Kein Unternehmen ohne KI-Strategie

Künstliche Intelligenz ist kein Experimentierfeld mehr, sondern ein Grundpfeiler moderner Unternehmensstrategien. Rund siebzig Prozent der Unternehmen setzen KI heute bereits gezielt ein, ein beeindruckender Sprung gegenüber den Vorjahren. Was früher Neugier und Pilotprojekte waren, ist nun zu einem strukturellen Bestandteil der Unternehmensführung geworden.

Besonders deutlich zeigt sich der Wandel in der Art, wie KI implementiert wird. Während viele Organisationen zunächst isolierte Tools einführten, investieren die Vorreiter heute in umfassende Plattformen und Governance-Modelle. Der Fokus liegt auf der Skalierung und nachhaltigen Integration, nicht mehr auf punktuellen Erfolgen. Ein Beispiel liefert die Helvetia Group, die mit Unterstützung von Wavestone eine modulare KI-Plattform aufgebaut hat – ein Symbol für den Übergang von der Idee zur Industrie-Reife.

Die regionale Dynamik bleibt vielschichtig: In Europa dominiert das Thema Regulierung, in Nordamerika die Skalierungsgeschwindigkeit, und in Asien die Kombination aus Datenzugang und Innovationskraft. Doch eines gilt überall: KI zu ignorieren ist keine Option mehr.

Von der Pilotphase zur strukturellen Transformation

Unternehmen mit fortgeschrittener KI-Reife haben die Experimentierphase hinter sich gelassen. Sie investieren nun in unsichtbare, aber entscheidende Grundlagen – in Datenarchitekturen, Cloud-Infrastrukturen, Governance-Prozesse und Kompetenzaufbau.

Diese Verschiebung zeigt, dass KI nicht länger als einzelnes Werkzeug betrachtet wird, sondern als integraler Bestandteil künftiger Geschäftsmodelle. Investitionen werden strategischer: Sie zielen auf nachhaltige Effizienz, Sicherheit und Differenzierung ab.

Im Durchschnitt fließen bereits 13 % der IT-Budgets in KI-Projekte. Gleichzeitig sehen sich 45 % der Befragten im Rückstand gegenüber ihrer Konkurrenz. Im Vorjahr waren es noch 75 %. Das deutet auf ein zunehmendes Markengleichgewicht hin: Der Abstand zwischen Pionieren und Nachzüglern schrumpft, weil die Grundtechnologien nun leichter zugänglich sind.

Mehr als schnelle Erfolge: Reife durch Struktur

KI-Reife bedeutet heute mehr als das Erreichen kurzfristiger Erfolge. Sie steht für die Fähigkeit, langfristig Werte zu schaffen. Unternehmen, die diesen Weg konsequent gehen, erkennen Potenziale in nahezu allen Bereichen – von der Prozessoptimierung über Kundenerlebnisse bis hin zur Förderung von Innovation und Mitarbeitererfahrung.

Die größten Effekte zeigen sich aktuell in der IT-Security, im Wissensmanagement und in kundenorientierten Bereichen wie Marketing und Vertrieb. Dort entstehen intelligente Systeme, die Entscheidungen vorausschauend treffen, Texte und Bilder generieren oder Risiken frühzeitig erkennen.

Doch die Realität bleibt ambivalent: Der Nutzen ist sichtbar, aber oft nicht vollständig messbar. Viele Organisationen verfügen noch nicht über klare ROI-Frameworks, um den Mehrwert von KI zu quantifizieren. Die Folge: Eine Kluft zwischen jenen, die mit Governance und Metriken arbeiten, und jenen, die Gefahr laufen, blind zu investieren.

Wenn Ergebnisse zu schön klingen, um wahr zu sein

Fast jedes Unternehmen erkennt mittlerweile, dass mit KI auch erhebliche Risiken verbunden sind. Sicherheit, Compliance und Vertrauen stehen ganz oben auf der Agenda.

