Nachhaltige Beschaffung: Chancen, Herausforderungen und die Rolle der öffentlichen Hand

In dem Interview mit Herrn Dr. Teuber erläutert er, wie die öffentliche Hand durch nachhaltige Beschaffung ihre Marktmacht nutzen kann, um ökologische und soziale Ziele zu fördern.

Frage 1: Was genau bedeutet „nachhaltige Beschaffung“ und warum ist sie gerade jetzt so
wichtig?

Nachhaltig beschafft, wer langfristig denkt, verantwortungsbewusst und ressourcenschonend handelt. Die öffentliche Hand benötigt eine Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen – von Gebäuden über Ausrüstung und Maschinen bis hin zu Beratungsleistungen. Wenn bei der Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht nur den aktuellen Bedarf und der günstigste Preis im Vordergrund stehen, sondern bewusst ökologische, soziale und innovative Ziele in die Vergabeentscheidung einfließen, sprechen wir von strategischer oder nachhaltiger Beschaffung.

Meiner Meinung nach ist diese besonders relevant angesichts der Klimawende, der Ziele des
Green Deals der EU und der steigenden gesellschaftlichen Erwartungen an Unternehmen und
öffentliche Institutionen. In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit auf der globalen Agenda ganz oben
steht, ist es entscheidend, dass öffentliche Auftraggeber ihre Marktmacht nutzen, um nachhaltige Entwicklungen zu fördern und gleichzeitig ihre eigene Vorbildfunktion unterstreichen.

Frage 2: Welche Rolle nimmt die öffentliche Hand im Rahmen der Nachhaltigkeit ein?

Die öffentliche Hand trägt als Hüterin des Gemeinwohls eine besondere Verantwortung für die Einhaltung und Förderung von Umwelt- und Sozialstandards, die weit über die bloße Erfüllung gesetzlicher Vorgaben hinausgeht. Mit einem jährlichen Beschaffungsvolumen von rund 500 Milliarden bietet das öffentliche Beschaffungswesen enormes Potenzial zur Förderung nachhaltiger Gemeinwohlziele.

Eine nachhaltig ausgerichtete Beschaffung führt zu wirtschaftlicheren und damit „besseren“ Ergebnissen. Sie kann den Markt in Richtung umweltfreundlicherer und sozialverträglicherer Produkte beeinflussen und einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Umweltqualität und des sozialen Klimas leisten. Zudem können innovative, noch nicht marktgängige Produkte durch diese Beschaffungspraktiken gefördert und zur Marktreife gebracht werden. Damit können öffentliche Auftraggeber, vor allem auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, als Vorbilder und Wegbereiter agieren.

Frage 3: Wie hoch sind die Hürden für eine nachhaltige Beschaffung?

Das europäische und deutsche Vergaberecht haben in den letzten Jahren ein differenziertes Regelungssystem entwickelt, das die Einbeziehung von Umwelt- und sozialen Aspekten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ermöglicht und vielfach sogar verpflichtend vorschreibt. Die Neuregelungen zur Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Liefer- oder Dienstleistungen sind ein Beispiel hierfür. Diese Vorgaben betreffen alle Phasen eines Vergabeverfahrens.

Dabei müssen rechtliche Grenzen beachtet werden, etwa bei zu pauschalen Anforderungen, die keinen direkten Bezug zum Auftragsgegenstand haben, oder bei versteckten Produktdiskriminierungen. Eine sorgfältige Prüfung jeder einzelnen Vergabe bleibt daher unerlässlich.

Frage 4: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihre nachhaltigen Beschaffungsstrategien auch rechtssicher sind?

Ich sehe die Rechtssicherheit als einen entscheidenden Aspekt der nachhaltigen Beschaffung. Unternehmen, die Nachhaltigkeitskriterien in ihre Beschaffungsstrategien einbeziehen möchten, sollten darauf achten, dass diese Kriterien transparent, objektiv und messbar sind. Eine fundierte Marktanalyse ist dabei der erste Schritt, um sicherzustellen, dass die festgelegten Anforderungen erfüllbar sind und den Wettbewerb nicht unzulässig einschränken. Es ist auch ratsam, Umweltund Soziallabels oder Zertifikate als Nachweis zu verlangen, die auf anerkannten Standards basieren. Zudem sollten Verträge klare  Nachhaltigkeitsklauseln enthalten, die regelmäßig überprüft und durch Audits überwacht werden können. So wird nicht nur die rechtliche Konformität gewährleistet, sondern auch der tatsächliche Nutzen der Nachhaltigkeitsstrategie sichergestellt.

Frage 5: Welchen Nutzen und konkreten Vorteile hat die Implementierung nachhaltiger
Beschaffungsstrategien?

Nachhaltige Beschaffung ist nicht nur ein Trend, sondern eine Notwendigkeit. Angesichts der
globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und sozialer Ungleichheit
trägt die Art und Weise, wie wir beschaffen, direkt zur Lösung oder Verschärfung dieser Probleme bei. Unternehmen und öffentliche Auftraggeber, die nachhaltig beschaffen, investieren in ihre Zukunftsfähigkeit. Sie minimieren Risiken, sichern sich langfristig Ressourcen und stärken ihre Reputation. Zudem zeigt sich, dass nachhaltige Produkte oft wirtschaftlicher sind, wenn man den gesamten Lebenszyklus betrachtet, von den Anschaffungskosten bis zur Entsorgung.

Nach meiner Auffassung bieten nachhaltige Beschaffungsstrategien eine Vielzahl von Vorteilen. Erstens führt die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien zu einer Risikominderung entlang der Lieferkette. Zweitens stärkt nachhaltige Beschaffung die Markenreputation und schafft Vertrauen bei Kunden und Investoren. Drittens profitieren Unternehmen von langfristigen Kosteneinsparungen. Beispielsweise durch energieeffiziente Produkte oder durch die Vermeidung von Strafen, die mit der Nichteinhaltung von Umweltvorschriften verbunden sein können. Schließlich fördert nachhaltige Beschaffung Innovationen, da sie Lieferanten ermutigt, umweltfreundlichere und sozial verantwortliche Produkte zu entwickeln.

Zusammenfassend kann ich sagen, nachhaltige Beschaffung ist nicht nur rechtssicher, sondern führt auch zu besseren Ergebnissen. Wer nachhaltig beschafft, beschafft erfolgreicher.