Segel setzen – Aufbruch in Richtung Unternehmen der Zukunft

Wir wissen nicht viel über die Zukunft, aber eines wissen wir mit Sicherheit: So einfach wie heute wird wirtschaftliches Handeln in absehbarer Zeit nicht wieder. Immer mehr Menschen auf diesem Planeten benötigen Lebensgrundlagen und Perspektiven, die Lösung von Klima- und Umweltkrise rücken in weite Ferne, die Sitten auf dem geostrategischen Parkett verrohen zusehends.

Komplexität und Kompliziertheit sind ständige Begleiter. Märkte, Wettbewerb und Kundenbedürfnisse unterliegen einem turbulenten und permanenten Wandel, der den Unternehmen neue Denk- und Handlungsweisen abverlangt.

Den Wind können wir nicht ändern, um den griechischen Philosophen und Universalgelehrten Aristoteles zu zitieren, aber wir können die Segel anders setzen. Es ist an der Zeit, die alten Zöpfe abzuschneiden und den Muff des 20. Jahrhunderts aus den Organisationen zu pusten. Hierarchie und Status, lineares Denken und starre Strategiezyklen, eindimensionale Gewinnorientierung und das Streben nach dem kurzfristigen Erfolg gehören in die Mottenkiste der Betriebswirtschaft. Unternehmen werden ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht langfristig sichern, indem sie sich inkrementell einer Stellschraube nach der anderen widmen. Sie müssen vielmehr gordische Knoten zerschlagen, oder wie der Nationalökonom Joseph Schumpeter vielleicht sagen würde: Es ist Zeit für eine kreative Zerstörung 2.0, die Produktionsfaktoren gehören einmal mehr ordentlich durchgeschüttelt.

Im besten Falle adressieren Unternehmen eine digitale und global vernetzte Wirtschaft, integrieren die ökologische und digitale Transformation zu einem synergetisch aufgeladenen Strategiewechsel und übernehmen umfassende Verantwortung für die Folgen ihrer Entscheidungen. Sozial- und Umweltkosten zu ignorieren und zu externalisieren, wird angesichts der Zeitklemme, in der sich die Menschheit mittlerweile bei ungebremsten CO2-Emissionen, sinkender Biodiversität, übermäßigem Ressourcenverbrauch und Hunger in der Welt befindet, nicht mehr möglich sein. Auch wenn es von den aktuellen Krisenphänomenen verdeckt wird, hat die Sensibilität der Verbraucher:innen in dieser Hinsicht während der Corona-Pandemie deutlich zugenommen.

Es ist Zeit für einen Aufbruch, in dem der Purpose und die Werte Leuchtturm und Kompass für alle Stakeholder sind und dem unternehmerischen Wirken den Rahmen setzen. Die eigene Unternehmensethik hilft angesichts von Wirtschaftskonflikten, Menschenrechtsdiskussionen und ausbleibenden Freihandelsabkommen, dem eigenen Handeln Struktur zu geben und die Entscheidungsautonomie zu sichern. Integer ist nicht, wer dem Drängen von Politik und Öffentlichkeit nachgibt, wie beispielsweise bei den Sanktionen gegen Russland, sondern wer seinen Werten treu bleibt und in seinem Wirkungskreis dafür sorgt, dass alles in Ordnung ist.

Strategisch betrachtet mag die Zukunft verschwommen erscheinen. Aber ganz blind gegenüber dem, was kommt, sind die Unternehmen dennoch nicht. Sie müssen lernen, die leisen Signale der Veränderung zu lesen, sie in Szenarien und „Big Pictures“ mit der Branchenentwicklung und Trendforschung zu verbinden und strategische Optionen zu erarbeiten. Permanent und mit einer „Superawareness“. Das ist der Unterschied zu klassischer Strategiearbeit, die als großer Wurf und umfassender Plan das gesamte Unternehmen auf Kurs bringen soll. Aber Unternehmen der Zukunft sind keine Tanker, sondern eher eine Flotte von schnellen und beweglichen Booten. Rollierende Strategien, kurze Zyklen der Neubewertung, Raum für strategische Initiativen zu Schlüsselthemen – so entstehen Tempo, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität.

Außerdem machen die Unternehmen damit den ersten Schritt zur Superkraft des 21. Jahrhunderts: Resilienz. Es wäre überaus wünschenswert, wenn Unternehmen nur im Ausnahmefall externe Schocks in ihren Märkten absorbieren müssen. Aber Fakt ist: Sie müssen jederzeit damit rechnen. Ob eine technologische Disruption – siehe KI – das Wettbewerbsgefüge erschüttert, Natur- oder Klimakatastrophen auf‘s Geschäft einwirken oder wieder weltpolitische Einschnitte drohen: Wohl dem, der sich auf seine Daten, Reporting-Systeme und die Instinkte seiner Mitarbeitenden verlassen kann. Denn es gilt, Organisation und Führung, Strukturen und Systeme so zu koordinieren, dass der Charakter einer Krise sofort erfasst und in Handlungsoptionen übersetzt werden kann.

Ohne ein motiviertes, engagiertes und selbstbewusstes Team ist daran überhaupt nicht zu denken. Kultur und Führung stehen deshalb im Zentrum des Change. Eigenverantwortung und Gemeinschaftssinn stärken, agile und flexible Arbeitsformen einführen, Incentives stärker an Werte und Persönlichkeitsentwicklung statt an Geld und geldwerte Goodies zu koppeln – das ist der Weg. Diversität in Belegschaft und Entscheidungsgremien und ein offenes Ohr für die Gen Z bereichern das Denken und erweitern den Optionsraum der Unternehmen. Den Schlüssel zum Erfolg halten Führungskräfte in der Hand, die sich als Coaches und Partner verstehen und der Belegschaft Entfaltungsmöglichkeiten schaffen. Sie sind willens und in der Lage, ihre Arbeit und sich selbst zu reflektieren und sich im Zweifel genauso schnell zu verändern, wie die Welt um sie herum.

Anders gesagt: Sie begeistern die Menschen dafür, die Segel anders zu setzen.

Dr. Thomas M. Fischer CEO – Allfoye Managementberatung GmbH

Über den Autor
Dr. Thomas M. Fischer ist Gründer & CEO der Allfoye Managementberatung, Mitglied in mehreren Aufsichtsräten (u.a. der Bauer Gruppe) sowie Company-Builder & Investor. Seine Expertise liegt auf dem Gebiet von Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsstrategien für den Mittelstand. Für seine Buch-Veröffentlichung „Einfach stark!“ hat er 25 Geschäftsführer:innen befragt und auf 135 Seiten die Faktoren beschrieben, welche diese Unternehmen besonders resilient machen.