Mit zunehmender Reife verschiebt sich die Wahrnehmung dieser Risiken: Einsteiger fürchten kulturelle Widerstände und Reputationsrisiken. Reifere Organisationen hingegen fokussieren auf Governance, Nachvollziehbarkeit und regulatorische Angleichung.

Risiken zu managen bedeutet hier mehr als technische Patches. Es verlangt nach robusten Governance-Strukturen, ethischen Leitplanken und einer menschzentrierten Planung. Unternehmen müssen lernen, Verantwortung in ihre Datenflüsse, Trainingsmodelle und Entscheidungsprozesse einzubauen – und dabei den Menschen nie aus dem Blick zu verlieren.

Barrieren bleiben universell, verändern aber ihre Form: Unreife Unternehmen kämpfen mit Fachkräftemangel, Datensilos und zögerlichen Managementstrukturen. Fortgeschrittene hingegen mit der Herausforderung, verantwortungsvoll zu skalieren – also Wachstum, Marktkomplexität und regulatorische Anforderungen in Einklang zu bringen.

Souveränität ist das neue Grün

Im vergangenen Jahr konzentrierten sich viele Unternehmen auf Nachhaltigkeit und CO₂-Reduktion durch KI-Optimierung. 2025 zeigt sich ein anderer Trend: Die Aufmerksamkeit wandert von ökologischer Wirkung hin zu digitaler Souveränität.

Zwar geben 91 % der Befragten an, die Umweltauswirkungen ihrer KI-Aktivitäten zu messen, doch nur 29 % tun dies systematisch in allen Anwendungsfällen. Diese Lücke verweist auf ungleiche Reife im Bereich nachhaltiger KI-Nutzung.

Gleichzeitig ist die digitale Souveränität zum Mainstream-Thema geworden: 84 % der Unternehmen berücksichtigen sie in ihren Strategien, doch nur ein Drittel setzt sie als oberste Priorität. Die meisten balancieren zwischen Kontrolle, Leistung und Kosten – eine Gratwanderung, die durch geopolitische Spannungen und europäische Regulierungen zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Souveränität wird damit zum Symbol für Selbstbestimmung in einer global vernetzten Welt: Wer seine Datenflüsse, Algorithmen und Modelle versteht und kontrolliert, kann technologische Unabhängigkeit sichern – ohne auf Innovationskraft zu verzichten.

Disziplin allein genügt nicht

„Unsere Studie zeigt einen entscheidenden Wendepunkt“, erklärt Imène Kabouya, KI-Expertin bei Wavestone. „Nahezu alle Unternehmen erkennen das transformative Potenzial von KI. Doch der Erfolg hängt nun davon ab, ob sie ehrgeizige Strategien in disziplinierte Umsetzung überführen können – unter Berücksichtigung von Risiken, Regulierung und wachsendem Wettbewerbsdruck. Disziplin allein reicht nicht. Den Vorteil werden jene haben, die lernen, in einer Welt intelligenter Systeme anders zu denken, zu handeln und zu wachsen.“

Ein fragmentierter Markt: Zwischen Kontrolle und Geschwindigkeit

Der Markt der KI-Anbieter ist 2025 so zersplittert wie nie zuvor. Es gibt kein dominantes Modell, keinen universellen Standard. Die meisten Unternehmen verfolgen hybride Strategien: Sie kombinieren interne Entwicklung mit externen Partnern oder setzen auf einen Hyperscaler, um Geschwindigkeit zu gewinnen und dennoch Kontrolle zu behalten.

Nur eine Minderheit setzt auf Unabhängigkeitsstrategien wie Multi-Vendor-Modelle, Open-Source-Lösungen oder vollständig eigene Plattformen. Souveränität bleibt also eher ein Ideal als Realität.

