Mit der smarten Fabrik in die Zukunft

Flexibilität und Resilienz sind das A und O in Zeiten des Umbruchs. Industrieunternehmen müssen daher konsequent auf digitale Technologien und Automatisierung in ihren Fertigungen setzen, um nachhaltig Wachstum und Arbeitsplätze auch in Deutschland sichern zu können.

Mit der smarten Fabrik in die Zukunft

Artikel aus dem Handelsblatt Journal DIE ZUKUNFT DER INDUSTRIE vom 01.12.2023

Industrieunternehmen befinden sich derzeit in einem „Perfect Storm“: Sie müssen sich nicht nur mit den Folgen aus Kriegen wie in der Ukraine oder der Covid-19-Pandemie auseinandersetzen, sondern auch mit den Auswirkungen der Klimakrise sowie Konjunkturschwäche und Inflation. In Deutschland ist die Lage – auch aus hausgemachten Gründen wie ungünstigem Energiemix, überbordender Bürokratie, Fachkräftemangel oder zögerlicher Innovationskultur – besonders dramatisch. Nur ein Beispiel: Für die Digitalisierung der Verwaltung sind im Bundeshaushalt für das kommende Jahr gerade mal rund 3 Millionen Euro verbucht – verglichen mit 377 Millionen Euro in diesem Jahr. Gleichzeitig fördern die großen Wirtschaftsmächte wie USA, Stichwort Inflation Reduction Act, und China ihre Unternehmen maximal, mit denen wir im Wettbewerb stehen. Der ehemalige Exportweltmeister ist daher mittlerweile zum Konjunkturschlusslicht in Europa mutiert, dem langfristig eine Deindustrialisierung droht. Gerade hat die Europäische Kommission ihre Wachstumsprognose für die Eurozone auf 0,8 Prozent für 2023 nach unten korrigiert – und Deutschland ist dabei die größte Bremse mit einem Rückgang von 0,4 Prozent. Auch die weiteren Aussichten sind trübe. So rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) für 2024 in Deutschland lediglich mit einem Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent. Transformation ist also das Gebot der Stunde, um in diesem Sturm nicht unterzugehen.

Nachhaltige Entwicklung im Mittelpunkt

Aber wie? Für die HARTING Technologiegruppe als Familienunternehmen in der dritten Generation mit mittlerweile mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz steht eine nachhaltige Entwicklung schon immer im Mittelpunkt unternehmerischen Denkens und Handelns. Wir dürfen uns nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen und haben uns daher seit vielen Jahren darauf konzentriert, unsere Kostenstruktur zu optimieren und unsere Kompetenzen, Organisation und Prozesse zu stärken, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Strukturelle Veränderung und die Weiterentwicklung zu einem globalen Unternehmen sind dabei ein Muss. Wir verstehen Transformation aber als eine Chance. Dazu zählen Investitionen in den Regionen Amerikas und in Asien Pazifik genauso wie globale Entwicklungsaktivitäten mit dem Aufbau zusätzlicher, weltweit verteilter Innovationszentren, um gemeinsam mit Kunden und Partnern vor Ort innovative und nachhaltige technologische Lösungen zu entwickeln. Damit kommen wir nicht nur unserer Vision näher, ein Weltunternehmen zu werden und die Zukunft mit Technik für Menschen zu gestalten, sondern wir tragen auch mit unseren Produkten dazu bei, die geopolitische Zeitenwende zu meistern und die notwendigen Transformationen der Industrieunternehmen zu ermöglichen.

Industrie 4.0 und Kooperationen

Wichtige Bausteine dabei sind Industrie 4.0 sowie Kooperationen. Nach einer aktuellen Studie1 der Unternehmensberatung PwC investieren Industrieunternehmen weltweit jährlich über eine Billion Euro in digitale Transformationslösungen. Demnach integrieren die effektivsten Unternehmen eine ganze Reihe digitaler Technologien in ihre Fertigungen, um die Flexibilität und Resilienz zu erhöhen und die Betriebskosten zu senken. Die Studie habe aber auch gezeigt, dass zwei Drittel der befragten Unternehmen in puncto digitale Produktion noch ganz am Anfang ihrer Reise stünden. Bei HARTING sind wir auf dieser Reise schon weit fortgeschritten. Seit 2018 haben wir allein an den deutschen Standorten Espelkamp und Rahden knapp 200 Millionen Euro in unsere Future Factory oder unser European Distribution Center investiert – und damit in die konsequente Automatisierung und weitere Digitalisierung des Unternehmens.

