkter Haftung grundsätzlich mitgeteilt und eingetragen werden müssen.

Die Mitteilungspflichten an das Transparenzregister gelten freilich nach geltender Fassung des § 20 Abs. 2 S. 1 GwG derzeit für viele Gesellschaften mit beschränkter Haftung als erfüllt, weil die erforderlichen Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten sich in der Regel aus Dokumenten und Eintragungen der in § 20 Abs. 2 S. 1 GwG aufgeführten Register, z.B. zum Handelsregister eingereichter Gesellschafterlisten (§ 40 GmbHG) ergeben (sog. „Meldefiktion“).

Das Transparenzregister dient bekanntlich dem Zweck, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern, indem es dazu beiträgt, den Missbrauch von Vereinigungen und Rechtsgestaltungen, insbesondere von juristischen Personen des Privatrechts, zum Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern. Durch die angeordnete Eintragung des wirtschaftlich Berechtigten im Transparenzregister werden diejenigen natürlichen Personen kenntlich gemacht, die am Ende der juristischen, teilweise weit verschachtelten, Struktur stehen. Der RegE TraFinG soll die praktische und digitale Nutzbarkeit des Transparenzregisters verbessern. Insbesondere sollen die nationalen Transparenzregister der EU-Mitgliedstaaten noch im Jahr 2021 elektronisch miteinander vernetzt werden. Bisher handelt es sich bei dem deutschen Transparenzregister lediglich um ein sog. Auffangregister, sodass nur wirtschaftlich Berechtigte einzutragen sind, wenn sich diese nicht bereits aus anderen öffentlich einsehbaren Registern
ergeben; künftig soll dieses Auffangdasein beendet werden und das Transparenzregister zu einem Vollregister erstarken. Zur Umsetzung dieses Ziels hält die Bundesregierung trotz erheblichen Widerspruchs im Konsultationsverfahren an dem bereits im Referentenentwurf enthaltenen Konzept eines Transparenz-Vollregisters fest.

Vgl. hierzu die Stellungnahmen zum Referentenentwurf vom 23. Dezember 2020, abrufbar unter:
www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2020-12-23-transparenzfinanz-informationsgesetz/0-Gesetz.html)

Insbesondere die daher von der Bundesregierung geplante Streichung der bisherigen Meldefiktion aus dem GwG ist für Gesellschaften mit beschränkter Haftung von erheblicher Relevanz. Sie führt dazu, dass Gesellschaften mit beschränkter Haftung damit ausnahmslos Adressaten einer Meldepflicht zum Transparenzregister werden, unabhängig davon, ob (wie bisher) deren wirtschaftlich Berechtigte etwa in der im Handelsregister abrufbaren Gesellschafterliste aufgeführt sind. Vielmehr sind wirtschaftliche Berechtigte nach dem GwG fortan stets positiv zur Eintragung in das Transparenzregister zu melden (vgl. RegE TraFinG, S. 32). Dies erweitert den Pflichtenkanon der Geschäftsführung fortan erheblich.

Die Pflicht zur verbindlichen Mitteilung der Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten soll nach der Gesetzesbegründung dort angesiedelt werden, wo sie am zuverlässigsten und gesamtwirtschaftlich kosteneffizientesten erfüllt werden kann und wo zudem bereits jetzt auf Grundlage des § 20 Absatz 1 GwG die Pflicht besteht, Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten einzuholen, aufzubewahren und zu aktualisieren. Die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Aktualität der Daten zum wirtschaftlich Berechtigten soll fortan klar abgrenzbar bei den jeweiligen Rechtseinheiten liegen, sprich der GmbH selbst.

Die Novellierung zielt auch darauf ab, dass zukünftig allein der Blick in das Transparenzregister genügt, um den wirtschaftlich Berechtigten einer GmbH zu ermitteln, und eine Hinzuziehung eines weiteren Registers vermieden wird.

