Bedingt wachstumsbereit

Was die Rüstungsindustrie von anderen lernen kann

Das „Wachstumsproblem“ der Verteidigungsindustrie hätten andere Branchen gerne, die sich derzeit in eher schwierigem Fahrwasser befinden. Warum also nicht von anderen lernen? Beispielsweise von der Elektronik- oder Automobilindustrie, deren Produkte mit denen der Rüstungsunternehmen ja nicht nur auf den ersten Blick viel gemeinsam haben.

Stehen die Produkte insbesondere der deutschen Rüstungsindustrie heute geradezu exemplarisch für den Hightech-Standort Deutschland, gibt es bei der Digitalisierung der oft in einem Manufaktur-Ansatz produzierenden Unternehmen noch Luft nach oben. Datenaustausch mit Lieferanten findet vielerorts auf dem Papier statt, der Automatisierungsgrad in der Produktion ist im Vergleich zu verwandten Branchen sehr niedrig, Wartung und Instandsetzung sind durch reichlich Systembrüche geprägt, und auch hinsichtlich der unternehmensinternen Prozesse wie Buchhaltung oder Personal läuft vieles noch immer papierbasiert beziehungsweise mit hohen manuellen Anteilen und enorm viel Personaleinsatz ab.

Für alle diese oben genannten Bereiche gibt es innovative Beispiele, die aufzeigen, wie Unternehmen aus der Automobil- und Elektronikindustrie oder dem Maschinenbau zu höherer Produktivität, größerer Effizienz und gesteigerter Profitabilität kommen. Dabei lohnt es sich, den Blick auf alle Ebenen der Unternehmen zu richten: Von der Organisation und den Prozessen über unterstützende Systeme und Technologien bis hin zu den Modellen der Zusammenarbeit innerhalb der Industrie und über deren Grenzen hinaus. Und vielleicht mag es in Zeiten eines Booms ein wenig seltsam anmuten, von Effizienz und Profitabilität zu sprechen; doch erste Stimmen aus Politik und Gesellschaft mahnen trotz der vielen zur Verfügung stehenden Investitionsmittel ja gerade auch das schon an.

Daten sorgen für Transparenz

Die Lieferketten der Rüstungsindustrie mögen heute bei weitem nicht so komplex wie die der Automobilindustrie sein. Doch im Rahmen einer stark wachsenden Produktion wird es auf eine höhere Schlagzahl beim Austausch von Daten mit immer mehr Lieferanten ankommen. Das muss elektronisch geschehen und erfordert daher die Identifikation relevanter Daten und deren Quellen, die Bearbeitung, Kombination und Analyse dieser Daten und mithin die Anbindung von Systemen auch über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinweg.

Auch der Weg von der Entwicklung beziehungsweise der Modifikation oder Anpassung von Produkten in die Produktion kann mit Hilfe von Daten verkürzt werden: Digitale Zwillinge helfen dabei – und sie helfen auch bei der späteren besseren Wartbarkeit und Einsatzfähigkeit. Das in den Unternehmensdaten „gespeicherte“ Wissen wird beides sein: Treiber von Innovation und Hilfe bei der Steigerung der Effizienz.

Schließlich spielen Daten bei allen unterstützenden Prozessen im Unternehmen eine tragende Rolle, von der Auftragsbearbeitung bis hin zum Personalwesen, wo zum Beispiel mit Hilfe eines höheren Digitalisierungsgrades Mitarbeitenden schneller geholfen werden kann oder neue Mitarbeitende zielgerichtet und schneller eingestellt werden können.

Plattformen ermöglichen Skalierung

Von den Daten ergibt sich ein nächster logischer Schritt zu Plattformen. Plattformen, die innerhalb des Unternehmens helfen, diese Daten auszutauschen und in anderen Bereichen nutzbar zu machen, in denen sie entstanden sind. Dabei können erhebliche Gewinne an Innovationskraft, Produktivität oder Effizienz entstehen. Die schon erwähnten Digitalen Zwillinge helfen, Produkte noch besser über ihren gesamten Lebenszyklus zu verstehen und zum Beispiel durch Rückmeldung aus dem „Feld“ hinsichtlich ihrer Einsatzfähigkeit zu verbessern.

Plattformen können ebenso helfen, neue Technologien wie Künstliche Intelligenz unternehmensweit einzuführen und sind dabei auf Kollaboration, Wiederverwendbarkeit von Ideen und Assets und Beschleunigung von Entwicklungs- und Produktionszyklen angelegt – und sie helfen dabei, sicherzustellen, dass diese Technologien im Einklang mit Gesetzen, Vorschriften und Regularien genutzt werden und eigenes Knowhow geschützt wird.

Kollaboration macht Tempo

In einem letzten Schritt sind Plattformen der entscheidende Treiber für eine verbesserte Kollaboration. Damit ist nicht nur die Zusammenarbeit im Unternehmen, also das kreative Aufbrechen von Silos gemeint. Vieles auf dem Weg zu höherer Produktivität und exponentiellem Wachstum wird für die Rüstungsindustrie davon abhängen, wie gut sie über Unternehmensgrenzen hinweg zusammenarbeiten kann, sei es in Projekten oder Programmen, sei es mit branchenfremden Playern, die ihre eigene Innovationskraft einbringen können, oder in Bezug auf die Integration von Zulieferern auf der einen und Kunden auf der anderen Seite.

Starre Rollendefinitionen oder gar das Abschotten helfen dabei nicht, vielmehr müssen – kontrolliert und unter festgelegten Rahmenbedingungen – in Zukunft weit mehr Daten als bisher über die Grenzen des eigenen Bereichs oder Unternehmens hinaus ausgetauscht werden. Hybrid-Cloud-Technologien, Daten- und KI-Plattformen aber auch prozessspezifische Anwendungen, die gemeinsam in einem Ecosystem genutzt werden, schaffen die nötigen Grundlagen für eine neue Dimension der Zusammenarbeit.

Hier entsteht das Bild einer agilen, voll digitalisierten Rüstungsindustrie, die den Fokus Hightech nicht nur in ihren Produkten, sondern im gesamten Unternehmen lebt. Daten, Plattformen und eine beschleunigende Kollaboration unterstützen dabei, exponentielles Wachstum trotz der derzeitigen Beschränkung vieler Ressourcen zu erreichen.