Die biologische Vielfalt ist nicht nur eine Frage des Schutzes bedrohter Arten, sondern auch eine finanzielle Frage für Unternehmen und Investoren.
Ein Gastbeitrag von Jürgen Baudisch, CEO und Country Head der SEB Deutschland.
Der Erhalt der Biodiversität ist neben dem Klimawandel eine der größten Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Das Bewusstsein für dieses sensible Thema ist bereits gewachsen und Unternehmen wie Investoren sind dazu aufgerufen, sich noch stärker mit den finanziellen Risiken, aber auch den Chancen der biologischen Vielfalt auseinanderzusetzen.
Zusätzliche Dynamik erhält der Umgang mit der Biodiversität aufgrund des stärkeren politischen Bestrebens, den Verlust der ökologischen Vielfalt zu stoppen respektive umzukehren. So wurde bereits die Biodiversitätsstrategie der EU verschärft und die Erholung der biologischen Vielfalt in Europa bis 2030 als Ziel formuliert.
Darüber hinaus wurde im vergangenen Jahr die EU-Taxonomie um Kriterien für Biodiversität erweitert, sodass Unternehmen ab dem Geschäftsjahr 2024 Angaben zum EU-Umweltziel 6 – Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen – veröffentlichen müssen. Gleichzeitig sorgt auch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) dafür, dass ab diesem Jahr große börsennotierte Unternehmen über ihren Einfluss auf Wasser oder sonstige Biodiversitätsthemen berichten müssen, wenn diese als materiell eingestuft sind.
Die regulatorischen Entwicklungen, in Kombination mit einem stärkeren Unternehmensfokus, werden dazu führen, dass Biodiversität vermehrt in die Finanzierungen der Unternehmen Einzug halten wird. Sei es in Form von Sustainability-Linked Loans oder in Anleihe-Strukturen, bei denen die Unternehmen ihr Engagement für bestimmte Umweltziele verstärken und diese dann transparent am Kapitalmarkt machen.
Exemplarisch für das gestiegene Engagement zum Thema Biodiversität steht das finnisch-schwedische Forstunternehmen Stora Enso, das gemeinsam mit der SEB eines der ersten Sustainability-Linked Frameworks entwickelt hat, das neben Klimazielen auch Biodiversitäts- und Kreislaufwirtschaftsziele einschließt. Konkret sieht das Unternehmen vor, Finanzierungen künftig neben CO2-Zielen auch an den Anteil recyclebarer Produkte und die Anzahl der gepflanzten Birkensetzlinge zu koppeln.
So werden wir in Zukunft sicher weitere Unternehmen sehen, die Anleihen begeben, bei denen sie wissenschaftsbasierte Ziele für die Natur mit ihrer Finanzierung verknüpfen. Dabei kommt auch dem Bankensektor eine wichtige Rolle zu. Er muss das Wissen zum Thema Biodiversität erweitern, die Unternehmen bei der Erarbeitung eines entsprechenden Rahmenwerks unterstützen und innovative Finanzierungslösungen entwickeln.