#Beschaffungläuft!

Als einer der größten öffentlichen Auftraggeber ist das in Koblenz ansässige Bundesamt für Ausrüstung,  Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz BAAINBw, der zentrale Akteur für Beschaffung  und Nutzung. Dabei geht es im Kern darum, einerseits die Ausstattung unserer Streitkräfte und unserer  Soldatinnen und Soldaten anhand der operativen Erfordernisse schnell sicherzustellen und über den  gesamten Produktionslebenszyklus einsatzfähig zu halten. Andererseits zeitgleich moderne Technologien  und Innovationen schnell und mit agilen Methoden zu erschließen und in die Truppe zu bringen. Handlungsleitend für unsere Arbeit sind dabei Resilienz, Agilität, Einsatzbereitschaft der Streitkräfte, operative militärische und zivile Planungen und zukünftige Fähigkeiten. Hier haben wir bereits viel erreicht und unsere Leistungsfähigkeit bewiesen. Das ist gelebte Zeitenwende.

Die militärische Beschaffung unterliegt allerdings Besonderheiten. Grund dafür sind die  außergewöhnlichen Anforderungen (u. a. aufgrund von gesetzlichen Vorgaben, parlamentarischen  Berichtspflichten, aber auch Robustheit und Lebenszykluskosten), die notwendige militärische Sicherheit,  die langfristige wirtschaftliche Bedeutung sowie die verteidigungspolitischen Vorgaben. Daher ist das  Sondervermögen Bundeswehr bereits vollständig ausgeplant und weitgehend unter Vertrag genommen.  In vielen Fällen wird die dringend benötigte Ausrüstung bereits von der Industrie an die Bundeswehr geliefert. Partnerschaftlich leisten Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie der gesamte Rüstungsbereich einen bedeutenden Beitrag zur materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Damit  trägt das BAAINBw ganz wesentlich zur geforderten Wehrhaftigkeit Deutschlands bei.

Ein Innovationszentrum der Bundeswehr könnte der Rahmen für einen integrierten Wirkverbund bieten.

Annette Lehnigk-Emden,Präsidentin, BAAINBw (Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr)

Innovative Beschaffung: Maßnahmen für die Zukunft

Die Aktivitäten in den Handlungsfeldern wehrtechnische Forschung, Experimentalserien, Innovationsinitiativen, Concept Development & Experimentation, Modellbildung und Simulation,  Operations Research, nichttechnische Studien und Projekte des Europäischen Verteidigungsfond (EVF)  sind derzeit in verschiedenen Bereichen angehängt und könnten durch eine übergeordnete Koordination  deutlich größere Wirkung entfalten. Zudem müssen im Kontext der Reorientierung auf Landes- und  Bündnisverteidigung die Erkenntnisse aus aktuellen Konflikten sowie die Ableitung aus neuen operativen  Erfordernissen verknüpft werden. Die Herausforderung, die Bundeswehr wieder kriegstüchtig werden zu  lassen, erfordert jedoch unmittelbares Handeln für die fokussierte und durchgängige Technologieentwicklung und Innovation. Die Adaptionsfähigkeit der Streitkräfte an und für neue Ideen  und Technologien gilt es zu verbessern.

Die Aufgabenwahrnehmung Innovation ist aktuell prozessual uneinheitlich abgebildet und zwischen dem BAAINBw, dem Forschungs- und Innovations-Hub (FIH), dem Planungsamt der Bundeswehr (PlgABw), dem Zentrum für Digitalisierung der Bundeswehr (ZDigBw) und den Teilstreitkräften verteilt. Mit einem operativen Zusammenschluss dieser Elemente sollte ein integrierter „Wirkverbund“ dieser bislang strikt  getrennten Elemente und Aufgaben geschaffen werden. Ein Innovationszentrum der Bundeswehr könnte  dazu einen geeigneten Rahmen bieten.

Im Zusammenhang mit innovativer Beschaffung sollte auch an eine bessere Symbiose von Start-ups und Bundeswehr gedacht werden. Die Wege von der klugen Idee bis hin zum cleveren Produkt müssen  deutlich kürzer und schneller werden. Dazu gilt es alle Beteiligten und Prozessschritte an einer Stelle zu  bündeln und dort auch die aktuell dezentral laufenden Schritte zusammenzufassen und zu verzahnen. So  entsteht ein schlagkräftiger und agiler Wirkverbund.

Innovative Beschaffung bedeutet auch, die hochwertigen Personalressourcen von Bürokratie zu entlasten und in zukunftsträchtigen Projekten einzusetzen. Ein Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist. Das BAAINBw hat den Anspruch, als moderner Arbeitgeber mit attraktiven Tätigkeitsfeldern und Arbeitsbedingungen  wahrgenommen zu werden. Denn die militärische Beschaffung braucht auch zukünftig qualifizierte  Spezialistinnen und Spezialisten mit dem nötigen Teamspirit.