Diese Fragmentierung spiegelt die zentralen Spannungsfelder der Branche: Schnelligkeit versus Kontrolle, Risikominimierung versus Innovationsfreiheit. Unternehmen müssen täglich entscheiden, welche Kompromisse sie eingehen, um gleichzeitig skalierbar, sicher und zukunftsfähig zu bleiben.

Bereits 67 % der Organisationen versuchen, eine zu hohe Abhängigkeit von einzelnen KI-Technologie-Anbietern zu vermeiden. Etwa 35 % experimentieren mit autonomen Agenten, die auf Basis von Echtzeit-Kontext selbstständig Tools oder Aktionen auswählen können.

Damit wandelt sich das Verständnis von KI-Nutzung: Es geht nicht mehr nur um Algorithmen, sondern um agentische Systeme, die eigenständig agieren, lernen und Entscheidungen treffen – ein fundamentaler Paradigmenwechsel in Richtung digitaler Autonomie.

Von Plug-and-Play zu Governance und Vertrauen

Die Einführung von KI beginnt oft spielerisch. Viele Unternehmen nutzen zunächst Plug-and-Play-Lösungen, die in Produktivitäts- oder Kommunikationssoftware eingebettet sind. Diese Phase ist häufig von Neugier und Mitarbeiterexperimenten geprägt – eine Art „Sandbox“, in der Organisationen lernen, was funktioniert und wo Grenzen liegen.

Doch sobald die ersten Effekte sichtbar werden, verschiebt sich der Schwerpunkt: Der Aufbau stabiler Daten- und Governance-Fundamente wird zur Voraussetzung für Skalierung. Unternehmen, die hier zögern, riskieren ein loses Flickwerk aus Tools ohne strategische Kohärenz.

Die wahre Herausforderung liegt nicht mehr im Bauen, sondern im Steuern – also darin, Vertrauen, Compliance und strategische Ausrichtung in ein zunehmend komplexes KI-Ökosystem einzubetten.

KI verändert Arbeit – aber noch nicht flächendeckend

Künstliche Intelligenz hat den Arbeitsplatz bereits verändert, allerdings noch nicht in voller Breite. Im Durchschnitt hat sich die Arbeitsweise von rund 30 % der Zielnutzer spürbar verändert. In den meisten Organisationen bleibt der Anteil aktiver Nutzer auf 30–40 % begrenzt; nur 7 % erreichen eine Durchdringung von über der Hälfte ihrer Belegschaft.

Das zeigt: Wir befinden uns in einer Zwischenphase der Reife. Der Wandel ist sichtbar, aber noch nicht skaliert. Um die Mehrheit der Mitarbeitenden einzubeziehen, braucht es gezielte Investitionen in Change-Management, Schulung und Kommunikation.

Die Befähigung der Belegschaft – das sogenannte Workforce Enablement – ist mittlerweile fast universell. Unternehmen kombinieren Trainingsprogramme, interne Kommunikationskampagnen und kontinuierliches Coaching, um Vertrauen und Kompetenz aufzubauen.

Führungskräfte spielen dabei eine Schlüsselrolle: Sie fungieren als kulturelle Übersetzer zwischen Technologie und Mensch. Externe Partner unterstützen zunehmend mit Fachwissen, um Lernkurven zu verkürzen und Best Practices zu verankern.

So entsteht eine neue Arbeitsrealität, in der KI nicht als Bedrohung, sondern als Werkzeug verstanden wird – eines, das menschliche Fähigkeiten erweitert, nicht ersetzt.

Ein intelligentes System braucht intelligente Menschen

KI ist längst kein futuristisches Versprechen mehr, sondern ein alltägliches Werkzeug. Doch das eigentliche Paradox bleibt bestehen: Je mehr Unternehmen KI nutzen, desto deutlicher wird, dass Erfolg weniger von Technologie als von Menschen abhängt.

Wer es schafft, strategische Ambition, technologische Kompetenz und kulturelle Reife zu vereinen, wird im neuen Zeitalter der intelligenten Systeme nicht nur bestehen, sondern führen können.