Wie begegnet die AGCS dem weiter steigenden Wettbewerbsdruck?
Unser Ansatz bei den großen und mittelgroßen Kunden ist und war immer sehr nah am Risiko zu sein und den Dialog mit unseren Kunden zu führen. Dabei gehen wir grundsätzlich partnerschaftlich vor. Unser Ziel ist auch bei steigendem Wettbewerbsdruck immer eine zufriedenstellende Lösung für beide Seiten zu erreichen. Partnerschaft geht natürlich nur, wenn sie von beiden Seiten kommt. In den letzten achten Jahren haben sich die Risikoseite und die Prämienentwicklung jedoch immer weiter auseinander entwickelt. Der Markt war durch einen enormen Preisverfall geprägt. Seit dem Jahr 2018 stellen wir fest, dass die Preise jetzt wieder steigen, im Jahr 2019 sogar noch einmal deutlich. Dennoch sind wir in den aktuellen Renewals als AGCS sehr differenziert vorgegangen und haben uns jede einzelne Kundenverbindung und jedes Individualrisiko genau angeschaut, um in Verhandlungen mit den Kunden risikoädequate Prämien zu erreichen.
Wie hat sich sie die Stimmung zu Haftpflicht in den letzten Jahren verändert?
Der Haftpflichtmarkt muss sich ändern, weil sich auch die Industrie ändert. Wir sehen große Veränderungen im Exposure, die ein „Weiter so“ schlichtweg nicht möglich machen. Schadenfrequenzen- und -höhen haben sich durch den zunehmend globalen Aktionsradius deutscher Unternehmen und einer Verzahnung der Lieferketten signifikant erhöht. Deutlich wird das vor allem im Automotive-Bereich, wo die Konzentration auf wenige Zulieferer zuletzt zu zahlreichen Rückruf-Schäden geführt hat, die auf das Ergebnis drücken. Eine fehlerhafte Schraube auf der siebten Ebene der Lieferkette kann heute bei allen großen Herstellern aufschlagen und die Schadenhöhen vervielfachen. Das ist eine Herausforderung, der sich der Haftpflichtversicherungs-Markt stellen muss.
Welche Rolle spielt Digitalisierung speziell in ihrem Unternehmen?
Zunächst registrieren wir, dass sich jedes Unternehmen mit der Digitalisierung beschäftigt. Wir erkennen das beispielsweise daran, dass die Nachfrage nach Cyberversicherungen steigt, weil das Thema sehr viel präsenter im Unternehmen ist und die Risiken einer digitalisierten Welt offenkundig werden. Aktuell sind die Hälfte aller Angebote in Zentraleuropa im Bereich Financial Lines Offerten für Cyber-Versicherungen. Die Digitalisierung hat an dieser Stelle also direkte Auswirkungen auf die Nachfrage. Ansonsten hat die Versicherungsbranche beim Thema Digitalisierung und Automatisierung sicherlich noch Nachholbedarf. Im Bereich der Risikoselektion und Underwriting hilft uns die Digitalisierung als Unternehmen schon heute weiter, Stichwort Big-Data. Zudem wollen wir die Möglichkeiten der Technik nutzen, um bei den Portalen und Vergleichsseiten sichtbarer zu werden. Verbesserungspotenzial sehen wir auch in der Administration, an dieser Stelle erfolgt immer noch zu vieles händisch, die Technisierung muss erhöht werden. Auch in der Schadenbearbeitung werden wir verstärkt auf Automatisierung setzen. Wir haben aktuell rund 140.000 Schäden im Jahr, davon sind mehr als 75 Prozent unter 5000 Euro, die derzeit noch größtenteils von Experten bearbeitet werden. An dieser Stelle sehen wir Potenzial für mehr Effizienz durch Digitalisierung und Automatisierung. Alle diese Bestrebungen machen aber nur Sinn, wenn wir die Kunden und Partner mit einbeziehen.
Wie schätzen Sie die Rolle von Big Data bei Versicherungen zukünftig ein?
Wenn man die Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen will, heißt das effizienter und intelligenter zu arbeiten. So stehen uns heute viel mehr relevante Informationen zur Verfügung, die wir zusammenzuführen, um auf dieser Basis qualitativ hochwertige Analysen zu fahren und dann die richtigen Underwriting-Entscheidungen zu treffen. Hier investieren wir deutlich in unser Tool Set Up, testen und nutzen auch bereits Big Data-Anwendungen. Der Underwriter der Zukunft ist mit intelligenten Systemen ausgestattet, die auf Daten und Analysen basieren und ihn dabei unterstützen, fundierte Entscheidungen über Risiken zu treffen. Über öffentlich zugängliche Daten und Datenbanken versuchen wir beipsielsweise mehr Transparenz in die globalen Lieferketten-Verflechtungen unserer Kunden zu bringen, über strukturierte BU-Analysen aber auch in die Vernetzung der Produktionsstandorte unserer Kunden und deren mehrstufige Wertschöpfung. Ein anderes Beispiel, wie wir Big Data-Analysen nutzen, ist die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Data-Analytics-Spezialisten Praedicat. Ziel der Partnerschaft ist es, künftige Haftungsrisiken mit Großschadenpotenzial bei Chemikalien und anderen Substanzen besser vorhersagen zu können. Unsere Haftpflicht-Underwriter können dadurch nicht nur auf historische Schadentabellen oder technische Expertengutachten zurückgreifen, sondern auch zukunftsorientierte Datenmodelle nutzen. Damit können sie mögliche Haftungsrisiken für ganze Branchen oder einzelne Unternehmen genauer ermitteln und einschätzen.