Restrukturierung in Zeiten der Transformation

Wir befinden uns in bewegten Zeiten.

Artikel aus dem Handelsblatt Journal RESTRUKTURIERUNG vom 15.05.2025

Die Transformation wesentlicher Bereiche unserer Wirtschaft in Verbindung mit weiteren, exogenen Ereignissen (Stichworte: USZölle, geopolitische Spannungen zwischen den USA und China, etc.) stellen die deutsche Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Die Bewältigung dieser vielfältigen und komplexen Aufgaben ist womöglich vergleichbar mit der Situation der deutschen Wirtschaft nach der Wiedervereinigung. Nach einigen Jahren der Transformation könnte dabei im Erfolgsfall eine revitalisierte deutsche Wirtschaft stehen, im Negativfall allerdings ein zunehmend deindustrialisiertes Land.

Unternehmenskrisen gibt es immer. In Zeiten einer gutgehenden Wirtschaft sind es idiosynkratrische Ereignisse, in Zeiten des technologischen Wandels treten sie in fast systemischem Ausmaß auf. Bei guter wirtschaftlicher Entwicklung gelingt eine Unternehmensrestrukturierung begünstigt durch das gute Marktumfeld relativ leicht. In wirtschaftlich schlechten Zeiten in Verbindung mit transformatorischen Verwerfungen sind die Schwierigkeiten ungleich größer. Möglicherweise stehen Geschäftsmodelle als Ganzes im Risiko und sind daher deutlich stärker zu hinterfragen. Oftmals ist der ökonomische Kompass neu zu justieren.

Strategische Neuausrichtung in Krisenzeiten

Der finanzielle Handlungsspielraum vieler Unternehmen ist durch schwache operative Ergebnisse der letzten Jahre und eine bereits aus der Corona-Pandemie mitgebrachte hohe Verschuldung weitestgehend aufgezehrt. Transformatorische Veränderungen führen nun dazu, dass zu sanierende Unternehmen einzelne Geschäftsfelder oder gar ihr komplettes Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen müssen. Das Ergebnis einer solchen Analyse und die daraus zu ziehenden Konsequenzen müssen in eine strategische Neuausrichtung münden.

Mögliche Konsequenzen sind dabei neben einer reinen Verschlankung der Produktion auch die Aufgabe kompletter Geschäftsfelder, da deren Neuausrichtung und Fortführung die finanziellen Ressourcen des Unternehmens übersteigen könnten. Der „going concern“ auch des an sich überlebensfähigen Teils könnte ansonsten gefährdet sein. Die Ausgliederung und der Verkauf an einen neuen Eigentümer können die richtigen Lösungen sein. Sie schaffen für das Käuferunternehmen über eine komplementäre Erweiterung oder vertikale Vertiefung der bisherigen eigenen Aktivitäten hinaus Wachstums- und Skaleneffekte.

Nach Jahren der Transformation könnte im Erfolgsfall eine revitalisierte deutsche Wirtschaft stehen, im Negativfall allerdings ein zunehmend deindustrialisiertes Land.

Holger RabeltManaging Director, Commerzbank AG

Banken als Partner bei der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen

In einem solchen wie dem aktuellen wirtschaftlichen und politischen Umfeld können Banken eine fördernde Rolle bei der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen übernehmen. Zum einen können sie aufgrund ihrer gesamtwirtschaftlichen Expertise dabei helfen, Desinvestitionsentscheidungen zu unterstützen. Zum anderen bewirkt die Bereitstellung der erforderlichen Fremdmittel eine Stabilisierung der Passivseite einer Kundenbilanz in Zeiten einer transformatorischen Restrukturierung.

Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Restrukturierung in einem transformatorischen Umfeld ungleich schwieriger und langwieriger ist als bei konjunkturellem Rückenwind. Ein deutlich höheres Maß an Unsicherheit bezüglich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung verlangen eine höhere Risikobereitschaft auch unkonventionelle Maßnahmen, wie die Aufgabe von Geschäftsfeldern zu ergreifen. Der Weg der Transformation ist dennoch zu beschreiten, da ein „Weiter so“ den going concern nicht wird sichern können, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ausscheiden eines Unternehmens aus dem Wirtschaftsgeschehens zur Folge haben wird.

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Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „RESTRUKTURIERUNG“ erschienen. Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:
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