Rückblick und Bewertung der KI-Entwicklung von 2024

Larissa Holzki rekapituliert, welche Erwartungen wir vor einem Jahr an die KI-Entwicklung in 2024 hatten und ob sie sich erfüllt haben. Wo lagen wir richtig? Welche Prognosen waren falsch? Und was hätten wir wirklich nicht erwartet?

 Check, check, check: Einige KI-Erwartungen haben sich 2024 erfüllt. (Optik: Michel Becker/Dall-E)

Anfang des Jahres wurden im KI-Briefing sieben Prognosen aufgestellt:

  • Kl-Modelle werden immer kleiner: Anfang des Jahres hegten viele KI-Fans bei jeder Produktvorstellung von OpenAI noch Hoffnungen auf GPT-5. Doch Gerüchte um das nächst-größere und -mächtigere KI-Modell aus dem Haus des ChatGPT-Entwicklers haben sich genauso wenig erhärtet wie Spekulationen auf die nächste Modell-Generation beim Facebookkonzern Meta. Stattdessen brachte OpenAI mit GPT-4o ein Modell heraus, das nicht nur Text, sondern auch Audio- und Bildeingaben verarbeiten kann und zudem deutlich schneller ist. Mehr Innovationen gab es bei kleineren Modellen: So hat etwa Microsoft Research das Sprachmodell Phi-4 vorgestellt, das nur 14 Milliarden Parameter hat, aber in einigen Bereichen die Leistungsfähigkeit von fünfmal so großen Modellen erreicht. Die Prognose war also richtig.
  • KI kommt auf Smartphones, Uhren und andere Gadgets: Zwar hat etwa Meta mit Llama 3.2 im September kleine und sogar winzige Versionen seines KI-Modells veröffentlicht, die direkt auf mobilen Endgeräten laufen können. Trotzdem ist die KI-Revolution auf dem Smartphone bisher nicht wirklich angekommen. Die größte Enttäuschung ist wohl Apple Intelligence: Die angekündigte iPhone-KI ist bislang nur auf den allerneuesten Geräten und mit begrenztem Funktionsumfang verfügbar. Die Prognose war also nur teilweise richtig.

 Die KI-Funktionen von Apple Intelligence: Bisher ist das Angebot enttäuschend. (Foto: dpa)

  • Generative KI zieht in die Industrie ein: Eines der größten Versprechen der KI-Revolution ist, dass sich selbst große Industrieanlagen künftig mit einfachen Sprachbefehlen steuern lassen. Der Anfang ist gemacht: So hat der Industriekonzern Siemens 2024 angefangen, seinen mit Microsoft entwickelten Industrial Copilot bei Kunden auszurollen. Damit lassen sich zum Beispiel Anlagen im Sondermaschinenbau einfach umprogrammieren. Noch mehr beeindruckt haben uns aber die Roboter des Start-ups Figure, die die Industrie nochmal auf ganz andere Art verändern könnten: Dank eines KI-Modells von OpenAI können sie nach dem Prinzip Vorbild und Nachahmung direkt von Menschen lernen. Die Prognose war also richtig, manches dauert aber länger als erwartet oder ist bisher vor allem Spielerei.
  • Unternehmen werden Menschen „wegen KI“ entlassen und ankündigen, Jobs zu automatisieren: Mit dieser Prognose lagen wir weder völlig falsch noch ganz richtig. Zutreffend ist, dass Unternehmen 2024 bereits Jobs automatisiert haben. Dabei handelte es sich aber nur selten um Tätigkeiten, die zuvor von festen Mitarbeitern erledigt wurden. Häufiger ging es häufiger um Aufgaben, die bisher outgesourct wurden. So kündigte das Fintech Klarna an, sein Callcenter künftig mit KI anstatt mit 700 Mitarbeitern des Dienstleisters Teleperformance zu betreiben. Zudem sagte Klarna-Chef Sebastian Semiatkowski kürzlich, er habe dank KI seit einem Jahr niemanden mehr einstellen müssen. Das passt zu einer umstrittenen Kampagne, mit der das Start-up Artisan in San Francisco für KI-Agenten wirbt: Auf Plakaten prangt etwa der Spruch: „Hören Sie auf, Menschen einzustellen“.

 KI klagt nicht über Work-Life-Balance: Plakat der umstrittenen Artisan-Kampagne (Foto: Getty Images via AFP)

  • Der Streit um urheberrechtlich geschützte Werke in KI-Trainingsdaten spitzt sich zu: Der Höhepunkt im Streit um geklaute Texte, Songs und Filmsequenzen war wohl im Mai erreicht. Da präsentierte OpenAI eine KI mit Sprachfunktion, die der Stimme von Scarlett Johansson „unheimlich“ ähnelte, wie nicht nur die Schauspielerin selbst befand. Die Ähnlichkeit war auch kein Zufall: Altman und sein Team hatten die Stimme bewusst als Anspielung auf den Kinofilm „Her“ gewählt, in dem sich der Protagonist in eine KI verliebt. In dem Science-Fiction-Drama hatte Johansson gut ein Jahrzehnt zuvor die Sprechrolle der KI übernommen. OpenAI behauptete zwar, die Stimme seiner KI sei nicht die von Johansson, sondern klinge nur ähnlich. Im Streit mit der Schauspielerin zog die Firma die Stimme schließlich aber dennoch zurück. In anderen Rechtstreitigkeiten mit Verlagen, Bildagenturen und Künstlervertretungen wie der Gema müssen noch Gerichte entscheiden. Zugleich ging OpenAI 2024 aber mit einigen Verlagen Kooperationen ein, um etwa deren Nachrichten für das Training von KI nutzen und in ein eigenes Newsangebot einbinden zu dürfen. Die Prognose war demnach nur teilweise richtig.
  • KI-Tools bekommen neue Preisschilder: Das kann man wohl so sagen. Kurz vor Jahresende hat OpenAI ein KI-Abo für 200 Dollar plus Steuern vorgestellt. Wer das Zehnfache des normalen Preises zahlt, kann damit unbegrenzt das intelligenteste KI-Modell des ChatGPT-Entwicklers nutzen. Der Wunsch nach einem Bezahlmodell, bei dem man nur für gute Ergebnisse zahlt, hat sich bisher allerdings nicht erfüllt. Die Prognose war also ebenfalls teilweise richtig.
  • Bei 70 Wahlen mit 4,2 Milliarden Wählern nehmen Probleme mit KI-Fakes zu: Nach allem, was bisher bekannt ist, hatten KI-generierte Fakes nur wenig Auswirkungen auf das Superwahljahr. Viel einflussreicher sind weiterhin Massen von Bots, die bestimmte politische Botschaften stärker verbreiten als andere. Zur Symbolfigur für Probleme mit KI-Fakes wurde Taylor Swift: Im Januar verbreiteten sich zunächst falsche Bilder der Sängerin auf der Plattform X, die vermeintlich Swift in pornografischen Posen zeigten. Im August teilte dann der künftige US-Präsident Donald Trump gefälschte Bilder der Sängerin, die deren Unterstützung für seinen Wahlkampf zeigen sollten. Swift gab später bekannt, für die demokratische Kandidatin Kamala Harris stimmen zu wollen. Dass Trump die Wahl schließlich gewann, dürfte aber nicht mit den Fakes der Sängerin zu tun gehabt haben. Die Prognose trat – zum Glück – nicht in dem Ausmaß ein wie erwartet.

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