Weiß man dieser Tage nicht weiter, muss kein Gesprächskreis mehr gebildet werden, sondern man fragt ChatGPT. Die Antwort darauf, wie wir aus der Misere der Verwaltungsdigitalisierung herauskommen („Wie können wir die Verwaltungsdigitalisierung 2023 in Deutschland besser umsetzen?“), wird in Sekundenschnelle auf sieben Punkte heruntergebrochen:
- Erhöhung der Investitionen
- Erhöhung der digitalen Kompetenz der Mitarbeiter:innen
- Fokus auf die Nutzerfreundlichkeit
- Verbesserung der Datensicherheit
- Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft
- Schaffung eines einheitlichen Standards
- Entwicklung von Plattformen für die Zusammenarbeit
Dadurch, dass ChatGPT die Antwort so schnell ausspuckt, wird einmal mehr deutlich: Wir haben kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem! Vor allem die letzten zwei Punkte zu einheitlichen Standards und der Entwicklung von Plattformen für die Zusammenarbeit sind für eine gelungene Umsetzung von zentraler Bedeutung.
Viele Digitalisierungsverantwortliche und komplexe Umsetzungsstrukturen in Deutschland
Grafik: Nationaler Normenkontrollrat; Foto: Trutschel/photothek.de
Schluss mit dem Wirrwarr von Zuständigkeiten und komplexen Umsetzungsstrukturen Die vielen (Un)Zuständigkeiten und Parallelstrukturen werden auf dem links zu sehenden, berühmten „Wimmelbild“ des Nationalen Normenkontrollrates (NKR) deutlich, auf dem unzählige Digitalisierungsverantwortliche aller föderalen Ebenen und komplexe Umsetzungsstrukturen versucht werden darzustellen. Logisch und nachvollziehbar ist da kaum noch etwas – damit muss Schluss sein!
Wenn wir Digitalisierung Ende zu Ende denken und umsetzen wollen, können wir dies derzeit nicht, weil unterschiedliche Systeme und Schnittstellen im Föderalismus nicht kompatibel sind. Möchte man das Großprojekt Verwaltungsdigitalisierung managen, so lauten doch die ersten Fragen: Wer ist für was zuständig und verantwortlich? Wie geht das besser? Einige Strukturen unseres föderalen Systems stehen möglicherweise digitalen Strukturen entgegen. Müssen Kommunen z. B. eigene Dienste entwickeln und sich um deren kleinteilige Umsetzung kümmern? Für Aufgaben, bei denen sie gar keine Gestaltungsmöglichkeit haben? Oder sollte vielmehr der Bund dort stärker auftreten, wenn ein einheitliches Angebot allen Bürger:innen zu Gute käme? Ein Beispiel: Land auf Land ab beantragt man das gleiche Produkt „KFZ-Zulassung“ – aber mit x unterschiedlichen Servicekonten. Hier könnte doch der Bund eine einheitliche Lösung zur Verfügung stellen. Um diese Neuverteilung von Aufgaben anzugehen, die gemeinsamen Probleme zu lösen, braucht es einen echten Föderalismusdialog.
Und nicht nur hinsichtlich Digitalisierung per se würde ein solcher Dialog Sinn ergeben. Im ganzen öffentlichen Dienst fehlt das Personal, um staatliche Leistungen – egal ob digital beantragt oder noch auf Papier ausgefüllt – überhaupt umzusetzen. Wenn standardisierte Pflichtaufgaben der Kommunen zentraler verantwortet werden, würden Ressourcen frei für die wichtigen Aufgaben, die nur lokal erledigt werden können, zum Beispiel direkte Beratung und Ansprechbarkeit für die Anliegen und Nöte der Menschen.
Strukturen stärken – Verantwortlichkeiten bündeln
Den Knoten Föderalismus gilt es zu lockern, ganz auflösen wird man ihn nie können, es wird in einem föderalen System immer Gegensätze und Kompromisse geben, das ist Kern dieses Ansatzes und auch gut so. Wenn man aber hinter den Kabeln keinen Kern entdeckt, der den Überblick hat, der steuert und das System digitaler Verwaltungsdienstleistungen am Laufen hält, wird das Problem größer. Digital fortschrittlichere EU-Nachbarländer haben einen solchen Kern – eine Digitalagentur als Umsetzungsinstitution für die Verwaltungsdigitalisierung. Eine prädestinierte Kandidatin hätten wir eigentlich schon – die Föderale IT-Kooperation von Bund und Ländern, die FITKO.
