Venture Client UnitVon externen Technologieführern strategisch profitieren

Jedes Jahr geben mehr als 250.000 öffentliche Einrichtungen in der Europäischen Union rund zwei Billionen Dollar für den Einkauf von Dienstleistungen und Produkten aus – das entspricht 14 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts. Hinter diesen Dienstleistungen steht der weltweit größte Technologiemarkt mit mehr als 1.000 marktfähigen digitalen Lösungen für die öffentliche Verwaltung: der GovTech-Markt. Bislang bleibt der Großteil dieses Innovationspotenzials jedoch ungenutzt – sowohl in der öffentlichen Verwaltung als auch bei Unternehmen –, weil 61 Prozent der Behördenmitarbeitenden in der Beschaffung eine der größten Herausforderungen sehen und immer noch 69 Prozent der Unternehmen nur auf das eigene Innovationspotenzial ihrer Mitarbeitenden setzen. Genau hier liegt das Problem.

Darius Selke, Senior Management Consultant, Sopra Steria Next

In den nächsten fünf Jahren wird die traditionelle Forschung und Entwicklung als interne Innovationsquelle von Unternehmen drastisch an Bedeutung verlieren, weil sich die Spielregeln des Wettbewerbs signifikant verändert haben: von einem vorhersehbaren Spiel mit klar umrissenen Spielerprofilen zu einem dynamischen Match verschwimmender Grenzen, in dem es nicht ausreicht, einfach nur für den Moment als „innovatives Unternehmen“ gerankt zu werden – die Nokias, Scherings, Mannesmanns und Nixdorfs wissen das.

Und alle anderen Verbliebenen sind gut beraten, nicht auch auf die altbewährten Wettbewerbsstrategien und traditionellen Spielbücher für Innovation zu setzen. Denn bis 2025 werden ganz andere Player knapp die Hälfte des Innovationspotenzials der heutigen Unternehmen dominieren: Start-ups und Innovation-Labs. Diese verfügen über ein blühendes Ökosystem, das Partnerschaften bietet – mit jeder Menge Energie und Dynamik. Genau dieses Innovationsklima brauchen Unternehmen, und genau das braucht die öffentliche Verwaltung, um Europa als Technologiestandort nachhaltig zu stärken – und um die Marktposition gegenüber potenziellen Neueinsteigern und Wettbewerbern dauerhaft zu verteidigen, wenn man die Perspektive der Unternehmen betrachtet.

Venture Client Unit gewinnt strategisch an Bedeutung

Um strategisch von Top-Start-ups zu profitieren, kann man seit dem Aufkommen populärer Venture-Capital-Modelle auch bei etablierten Organisationen eine deutliche Übernahme von Corporate-Venture-Ansätzen durch den Aufbau einer Venture Client Unit (VCLU) erkennen. Die VCLU ist als interne Einheit innerhalb der Gesamtorganisation angesiedelt. Die Ziele sind, einerseits die Innovationsaktivitäten bereichsübergreifend zu koordinieren und andererseits potenzielle Synergieeffekte zwischen internen Organisationsbereichen und externen Innovationsquellen zusammenzubringen – und das ohne Kapitalbeteiligung.

Die Venture Client Unit setzt genau dort an, wo ein Großteil der heutigen öffentlichen und privaten Organisationen Aufholbedarf haben – im Innovationsmanagement und in der Ökosystem-Entwicklung. Denn in jeder Organisation bleiben bis zu 80 Prozent der vorliegenden Prototypen und Blueprints ungenutzt, weil 30 Prozent der Mitarbeitenden gar nicht wissen, dass es sie gibt. 65 Prozent der verfügbaren Lösungen brauchen zudem zu lange bis zum Rollout.

Die Venture Client Unit stellt 100 Prozent der verfügbaren Lösungen zur Verfügung

Mit einer Venture Client Unit können damit 100 Prozent der verfügbaren Lösungen auch zu 100 Prozent zur Verfügung gestellt werden. Die VCLU übernimmt den gesamten Prozess, von der Identifikation bis zur Übernahme der passendsten Lösung – und das ganzheitlich (Ende zu Ende) durch eine kontinuierliche Identifikation und Bewertung externer Lösungsanbieter. Damit entsteht ein potenzieller Business Impact in Form von Kosteneinsparungen in Höhe von drei Millionen Euro pro Jahr, zeigen Modellrechnungen. 30 Prozent der Entwicklungskosten neuer Lösungen lassen sich durch bereits vorliegende externe Innovationsquellen einsparen. Zudem reduziert sich auch die Zeit der Produktentwicklung von der Anfrage bis zum Rollout um 70 Prozent.

Externe Innovationsquellen fungieren als strategische Frühwarnsysteme

Dass die Modellrechnung aufgehen kann, zeigt die Praxis in der Privatwirtschaft. BMW, der italienische Energiekonzern Enel, die spanische Telefónica und der deutsche Versicherer Signal Iduna setzen alle auf das Venture-Client-Modell. Sicher auch, um ihre strategische Position zu schützen, denn externe Innovationsquellen fungieren immer auch als wertvolle Frühwarnsysteme – zum Beispiel bei kurzfristigen Marktveränderungen durch neue Technologien in zentralen Kernmärkten. Venture-Kooperationen ermöglichen somit nicht nur einen frühzeitigen Zugang zu neuen Technologien, sondern erlauben auch strategische Einblicke in neue Märkte und Kundengruppen – mit Time-to-Market-Vorteilen, die sicher nicht im Silo-Denken von Großunternehmen entstehen.

Sowohl öffentliche als auch privatwirtschaftliche Organisationen können von Spitzentechnologie profitieren

Abgesehen von den privatwirtschaftlichen Unternehmen hätte eine strategische Fokussierung der öffentlichen Beschaffung auf externe Innovationsquellen auch ganz implizite Vorteile für die Modernisierung und Digitalisierung von Staat und Verwaltung. Wenn öffentliche Einrichtungen in externe Innovationsquellen investieren, erhalten sie nämlich dafür auch eine ganz konkrete Gegenleistung: Spitzentechnologie, garantiert aktuell, mit hohen Integrationsraten und geringen Fixkosten. So entsteht ein Innovations-Ökosystem, das es dem Public Sector erlaubt, wirklich innovativ zu sein und zu bleiben.

Beiden – sowohl öffentlichen als auch privatwirtschaftlichen Organisationen – gelingt das aber nur, wenn sie ihre Innovationskraft wirklich in die richtige Richtung lenken und endlich anfangen, von Technologieführern zu profitieren, die sie direkt umgeben.

Hintergrundinformationen zum Thema