Aktuelles zum Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter

1. Zuflussfiktion bei beherrschendem Gesellschafter mit Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts.

Der inländische Gesellschafter, der an einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts beteiligt ist, ist mit einer aus dieser Gesellschaft resultierenden Dividende nach §§ 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig. Auch die DBA weisen das Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Wohnsitzstaat des Gesellschafters zu.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen im Privatvermögen innerhalb des Kalenderjahrs bezogen, indem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen grundsätzlich dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.

Hiervon macht die ständige Rechtsprechung des BFH eine Ausnahme bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft, wenn es um Forderungen des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft geht. Bei diesen wird angenommen, dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen können und ihnen damit entsprechende Einnahmen zugeflossen sind. Gerechtfertigt wird dies damit, dass es der beherrschende Gesellschafter in der Hand habe, solche Beträge stehen oder sich auszahlen zu lassen. Auch bei Vereinbarung späterer Auszahlungszeitpunkte habe es der beherrschende Gesellschafter in der Hand, auch wenn er nicht selbst Geschäftsführer ist, den Geschäftsführer entsprechend anzuweisen.¹

Nach Auffassung des FG Münster2 greift die Fiktion des Zuflusses beim beherrschenden Gesellschafter mit Fälligkeit der Forderung auch für den Auszahlungsanspruch auf Auszahlung einer Dividende aus einer ausländischen Kapitalgesellschaft.

Wenn wie im deutschen Gesellschaftsrecht der Dividendenanspruch des Gesellschafters der ausländischen Kapitalgesellschaft durch den entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung entsteht, bedarf es auch keiner expliziten Bestimmung eines Fälligkeitszeitpunkts. Ab Beschlussfassung habe es der beherrschende Gesellschafter in der Hand, für die Auszahlung des Anspruchs zu sorgen.3

2. Zuflussfiktion bei sog. gespaltener Gewinnausschüttung4

Beispiel: A ist Alleingesellschafter der A-GmbH. Er stellt den Gewinn für 2019 fest. Von diesem Gewinn i.H.v. 100.000 € werden 50.000 € an ihn ausgezahlt und 50.000 € in eine personenbezogene Gewinnrücklage eingestellt. Aus dieser kann nur ausgeschüttet werden, wenn ein Mehrheitsbeschluss gefasst wird, die Rücklage aufzulösen und auszukehren.

Mit Ablauf des Geschäftsjahrs einer GmbH entsteht gem. § 29 GmbHG ein mitgliedschaftlicher Anspruch auf Feststellung des Jahresabschlusses und Auffassung eines Gewinnverwendungsbeschlusses.

Im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses wird über die Höhe der Thesaurierung und über die Höhe der Ausschüttung entschieden.

Sobald über die Verwendung des Gewinns entschieden wurde, muss in einem weiteren Schritt geklärt werden, in welchem Verhältnis der ausschüttungsfähige Gewinn an die einzelnen Gesellschafter verteilt werden soll. Mit dem Gewinnverwendungsbeschluss und der Aufteilung auf die Gesellschafter entsteht der Auszahlungsanspruch auf die auszuschüttende Dividende.⁵

Im Fall der sog. gespaltenen Ausschüttung wird in einem ersten Schritt über die Höhe des ausschüttbaren Gewinns und die Einstellung in die allgemeinen Gewinnrücklagen beschlossen. In einem zweiten Schritt erfolgt die Entscheidung, dass einzelne Gesellschafter nicht unmittelbar den ihnen zugewiesenen Gewinnanteil als Ausschüttung erhalten, sondern eine Einstellung in ausschließlich gesellschafterbezogene eigene Rücklagen erfolgt, also ihre Ausschüttung in die Zukunft verlagert wird. In dieser Konstellation haben wir vier Entscheidungen:

  • Feststellung des Jahresabschlusses
  • Entscheidung über die Höhe des ausschüttbaren Gewinns und die Einstellung in die allgemeinen Gewinnrücklagen,
  • Entscheidung über den Verteilungsmaßstab des auszuschüttenden Gewinns auf die Gesellschafter,
  • Entscheidung, dass einzelne Gesellschafter nicht unmittelbar den ihnen insgesamt zugewiesenen Gewinnanteil als Ausschüttung erhalten, sondern eine Einstellung in ausschließlich gesellschafterbezogene eigene Rücklagen erfolgt.

