Beschlussfassung in der GmbH während der Corona-Pandemie

Kevin Wilson, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht, KLINGER UND PARTNER Rechtsanwälte mbB

Die Beschlussfassung erfolgt in einer GmbH in der Regel auf Gesellschafterversammlungen, bei welchen die Gesellschafter körperlich anwesend sind. Die Corona-Pandemie bringt teilweise weitreichende Reise- und Kontaktbeschränkungen mit sich, so dass Gesellschafter daran gehindert sein können, an einer Präsenzversammlung teilzunehmen. Es stellt sich daher die Frage, welche Alternativen zu den während der Pandemie nur sehr eingeschränkt möglichen Präsenzversammlungen existieren bzw. wie Beschlüsse gefasst werden können, ohne dass die Gesellschafter physisch präsent sind.

I. Einleitung
Die GmbH ist im Grundsatz für ihre Handlungsfähigkeit darauf angewiesen, dass es den Gesellschaftern möglich ist, im Rahmen von Gesellschafterversammlungen physisch präsent zu sein und hierbei Beschlüsse zu allen grundlegenden Belangen der Gesellschaft zu fassen (§ 48 Abs. 1 GmbHG). Eine Beschlussfassung ist beispielsweise zwingend erforderlich für die Feststellung des Jahresabschlusses als Grundlage der Gewinnverwendung, für die Ausschüttung von Gewinnen oder die Bestellung und Abberufung von Gesellschaftsorganen wie etwa Geschäftsführern.

Wenn die Durchführung bzw. die Teilnahme an einer Präsenzversammlung aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen der Kontakt- und Reisemöglichkeiten nicht oder nur erschwert möglich ist, stellt sich die Frage nach Alternativen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es in der Satzung an Regelungen zu einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren oder gar einer virtuellen Gesellschafterversammlung fehlt.

II. Gesetzeslage vor COVID-19
Die Gesellschafterversammlung einer GmbH ist nach § 48 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich eine Präsenzveranstaltung.

§ 48 Abs. 2 GmbHG erö•net unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Beschlussfassung, ohne dass es einer körperlichen Zusammenkunft der Gesellschafter bedarf.

Voraussetzung hierfür ist aber, dass entweder alle Gesellschafter in Textform dem Beschlussantrag zustimmen, also inhaltlich einheitlich abstimmen (Alternative 1) oder aber, dass alle Gesellschafter sich mit dem Verfahren der schriftlichen Stimmabgabe einverstanden erklären (Alternative 2). Beide Varianten setzen also das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter voraus.

§ 48 Abs. 2 GmbHG ist dispositiv, d.h. die Satzung kann Abweichungen vom Gesetz vorsehen. Denkbar sind hier in erster Linie Regelungen zu einer Beschlussfassung im Umlaufverfahren auch ohne Einstimmigkeit oder aber Regelungen zu virtuellen Gesellschafterversammlungen.

III. Änderungen der Gesetzeslage anlässlich COVID-19
Mit dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ v. 27.3.2020, welches am 28.3.2020 in Kraft trat, hat der Gesetzgeber erhebliche Neuerungen für weite Teile der wirtschaftlichen und privaten Rechtsbeziehungen eingeführt.

Als Teil dieses Maßnahmenpakets hat der Gesetzgeber das „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ (nachfolgend „COVMG“) zur Verhinderung einer drohenden Handlungsunfähigkeit der betroff•enen Gesellschaftsorgane verabschiedet. § 2 COVMG betri•t die GmbH.

1. Erleichterung für Beschlussfassung im Umlaufverfahren
§ 2 COVMG sieht vorübergehend davon ab, dass das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter für eine schriftliche Beschlussfassung nach § 48 Abs. 2 GmbHG vorliegen muss. Die Stimmabgabe in Textform bzw. die Abstimmung im schriftlichen Verfahren ist zulässig, auch wenn nicht alle Gesellschafter hiermit einverstanden sind. Hierzu sieht § 2 COVMG kein bestimmtes Quorum vor.

Dies gilt allerdings nur, soweit nicht die Satzung selbst bereits ein vom gesetzlichen Einstimmigkeitserfordernis abweichendes Quorum vorsieht. Sieht die Satzung bspw. eine drei Viertel Mehrheit für das schriftliche Verfahren (und damit eine Erleichterung zu § 48 Abs. 2 GmbHG) vor, so verbleibt es bei dieser Regelung trotz § 2 COVMG.

2. Keine Regelung zu Form und Ablauf der Beschlussfassung im Umlaufverfahren
Das COVMG enthält keine Regelungen zu Form und Ablauf der Beschlussfassung im Umlaufverfahren. Es muss insoweit auf die – in diesem Fall lückenhaften – Bestimmungen des GmbHG zurückgegriff•en werden. Erleichterungen gelten insoweit nicht.

a) Einleitung der Beschlussfassung
Sofern die Satzung keine erleichterte Möglichkeit einer elektronischen Einberufung vorsieht, hat der Geschäftsführer im Rahmen seiner Einberufungskompetenz (§ 49 Abs. 1 GmbHG) allen Gesellschaftern ein Einschreiben postalisch zu  übersenden, welches die Tagesordnung und die anstehenden Beschlussgegenstände hinreichend konkretisiert und welches darüber hinaus die Beschlussfassung im Umlaufverfahren einleitet und zur Stimmabgabe in Text- oder Schriftform bis zu einem bestimmten Termin aufgef•ordert.