Parallel zu diesen Innovationen erfolgte die entscheidende strategische Rahmensetzung im  Bundesministerium der Verteidigung. Beispielhaft sind die Beschleunigungserlasse zu nennen, die zur  Erhöhung der Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Prozesse als auch der Projektarbeit sowie zur  Ausnutzung und Erweiterung rechtlicher Handlungsspielräume einen innovativen Rahmen setzten, den es  zu nutzen galt. Als einer der größten öffentlichen Auftraggeber hat das BAAINBw den sich bietenden  rechtlichen Rahmen zukunftsweisend genutzt. Das macht die weitere Zusammenarbeit mit der  gewerblichen Wirtschaft und dem anerkannt innovativen Mittelstand deutlich einfacher und sicherer, beispielsweise durch Rahmenverträge.

Mittlerweile haben wir ohne Zweifel bewiesen, dass wir schnell beschaffen können. An der harten Realität orientierte planerische Produktvorgaben und weitgehende Orientierung an marktverfügbaren Produkten  in Verbindung mit einer gesicherten Finanzierung führen zu überzeugend schnellen Vertragsabschlüssen.  Da bestimmte militärische Systeme und Produkte nicht auf Vorrat produziert werden können, stehen die  Auftragnehmer unter Zeitdruck, denn aufgrund der aktuellen sicherheitspolitischen Lage hat die Truppe  dringenden Bedarf. Insofern bedürfen Fragestellungen zur Lieferfähigkeit der deutschen und  europäischen Industrie sowie zur Steigerung des Kapazitätsausbaus zeitnahe Antworten.

Innovative Beschaffung läuft

Wir können Beschleunigung. Wenn im Einklang mit den strategischen Vorgaben des BMVg die Planung,  die Beschaffung, die Lieferung und schließlich die Nutzung nicht als aneinander gekettet, sondern  innovativ als vernetzt verstanden werden, können erstaunliche Potenziale gehoben werden. Nicht zuletzt,  um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. In den vergangenen bei den Jahren sind die verausgabten  Haushaltsmittel im Verhältnis zur Personalstärke bereits überproportional gesteigert worden. Aber  abnehmende Personalkapazitäten sind und bleiben eine Herausforderung für die ganze Bundeswehr.

Dennoch haben wir im letzten Jahr fast 100 der 25-Millionen-Euro-Vorlagen in den Haushaltsausschuss des Bundestages eingebracht, die auch gebilligt wurden. Insgesamt haben wir über 12.000  Beschaffungsverträge abgeschlossen. Damit haben wir 2024 nahezu 60 Mrd. Euro in rüstungsinvestiven  Maßnahmen verausgabt. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber noch nicht am Ziel: Die materielle  Einsatzbereitschaft der Streitkräfte ist dann erreicht, wenn die Systeme tatsächlich in Nutzung sind. Aber  damit hört unsere Verantwortung nicht auf. Nicht umsonst trägt das BAAINBw die Nutzung im Namen.  Zusammen mit den Auftragnehmern und den zukünftigen Nutzern sind noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Da werden wir das gegenwärtige Momentum nutzen, das steht fest.

Ein entscheidender Punkt muss noch angesprochen werden: Knappe Kassen. Jahrelange  Unterfinanzierung führt zu erheblichen Folgekosten, wenn die Ausrüstung dann plötzlich und schnell  wieder beschafft werden muss. Eine ausreichende kontinuierliche Finanzierung ist dringend geboten, um  verlässliche Abnahmemengen beschaffen zu können, um Investitionen zu ermöglichen – vor allem aber,  um die materielle Einsatzbereitschaft nachhaltig zu verbessern. Innovative militärische Beschaffung basiert wesentlich auf Planbarkeit in Strukturen und Finanzen, um ihre Wirkung auch in naher Zukunft voll  entfalten zu können.

Perspektiven der innovativen Beschaffung aus Sicht des BAAINBw

Am Ende braucht es vier wesentliche Faktoren für die innovative Beschaffung, die auch die Kernpunkte  einer erfolgreichen Zeitenwende hin zur Kriegstüchtigkeit sind:

  • nachhaltige und politische gesicherte finanzielle Mittel und entsprechendes Personal,
  • klarer politischer Wille,
  • die Fokussierung auf notwendige und realistische Forderungen in den einzelnen Projekten und
  • nicht zuletzt die Entscheidungsbereitschaft auf der zuständigen verantwortlichen Ebene.

Artikel aus dem Handelsblatt Journal Sicherheit und Verteidigung vom 04.02.2025

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