LEADERSHIP-TALK mit Bonita Grupp

Trigema und Wolfgang Grupp sind vermutlich Deutschlands bekannteste Mittelständler. Der Patriarch hat den Textilhersteller 54 Jahre lang geprägt, bevor er das Unternehmen zum Jahreswechsel an seine Kinder übergab. Im Interview mit meiner Kollegin Anja Müller und meinem Kollegen Sven Prange erklärt seine Tochter Bonita Grupp, wie sie mit ihrem Bruder zusammenarbeitet, warum sie gelegentlich Abstand voneinander brauchen und wieso ihr Vater noch jeden Tag in die Firma kommt.

Frau Grupp, wir haben die Konstellation an der Trigema-Spitze noch nicht verstanden. Sie haben als Familie erklärt, dass Sie und Ihr Bruder das Unternehmen zum Jahreswechsel gleichberechtigt von Ihrem Vater übernommen haben. Faktisch steht Ihr Bruder aber als persönlich haftender Gesellschafter vor Ihnen, oder?

Nein, wir sind komplett gleichberechtigt. Dass mein Bruder persönlich haftet, ist der einzige Unterschied.

Wollten Sie die persönliche Haftung nicht? 

Wir hätten auch beide in die Haftung gehen können. 

Und Ihr Bruder hat „hier“ geschrien? 

Nicht ganz. Rechtlich war nur eine Person notwendig, und dann hat er gesagt, er würde es machen. Wir haben uns mit diesen Fragen in den vergangenen zwei Jahren ausführlich beschäftigt – und haben uns dann darauf geeinigt. Ich werde meinen Bruder nie im Stich lassen, sollte es zu einer entsprechenden Situation kommen. 

[…] 

Ihr Vater wollte ursprünglich eine deutliche klarere Lösung. Demnach hätte nur ein Kind Anteile an der Firma bekommen, weil am Ende einer die Entscheidungen treffen müsse … 

Tatsächlich hatte unser Vater zuvor eine andere Idee. Aber mein Bruder und ich wollten das Unternehmen schon immer zu zweit übernehmen. Es hat sich dann in den vergangenen zwei Jahren herauskristallisiert, dass unser Wunsch auch möglich ist. 

Die von Ihrem Vater ursprünglich geplante Lösung: Ein Kind bekommt die Firma, eines den Landbesitz in Österreich, ist passé? 

Bei den Ländereien handelt es sich um das Erbe meiner Mutter. Das ist noch nicht verteilt. Wir können später immer noch entscheiden, ob nur einer die Anteile der Firma hält. 

Das ist dann Ihnen beiden überlassen? 

Ja. Wenn einer von uns beiden plötzlich entscheiden sollte, zum Beispiel in Amerika zu leben, dann wird es schwierig mit der Doppelspitze. 

Also ist festgelegt, dass das Unternehmen aus Burladingen geführt werden muss? 

Als Produktionsbetrieb ist man immer mehr an den Standort gebunden, denn das Herz unserer Firma liegt dort, wo produziert wird. 

Haben Sie das in einer Familienverfassung festgelegt? 

Nein, wir haben keine Familienverfassung. Es gibt nur das familiäre Versprechen. 

Wie haben Sie das eigentlich alles geregelt – mit externer Hilfe? 

Nein, nur bei steuerlichen und rechtlichen Fragen, ansonsten arbeiten mein Bruder und ich seit zehn Jahren zusammen. Wir wissen, was der jeweils andere tut, wo die Interessen und Stärken liegen. Mit dieser Regelung müssen nicht nur Wolfgang und ich klarkommen, sondern auch unsere Eltern. 

Entscheiden Sie alles gemeinsam? 

Wir entscheiden allein in unseren Bereichen. Und wenn es um große Investitionen oder um Weichenstellungen geht, dann entscheiden wir gemeinsam. 

Ihre Mutter ist ja auch noch im Unternehmen … 

Genau, wir haben jede Woche eine Managementsitzung zu dritt. 

Streiten Sie dort auch, und am Ende entscheidet die Mehrheit? 

Wir streiten auch über Sachthemen, die wir dann auch beim Essen weiter besprechen. Manchmal brauchen wir auch mal ein Wochenende Abstand, um zu einer Lösung zu kommen. Wir versuchen aber immer, eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Auch wenn es manchmal dauert. Nach außen und gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern treten wir mit einer Stimme auf. 

Ihr Vater hat das Unternehmen 54 Jahre geführt, wie sehr mischt er sich noch ein? 

Er mischt sich nicht ein, aber steht uns mit Rat und Tat zur Seite. 

Er sitzt hier am Nachbartisch, während wir sprechen. 

Er kommt noch jeden Tag ins Büro. Und er ist nach wie vor für die Produktionsplanung verantwortlich. 

Tritt er irgendwo kürzer?

Ja, er hat kein Tagesgeschäft mehr auf seinem Schreibtisch. Das haben wir. Und er hält sich grundsätzlich zurück bei Entscheidungen, er gibt nur Ratschläge, und das wissen wir sehr zu schätzen.


Das ganze Interview, in dem sie auch erstmals über die NS-Vergangenheit von Trigema spricht, lesen Sie hier.