Diese Struktur gilt es umfassend und mit großem politischem Willen zu stärken, mit mehr Kompetenz, mehr Verantwortung und mehr Budget auszustatten. Nur so kann sie sich im föderalen Gefüge durchsetzen, wichtige Digitalisierungsprojekte realisieren und tatsächlich als strategischer Knotenpunkt agieren. Der ITPlanungsrat muss sich auf seine Kernaufgabe konzentrieren, die strategische Planung. Das alltägliche Klein- Klein muss in der FITKO stattfinden. Um das zu erreichen, muss ein weiteres Umdenken stattfinden: Bei der Verwaltungsdigitalisierung handelt es sich primär nicht um technische Probleme, sondern vor allem um ein politisches Anliegen, dessen Relevanz für unsere Demokratie immer weiterwächst. Verlieren die Menschen in unserem Land gerade in der Digitalisierung den Glauben an die Handlungsfähigkeit des Staates, hat dies gravierende Auswirkungen auf unsere Demokratie.
Zuerst die Grundlagen
Mit klareren Verantwortlichkeiten und klareren Strukturen in der Akteurslandschaft kommen wir zum zweiten Riesenprojekt, einer besseren Standardisierung. Bisher galt der Ansatz „Einer-für-Alle”, kurz EfA: Ein Bundesland entwickelt eine digitale Verwaltungsleistung und alle anderen übernehmen sie dann. Was als Konzept gut klingt, scheitert leider viel zu oft an den unterschiedlichen Gegebenheiten und an der Geschwindigkeit unseres Digitalisierungszeitalters selbst. Vieles ist oft intermodular aufeinander aufgebaut, sprich um eine Leistung gut hinzubekommen, braucht es einige andere Bausteine, für die andere verantwortlich sind, und noch mehr Zeit, die verstreicht.
Verschiedenste Systeme, Datenbanken oder Vorgehensweisen machen es zudem schwer, einfach und schnell Anwendungen zu implementieren und zu betreiben. Dann baut jede:r doch wieder ein eigenes Programm, in der Hoffnung, das dann schneller zu haben. Oder es gibt eben weiterhin Papier. Viel besser wären einheitliche Standards hinsichtlich Schnittstellen, Daten und Bezahlfunktionen. Es geht um Basiskomponenten, die gemeinsam genutzt werden können, oder auf denen gemeinsam aufgebaut werden kann.
Um ein neues, funktionierendes System zu bauen, brauchen wir aber noch mehr einheitliche Grundlagen. Das bedeutet: einfach funktionierende Nutzer:innenkonten für Bürger:innen und Unternehmen, die flächendeckend verwendet werden können. Auch benötigen wir eine Registermodernisierung, um nicht irgendwann, sondern bald auch vereinheitlichte Daten sparsam und datenschutzkonform zwischen Behörden austauschen zu können.
Wenn wir jetzt nicht diesen Weg der Standardisierung einschlagen, wird vieles schwieriger, teurer und der eigentliche Preis wird später gezahlt, weil viel zu viele Dinge parallel gepflegt und immer wieder angepasst werden müssen. Darum ist jetzt die letzte Chance, diesen Weg energisch zu gehen. Wenn dann kompatible Anwendungen, deren technische und rechtliche Rahmenbedingungen schon abgeklärt sind, in einem „App Store/ IT-Marktplatz“ auffindbar sind und nutzbar gemacht werden, würde es vielen Beteiligten Arbeit ersparen und den Wettbewerb stärken. So machen wir es insbesondere für die elementaren Akteure der Verwaltungsdigitalisierung, die Kommunen, einfacher, digital zu werden.
Also, alles kein Neuland, alles von vielen geteilt, es muss nur konsequent angepackt und gewollt werden. Dies ist eine politische Aufgabe, technisch geht das, aber wo kein Wille, wird vieles schwieriger. Daher muss jetzt gemeinsam umgesteuert werden.
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