Frau Menne, Sie sind seit einigen Jahren Aufsichtsrätin. Was muss ein CEO in der Transformation unbedingt mitbringen?
Eine große Offenheit für das Unternehmen, sich darauf einlassen – auch auf Neues.
Da sagen vermutlich alle: „Natürlich bin ich offen!“
Das lässt sich überprüfen, wenn Sie sich anschauen, ob jemand in vorherigen Jobs mal etwas ganz anders gemacht oder nur optimiert hat. Analysefähigkeiten würde ich noch nennen. Nicht unbedingt Fachwissen, aber Leidenschaft für das Geschäft. Das kann man bei Boeing sehen. Ein CEO, der nur auf Effizienz schaut und die Leidenschaft, in dem Fall für Flugzeuge, erkennbar vergisst, ist die falsche Wahl.
Als Aufsichtsrätin kontrollieren Sie die Vorstände nicht nur, sondern beraten sie auch. Wovor würden Sie einen CEO in der Transformation warnen?
Ich würde immer fragen: „Habt ihr an die Kunden gedacht?“ Das klingt wie eine Binse, aber es ist in vielen Unternehmen noch nicht angekommen. Lufthansa hat zuletzt offensichtlich den Kunden vergessen. Das ist eine große Gefahr. Oder in der Autoindustrie: Ich habe zum Beispiel schon vor einiger Zeit gesagt, dass das Auto, die Karosserie und der Motor, die Marke, für einen Großteil der Kunden nicht mehr entscheidend sein werden. Kunden möchten ihr Handy ins Auto mitnehmen und all ihre Daten griffbereit haben. Die Chinesen haben das früh erkannt.
Es gibt Managerinnen und Manager, die das Gefühl haben, dass der Aufsichtsrat im Fall der Fälle nicht hinter ihnen steht. Ist das ein Problem?
Der Aufsichtsrat muss hinter dem Vorstand stehen und ihn schützen. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Vorstand mit dem Aufsichtsrat vertrauensvoll abstimmt und keine Folienschlacht in Sitzungen veranstaltet, um Fragen des Aufsichtsrats zu verhindern. Es ist fatal, wenn Vorstand und Aufsichtsrat einander nicht vertrauen. Deswegen ist auch das Thema Aufsichtsratsbesetzung so wichtig. Wir sind ja immer noch nicht ganz raus aus dieser Deutschland AG – und da nehme ich mich nicht aus.
Wie meinen Sie das?
Ich bin Aufsichtsrätin geworden, weil ich Vorständin bei Lufthansa war. Das war teilweise Erbpacht. Es braucht Diversität in den Aufsichtsräten. Wie soll ein Vorstandsvorsitzender oder eine Finanzvorständin risikobereit sein, wenn der gesamte Aufsichtsrat sagt: „Nee, nee, nee. Vorsicht, Vorsicht! Haben wir schon mal ausprobiert. Hat nicht funktioniert.“
Zum Schluss, Frau Menne: Was würden Sie als Aufsichtsrätin mit all Ihrer Erfahrung der Topmanagerin Simone Menne von früher raten?
Sieh den Aufsichtsrat nicht als Kontrolleur, der dir Böses will, sondern als Sparringspartner, der dir helfen möchte! Lass dich darauf ein, und ruf den einen oder die andere vielleicht vorher schon mal an und sag, was du besprechen möchtest. Ich bin früher schon ab und zu mit der Haltung in Aufsichtsratssitzungen gegangen, dass ich mich – jede Zahl und jedes Budget – verteidigen muss.