Welche Frist für die Stimmabgabe angemessen ist, wird von § 48 Abs. 2 GmbHG nachvollziehbarer Weise nicht weiter thematisiert, da hiernach ja stets Einstimmigkeit erforderlich ist, eine nicht (rechtzeitig) abgegebene Stimme also automatisch zur Unwirksamkeit des Umlaufbeschlusses führt.

Aus Gründen des Minderheitenschutzes wird die Frage der angemessenen Frist unter den vereinfachten Bedingungen des COVMG nun aber relevant. Eine gesetzliche Regelung wäre wünschenswert und erforderlich, um Beschlussmängeln vorzubeugen, fehlt jedoch.

In der Praxis sollte sicherheitshalber zumindest die zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung geltende Frist (§ 51 GmbHG, ggf. mit Abweichung in der Satzung) gewahrt werden.

b) Beschlussfähigkeit
Das COVMG schweigt auch zur Frage, ob für die Beschlussfähigkeit im Umlaufverfahren ein bestimmtes Quorum erreicht werden muss. Ein in der Satzung bestimmtes Quorum für die Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung wird aber auch auf die Beschlussfassung im Umlaufverfahren zu übertragen sein.

c) Form der Beschlussfassung
Die Beschlussfassung nach § 48 Abs. 2 GmbHG erfolgt zumindest in Textform (§ 126b BGB). Erforderlich ist damit eine  lesbare Erklärung des Gesellschafters, die ihn als Absender der Erklärung erkennen lässt.

Hierunter fallen z.B. eigenhändig unterschriebene Erklärungen, die im Original oder per Fax an die Gesellschaft übermittelt werden sowie E-Mails oder der elektronische Scan eines eigenhändig unterzeichneten Dokuments.

d) Form der Mitteilung des Beschlussergebnisses
Mangels Präsenz wird das Ergebnis der Beschlussfassung den Gesellschaftern mitzuteilen sein. In welcher Form dies zu geschehen hat, wird vom COVMG nicht näher bestimmt.

Es sollte sicherheitshalber auf die nach dem GmbHG und der Satzung geltenden Formvorschriften zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung zurückgegri•en werden.

3. Keine Beschlussfassung im Umlaufverfahren bei gesetzlicher Präsenzpflicht
Das COVMG betriff•t nur Beschlüsse, die nach § 48 Abs. 2 GmbHG bei Vorliegen der Voraussetzungen im  Umlaufverfahren zulässiger Weise gefasst werden können. Beschlüsse, für die hingegen eine gesetzliche Präsenzpflicht besteht, z.B. bei Verschmelzung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 UmwG), Spaltung (§§ 125 Satz 1 iVm 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG) oder Formwechsel (§ 193 Abs. 1 Satz 2 UmwG) können weiterhin nicht im Umlaufverfahren gefasst werden.

4. Keine virtuelle Gesellschafterversammlung
Anders als etwa bei der Aktiengesellschaft können Gesellschafterversammlungen auf Grundlage der im COVMG enthaltenen Regelungen nicht virtuell abgehalten werden.

Es sind auf Grundlage des COVMG weder Videokonferenzen noch Telefonschalten für die Gesellschafterversammlung bzw. Beschlussfassung zulässig.

Eine virtuelle Gesellschafterversammlung ist also weiterhin nur dann möglich, wenn die Satzung dies explizit zulässt.

5. Zeitliche Befristung der Änderungen
Die Regelungen des COVMG sind zeitlich befristet. Gemäß § 7 Abs. 2 COVMG findet die Änderung zunächst nur Anwendung auf Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse, die im Jahr 2020 stattfanden bzw. gefasst wurden.

Dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird jedoch in § 8 COVMG das Recht eingeräumt, die Geltungsdauer des Gesetzes durch Verordnung bis längstens zum 31.12.2021 zu verlängern, sollte dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geboten erscheinen.

Durch die „Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ (GesRGenRCOVMVV) vom 20.10.2020 hat das zuständige Bundesministerium von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Regelungen des COVMG wurden bis 31.12.2021 verlängert.

IV. Kritik
Wo das COVMG bspw. für die Rechtsform der Aktiengesellschaft relativ detaillierte Regelungen und Anpassungen enthält, beinhaltet es für die GmbH eine bestenfalls bruchstückhafte Regelung.

Das durch den Gesetzgeber formulierte Ziel, für das Krisenjahr 2020 eine kurzfristige und breite Ausnutzung digitaler und virtueller Abhaltungsformen für Gesellschafterversammlungen zu ermöglichen, wurde mit Blick auf die GmbH nicht ansatzweise erreicht. Das COVMG enthält für die Beschlussfassung in der GmbH zwar Erleichterungen, bleibt aber letztlich auf halber Strecke stehen, da – anders als bspw. für Aktiengesellschaften – weder digitale Formen der Einberufung noch virtuelle Gesellschafterversammlungen möglich sind.

Die stiefmütterliche Behandlung der GmbH im Rahmen des COVMG ist in Anbetracht des hohen Verbreitungsgrads und damit der großen praktischen Bedeutung dieser Rechtsform nicht nachvollziehbar.

V. Praxishinweis
Nachdem es der Gesetzgeber für die GmbH versäumt hat, durch klare und detaillierte Regelungen für Rechtssicherheit und Flexibilität bei der Beschlussfassung zu sorgen, sollten GmbH-Satzungen dahingehend überprüft werden, ob sie die Möglichkeit vorsehen, Gesellschafterversammlungen elektronisch einzuberufen und virtuell durchzuführen bzw. Beschlüsse elektronisch oder im Umlaufverfahren zu fassen. Um hier künftig flexibel agieren zu können, sollten entsprechende Regelungen inhaltlich di•erenziert gestaltet sein.