Nun will der Konzern massiv in die Vermarktung investieren. „In den nächsten drei bis sechs Monaten werden wir eine bundesweite Kampagne fahren“, kündigte Digitalchef Rolf Schumann im Gespräch mit dem Handelsblatt an. Die Kosten dürften sich auf mehrere Millionen Euro belaufen – genaue Zahlen nennt das für seine Verschwiegenheit bekannte Familienunternehmen nicht.
Die Schwarz-Gruppe sieht trotz der Dominanz amerikanischer Cloud-Anbieter im Markt für IT-Infrastruktur aus der Cloud eine Chance: Viele kleine und mittelständische Unternehmen fürchten Abhängigkeiten. „Wir wollen unsere technische Souveränität sicherstellen“, sagt Schumann. „Es gibt viele Unternehmen, die die gleichen Bedürfnisse haben.“
An der Technologie arbeitet die Schwarz-Gruppe schon seit Jahren: 2018 entschied sich das Familienunternehmen, eine eigene Cloud-Plattform zu entwickeln – mit Zustimmung des Eigentümers Dieter Schwarz. Das Kerngeschäft mit dem Handel sei ohne die Digitalisierung nicht mehr zu denken, sagt Christian Müller, der als Chief Information Officer (CIO) die IT-Abteilung mit 4000 Mitarbeitern leitet.
„Wir wollen unabhängig sein und das Know-how intern haben“, sagt Müller. Dabei gehe es nicht nur darum, die Datenverarbeitung zu kontrollieren, sondern auch die Technologie. Das sei nicht möglich, wenn man ausschließlich die großen Cloud-Dienste nutze.
Onlineshop von Lidl läuft in der eigenen Cloud
Seit Anfang Dezember ist Gerd Chrzanowski Komplementär der Gruppe und hat damit die oberste Leitungsposition im Unternehmen inne. „Wir haben die Freiheit und das Vertrauen von Gerd Chrzanowski bekommen, an neuen Themen zu arbeiten“, sagt IT-Chef Müller. „Wir mussten uns das Vertrauen für die Digitalisierung erarbeiten, und zwar anhand von Zahlen. Jetzt haben wir eine Freiheit, die ich von Dax-Konzernen so nicht kenne“, sekundiert Schumann, der viele Jahre bei SAP tätig war.
Den Onlineshop von Lidl hat die Schwarz-Gruppe innerhalb der letzten 18 Monate von verschiedenen Systemen vollständig auf die eigene Cloud-Plattform umgestellt, inklusive dem eigenen Bezahlsystem Lidl Pay. Auch der Onlinemarktplatz von Kaufland und die Kundenkartensysteme mit einer dreistelligen Millionenzahl von Mitgliedern nutzen die Technologie. Als technische Grundlage dient die herstellerneutrale und offene Software OpenStack – Unternehmen können diese nach dem Open-Source-Prinzip frei nutzen und modifizieren. Sie enthält Komponenten wie Rechenleistung, Speicherplatz und Netzwerkmanagement, außerdem Services wie einen Identitätsdienst, virtuelle Maschinen oder eine Umgebung für die Softwareentwicklung.
„Hidden Champions wollen ihr Geheimrezept schützen“
„Wir treten nicht gegen die Hyperscaler an“, betont Digitalchef Schumann. Bei den Konzernen komme man allenfalls für einzelne Szenarien infrage, als Ergänzung zu den bestehenden Installationen. Die Schwarz-Gruppe sieht jedoch bei kleinen und mittleren Unternehmen eine Nische. „Viele Mittelständler haben mit der digitalen Transformation später angefangen und stellen sich jetzt dieselben Fragen zur digitalen Souveränität, die wir uns selbst gestellt haben“, sagt Schumann. „Die meisten Hidden Champions haben ein Geheimrezept, das sie schützen wollen.“
STACKIT soll den wichtigsten Teil des Bedarfs abdecken, und das mit großer Zuverlässigkeit. „Alle Services, die wir entwickeln, nutzen wir als Großunternehmen selbst – wir haben schon sehr viel“, betont IT-Chef Müller. Wenn es einen Service nicht gebe, empfehle man den Kunden eine Multi-Cloud-Strategie.
„Wenn die Schwarz-Gruppe etwas macht, dann richtig“
Experten sehen Potenzial. „Der Markt ist so groß, dass er auch kleinen Anbietern Möglichkeiten bietet, schnell zu wachsen“, sagt Karsten Leclerque, Analyst beim Marktforscher PAC. Gerade im Mittelstand gebe es Chancen für europäische Anbieter, die die Daten in der EU verarbeiten: „Der Umgang mit der Cloud ist juristisch komplex, kleinere Unternehmen gehen daher vielleicht den einfachen Weg.“ Der Standort allein reiche indes nicht aus, es brauche neben wettbewerbsfähiger Technik einen guten Service.
Die Schwarz-Gruppe glaubt an ihre Chance. Ziele für den Umsatz oder Marktanteil nennt das Unternehmen allerdings nicht. Es handle sich aber um eine wichtige Initiative, betont Digitalchef Schumann: „Wenn die Schwarz-Gruppe etwas macht, dann macht sie es richtig.“ Der interne Einsatz habe bereits gezeigt, dass man das Produkt wirtschaftlich entwickeln könne – „deswegen gehen wir damit jetzt an den Markt“.