Die Gesetzesbegründung zum RegE TraFinG geht selbst von insgesamt ca. 2,3 Millionen betroffenen Unternehmen aus. Der Gesetzgeber rechnet zudem mit einem erheblichen Anstieg der Ordnungswidrigkeitenverfahren infolge der Umstellung auf ein Vollregister (vgl. RegE TraFinG, S. 36). Dies kann auch als Warnung an mitteilungspflichte Unternehmen verstanden werden. Das neue Gesetz soll dem Vernehmen nach bereits zum 1. August 2021 in Kraft treten, was in der Praxis für den GmbH-Geschäftsführer eine zeitnahe Befassung mit der Novellierung erforderlich macht. Allerdings soll Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Meldepflicht bis dahin wegen § 20 Abs. 2 GwG noch als erfüllt gilt, eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2022 für Mitteilungen ihrer wirtschaftlich Berechtigten zur Eintragung in das Transparenzregister eingeräumt werden (§ 59 Abs. 8 Nr.2 GwG-E). Sogar noch ein Jahr länger sollen die mit der Meldepflicht verbundenen Ordnungs-widrigkeiten aus § 56 Abs. 1 Nr. 55 und Nr. 58 bis 60 GwG für die GmbH ausgesetzt werden (§ 59 Abs. 9 Nr. 2 GwG-E). Der weitere Zeitplan der Novellierung sieht eine Beschlussfassung im Bundestag bis Ende Mai vor.

III. Folgen für die Praxis aus Sicht eines GmbH-Geschäftsführers

Im Lichte des RegE TraFinG sind GmbH-Geschäftsführer unseres Erachtens nach § 43 Abs. 1 GmbHG gehalten, sich bereits rechtzeitig vor dem 30. Juni 2022 mit der Novellierung auseinander zu setzen und erforderlichenfalls qualifizierten Rechtsrat hierzu einzuholen, damit sie die neue Mitteilungspflicht zum Transparenzregisters für ihre GmbH ggf. rechtzeitig und vollumfänglich erfüllen können. Da zukünftig jede Veränderung des wirtschaftlich Berechtigten mitgeteilt werden muss, haben die Geschäftsführer Veränderungen der Beteiligungs- und ggf. Konzernstruktur ihrer GmbH sorgfältig zu ermitteln, d.h. die nach § 19 GwG erforderlichen Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten einzuholen, aufzubewahren und auf aktuellem Stand zu halten, und neben dem Handelsregister (Gesellschafterliste nach § 40 GmbHG) auch dem Transparenzregister mitzuteilen. Hierdurch entsteht ein erheblicher Verwaltungsmehraufwand, denn es ist unseres Erachtens zumindest ein geordneter und effektiver Monitoring-Prozess aufzusetzen, der gewährleistet, dass die GmbH von der Änderung ihrer wirtschaftlich Berechtigten erfährt und ggf. auch in ihrem Konzern nach unten zumindest (mit-)überwacht, dass von Konzerngesellschaften erforderliche Mitteilungen zum Transparenzregister abgegeben werden. Es ist unseres Erachtens ebenfalls sinnvoll, ggf. bereits erfolgte Mitteilungen an das Transparenzregister zu überprüfen und eventuell notwendige Aktualisierungen frühzeitig zu ermitteln. Hierbei ist wegen der Aufbewahrungspflicht nach § 20 Abs. 1 S. 1 GwG eine für Dritte nachvollziehbare Dokumentation der getroffenen Maßnahmen und ermittelten Angaben sinnvoll, denn Verstöße
gegen die Aufbewahrungs- und Mitteilungspflichten nach GwG können (ggf. erst nach Auslaufen der Übergangsfrist) mit erheblichen Bußgeldern geahndet werden.

Obwohl aufgrund der Novellierung des GwG teils erheblicher Mehraufwand für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und ihre Geschäftsführer zu erwarten ist, ist diese, insbesondere in Hinblick auf die fortschreitende wirtschaftliche Verflechtung in der Europäischen Union, unseres Erachtens zu begrüßen. Zukünftig reicht für die Ermittlung eines wirtschaftlich Berechtigten für Verpflichtete nach dem GwG europaweit ein Blick in das Transparenzregister. Denn als Teil der Novellierung sollen auch die erweiterten, über das Transparenzregister hinausgehenden Nachforschungspflichten nach § 11 Abs. 5 S. 4 GwG für geldwäscherechtlich Verpflichtete gestrichen werden. Zukünftig sind zwar weiterhin die Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten beim Vertragspartner selbst einzuholen, es müssen aber regelmäßig keine über die Einsicht in das Transparenzregister hinausgehende Maßnahmen zur Überprüfung dieser Angaben mehr ergriffen werden (vgl. § 12 Abs. 3 S. 2 GwG-E). Hiervon profitiert auch der Geschäftsführer einer GmbH, wenn er etwa als Immobilienmakler oder Güterhändler geldwäscherechtlich Verpflichteter ist. Daher hält die Novellierung für den GmbH-Geschäftsführer unseres Erachtens sowohl „Licht als auch Schatten“ bereit.