Future Factory

Die smarte Fabrik ist bei HARTING also keine Zukunftsmusik mehr – sie ist Realität. Grundsätzlich zeichnet sich eine solche Fabrik der Zukunft durch die Kombination einer ganzen Reihe von verschiedenen Technologien aus, die im Idealfall nahtlos ineinandergreifen. Alle Maschinen, Werkzeuge oder auch die Produkte selbst verfügen über Computerchips und Sensoren, um untereinander zu kommunizieren. Jede Komponente der physischen Fabrik erhält dabei im IoT einen digitalen Zwilling. Das ermöglicht es, ganze Produktionsschritte virtuell zu simulieren.

Wie so ein digitaler Wandel in Logistik und Produktion funktioniert, demonstriert auch unser neues europäisches Logistikzentrum in Espelkamp. Das Hochregallager mit mehr als 40 Millionen Euro Investitionsvolumen hat ein hochautomatisierten Paletten-Handling. Alle Artikel werden per RFID-Sensoren erfasst und die Logistik von Edge-Computern gesteuert.

Neue digitale Lösungen für die Industrie

HARTING setzt aber nicht nur im eigenen Unternehmen auf die konsequente Digitalisierung, sondern ist als Anbieter von Steckverbindungen selbst ein Lösungsanbieter für die Industrie, um dem Anspruch an eine durchgängige Kommunikationsinfrastruktur gerecht zu werden und zukünftig allen industriellen Internet-Teilnehmern die Möglichkeit zu bieten, das IoT zu erreichen. Denn die Fertigung der Zukunft benötigt neben klaren Standards für die industrielle Infrastruktur mehr intelligente Systeme und Prozesse. Das geht von der Sammlung von Sensordaten, der Analyse in Edge-Umgebungen oder in Clouds, ersten Ergebnisdarstellungen im Zusammenhang mit Predictive Maintenance bis hin zu Machine-Learning und KI. Eine wichtige Komponente dabei sind auch Lösungen für das Single Pair Ethernet.

Digitale Zwillinge

In diesem Zusammenhang spielen auch Unternehmens- Kooperationen eine gewichtige Rolle. So arbeiten wir unter dem Dach der Industrial Digital Twin Association (IDTA) zusammen mit Microsoft, Siemens und SAP an Fallbeispielen und konkreten Technologiedemonstratoren daran, wie die Standardisierung von Daten für industrielle Anwendungen genutzt werden kann. Wesentlicher Baustein hierbei ist die so genannte Asset Administration Shell (AAS). Diese aktive Verwaltungsschale ist als Digitaler Zwilling durch Teilmodelle beliebig verwendbar und spart durch standartisierte Daten Zeit und Kosten. Ein zusätzlicher Vorteil dabei ist, dass bereits während des Entstehungsprozesses eines Produkts eine vollständige Transparenz des CO2-Fußabdrucks möglich ist.

Mit dem Roboter in die Cloud

Ein weiteres Beispiel für erfolgreich Kooperation auf dem Weg zur smarten Fabrik ist die Zusammenarbeit von HARTING mit dem Sensorhersteller Sick und B&R, die Experten auf dem Gebiet Open Platform Communications Unified Architecture (UPC UA) sind. Dabei geht es um eine mögliche Zukunftslösung für die Vernetzung von Robotern mit der Cloud. Sie basiert auf den drei Säulen intelligente Sensorik, Single Pair Ethernet (SPE) und dem Kommunikationsstandard OPC UA über Time- Sensitive Networking (TSN). Zwar sind Industrieroboter heute in nahezu allen Fertigungsbereichen im Einsatz – egal ob in der Automobil-, Elektronik- oder Konsumgüterindustrie. Doch neben der Zuverlässigkeit wird auch die Intelligenz der Roboter immer wichtiger. Sie sollen daher nicht nur mit ihren Nachbarmaschinen oder Werkstücken kommunizieren können, sondern auch eine Schnittstelle zur Cloud haben.

Deutschland bei der digitalen Transformation der Fertigung auf gutem Weg

Alle diese Beispiele zeigen, dass die Industrie auch in Deutschland das ihrige zur digitalen Transformation beisteuert. Und auch, dass wir ein wichtiger Player sein können. Denn eine starke Industrie ist die Voraussetzung für ein stabiles und modernes Deutschland und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Umso wichtiger ist, dass wir als Unternehmen flexibel und resilient agieren. Wenn dann auch in der Wirtschaftspolitik an den richtigen Stellschrauben sofort gedreht wird, können wir der Zeitenwende trotzen und den Aufbruch in eine neue Ära schaffen.

Die Fertigung der Zukunft benötigt neben klaren Standards für die industrielle Infrastruktur mehr intelligente Systeme und Prozesse.

Philip Harting
Philip Harting Vorstandsvorsitzender, HARTING Technologiegruppe
Das aktuelle Handelsblatt Journal
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „DIE ZUKUNFT DER INDUSTRIE“ erschienen. Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:
Download/ePaper