Steuerlich ist nach der Auffassung des FG Niedersachsen in der Zuweisung des ausschüttbaren Gewinnanteils in die personenbezogene Rücklage eine Verfügung auch über diesen Gewinnanteil zu sehen.

Damit ist von einem Zufluss sowohl des ausgezahlten Gewinnanteils als auch des in die personenbezogene Rücklage eingestellten Gewinnanteils, jedenfalls bei beherrschenden Gesellschaftern, auszugehen. Der beherrschende Gesellschafter verfügt, da die Zuweisung des ausschüttbaren Gewinnanteils in die personenbezogene Rücklage nicht ohne seine Zustimmung erfolgen kann.

Darüber hinaus kann der Mehrheitsgesellschafter jederzeit die Auszahlung aus der personenbezogenen Rücklage herbeiführen. Damit ist nach Auffassung des FG Niedersachsen auch insoweit ein Zufluss i.S.v. § 11 EStG gegeben.

3. Zufluss der Gewinntantieme bei verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses

Das FG Rheinland-Pfalz hatte mit Entscheidung vom 24.8.20176 zum Zufluss der Gewinntantieme bei beherrschenden Gesellschaftern sowie zur Berechnung der Bemessungsgrundlage entschieden.

Vereinfachter Sachverhalt: A und B sind aufgrund gleichgerichteter Interessen bei der A-GmbH als beherrschende Gesellschafter- Geschäftsführer zu qualifizieren. Im Geschäftsführervertrag ist eine Gewinntantieme vereinbart. Durch Auslegung kommt das FG Rheinland-Pfalz zu dem Ergebnis, dass als Bemessungsgrundlage der Gewinn nach Berücksichtigung von Verlustvorträgen maßgeblich ist. In den Geschäftsführerverträgen ist die Fälligkeit mit einem Monat nach Feststellung der Bilanz vereinbart. Die Bilanz für das Jahr 2008 wird im Dezember 2009 festgestellt.

Aufgrund der Feststellung der Bilanz für das Jahr 2008 im Dezember 2009 und der Regelung in den Geschäftsführerverträgen ist davon auszugehen, dass zivilrechtlich eine Fälligkeit der Gewinntantiemen erst im Januar 2010 gegeben ist.

Vor dem Hintergrund der beherrschenden Stellung von A und B kommt das FG Rheinland- Pfalz allerdings zu dem Ergebnis, dass die Fälligkeit der Gewinntantiemen von A und B im Veranlagungszeitraum 2009 zu fingieren ist:

  • Zunächst knüpft das FG Rheinland-Pfalz an die ständige Rechtsprechung des BFH an, wonach der Zufluss der Tantieme bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern nicht die tatsächliche Verschaffung der Verfügungsmacht voraussetzt, sondern mit der Fälligkeit fingiert wird. Die Begründung liegt darin, dass der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer es in der Hand hat, sich fällige Beträge jederzeit auszahlen zu lassen und damit den Zeitpunkt der Erlangung der Verfügungsmacht selbst steuern kann.
  • • Hieran anknüpfend fingiert das FG Rheinland- Pfalz nicht nur die Auszahlung, sondern auch die Fälligkeit der Gewinntantieme. Das FG Rheinland-Pfalz stellt zunächst fest, dass die Frist des § 42a Abs. 2 Satz 1 GmbHG zur Feststellung der Bilanz nicht eingehalten wurde. Hätte die Gesellschaft ihre gesetzliche Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt, wären die Gewinntantiemen im VZ 2009 fällig geworden. Die willkürliche Nichteinhaltung der Frist hatten die beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer A und B in der Hand.
  • Damit hatten sie es in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt zu verlagern. Daraus wiederum folgt die Verlagerung der Zuflussfiktion. Aus der BFH-Rechtsprechung folgert das FG Rheinland-Pfalz sodann, dass diese Möglichkeit der zeitlichen Verlagerung den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern gerade nicht zustehen soll. In Konsequenz dessen wird nicht nur der Zufluss, sondern auch die rechtzeitige Feststellung der Bilanz und damit die Fälligkeit der Gewinntantiemen im Veranlagungszeitraum 2009 fingiert. Dies soll, so das FG, jedenfalls dann möglich sein, wenn die Höhe der Gewinntantiemen aus der Buchhaltung für das Geschäftsjahr 2008 hervorgehen.

Zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Gewinntantieme bei Verlusten führt das FG Rheinland-Pfalz aus:

  • Nach der BFH-Rechtsprechung sind Verlustvorträge grundsätzlich von der Bemessungsgrundlage einer Gewinntantieme abzuziehen. Dies soll jedenfalls dann der Fall sein, wenn der tantiemeberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer für den Verlust verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich ist.
  • Erfolgt die Verlustvortragsberücksichtigung nicht, ist iHd. Differenz der Gewinntantieme ohne Berücksichtigung des Verlustvortrags und der Gewinntantieme mit Berücksichtigung des Verlustvortrags eine vGA gegeben.
  • Die Berücksichtigung eines Verlustrücktrags kommt für das FG Rheinland-Pfalz nur in Betracht, wenn dies im Geschäftsführervertrag ausdrücklich vereinbart ist. Ist es vereinbart, qualifiziert das FG Rheinland- Pfalz eine solche Regelung nicht als unüblich. Im entschiedenen Fall geht es allerdings davon aus, dass eine entsprechende Vereinbarung nicht getroffen wurde.

Nach Auffassung des BFH kommt eine Vorverlagerung der Fälligkeit und damit des Zuflusses auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung der Bilanz eingetreten wäre, nicht in Betracht. Erst die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung als des hierzu berufenen Organs führt zu seiner Verbindlichkeit. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Jahresabschluss rechtlich ein Nullum. Ein noch nicht existenter Jahresabschluss kann keine Grundlage für etwaige Ansprüche eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft sein. Eine Fiktion der Fälligkeit kommt nach Auffassung des BFH demnach nicht in Betracht.⁷

4. Ergebnis

Nach der Rechtsprechung treten die Besteuerungskonsequenzen bei Vergütungen der GmbH auf der Ebene des beherrschenden Gesellschafters u.U. früher ein als der Liquiditätszufluss und zwar im Zeitpunkt der Entstehung des Auszahlungsanspruchs. Hierauf sollten Geschäftsführer und beherrschender Gesellschafter achten, damit es nicht zu ungewollten Überraschungen kommt.

1 Vgl. nur BFH vom 2.12.2014 — VIII R 2/12, BStBl. II 2015, 333, DStR 2015, 402; vom 14.2.1984 — VIII R 221/80, BStBl. II 1984, 480, jeweils mvN.
2 FG Münster vom 17.1.2020 — 4 K 1526/16 E, EFG 2020, 525.
3 So das FG Münster vom 17.1.2020 — 4 K 1526/16 E, EFG 2020, 525 für eine Beteiligung an einer polnischen Sp.z o.o.; vgl. auch das FG Baden-Württemberg für die Beteiligung an einer kroatischen Kapitalgesellschaft: FG Baden Württemberg vom 23.7.2019 — 8 K 1194/15, EFG 2020, 1513; Az.-BFH: VIII R 32/19.
4 FG Niedersachsen vom 4.7.2019 — 10 K 181/17, DStRE 2019, 1445; Az.-BFH: VIII R 25/19.
5 Vgl. nur BGH vom 14.9.1989 — II ZR 172/97, DStR 1998, 1688.
6 FG Rheinland-Pfalz vom 24.8.2017 — 6 K 1418/14, EFG 2018, 32; aufgehoben durch BFH vom 28.4.2020 VI R 44/17, DStR 2020, 1902.
7 BFH vom 28.4.2020 — VI R 44/17, DSTR 2020, 1902.