Interview mit Dr. Dennis Froneberg Head of Financial Lines DACH, AIG Europe S.A. Direktion für Deutschland

„Wenn alle Marktteilnehmer des D&O-Marktes am gleichen Strang ziehen, kann auch die Quadratur des Kreises gelöst und der D&O-Markt in ein nachhaltiges Gleichgewicht gebracht werden“

Dr. Dennis Froneberg, Head of Financial Lines DACH, AIG Europe S.A., Direktion für Deutschland, über die aktuellen Herausforderungen des D&O-Marktes und die große Chance, den D&O-Markt in ein nachhaltiges Gleichgewicht zu bringen.

Herr Dr. Froneberg, seit dem letzten Euroforum hat sich die Welt insbesondere im D&O-Markt weitergedreht. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage im D&O Markt?
Ich denke, dass es mittlerweile die Branche durchdrungen hat, dass die Herausforderungen des D&O-Marktes für alle Marktteilnehmer real sind, und wir insgesamt vor einer großen Belastungsprobe stehen. Die Quadratur des Kreises ist bereits gegenwärtig.

Wie meinen Sie das?
Unmittelbar nach dem letzten Euroforum sprach man von einer Geisterbeschwörung oder Voodoo des D&O-Marktes. Dabei zeigt die Gegenwart nun die schlichte Realität. Die Realität ist, dass das gegenwärtige Umfeld für alle Marktteilnehmer große Herausforderungen in vielerlei Hinsichten darstellt. Zugleich ist es auch eine große Chance, den D&O-Markt in ein nachhaltiges Gleichgewicht zu bringen.

Können Sie dies zwischen den Versicherungsnehmern, Maklern und Versicherern differenzieren?
Für die Versicherungsnehmer ist es sicherlich eine große Herausforderung, weil sich diese an ein sehr weites Bedingungswerk zu sehr günstigen Konditionen gewöhnt hatten. Diese gegenwärtige Verhärtung des Marktes muss entsprechend bei den Organen (Vorstandsetage sowie Geschäftsführerebene) adressiert werden.

Die Makler wiederum befinden sich in der ungewohnten Situation, dass sie kaum eine Wettbewerbssituation aufbauen können, bei der sie aus multiplen Risikoträgern mit immer breiteren Deckungskonzepten wählen konnten. Gleichzeitig sind Versicherungsnehmer und Makler mit der Situation konfrontiert, dass das Kapital – sprich die Deckungssumme – mittlerweile endlich geworden ist und nicht jedem im gleichen Maße zur Verfügung steht.

Die Versicherer selbst befinden sich in der herausfordernden Lage, dass sowohl im mikro- als auch im makroökonomischen Umfeld eine sehr große Volatilität und ein stetiger Wandel herrscht – mit unklarem Ausblick. Geschäftsmodelle sind aufgrund technologischer Entwicklungen bedroht und gewisse Branchen leiden sehr stark unter dem allgegenwärtigen Umfeld. Im KMU-Bereich wird vermutlich eine große Insolvenzwelle heranrollen.

Im Industriekundenbereich vernehmen wir dagegen die bedrohende Entwicklung, dass oft versagende Kontrollmechanismen zu einem großen Unsicherheitsfaktor geworden sind u. a. aufgrund von Governance-Anforderungen und einer stetig steigenden Zunahme an Prozessstreitigkeiten.

War das Jahr 2020 die Ursache für diesen starken Wandel?
Nein, das denke ich nicht. Die Last der Gegenwart und nun auch der unsichere Ausblick in die Zukunft sind bereits in den beschriebenen Entwicklungen der letzten Jahre zu sehen.

Wie sollten sich die D&O–Deckung und der Markt aus Ihrer Sicht in den nächsten Jahren entwickeln, um die Quadratur des Kreises zu lösen?:      
Aus meiner Sicht ist es unbedingt erforderlich, die D&O-Versicherungssummen und Bedingungen in ein neues allseits akzeptiertes Gleichgewicht gebracht werden. Ein nachhaltiger D&O-Markt wird sich nur durch eine Rückbesinnung und Reduzierung auf das Wesentliche erreichen lassen: die Absicherung für Organe und Direktoren.

Das wird nur funktionieren, wenn alle Marktteilnehmer am gleichen Strang ziehen – dann kann auch die Quadratur des Kreises gelöst werden.

Dr. Dennis Froneberg ist Head of Financial Lines für die DACH-Region der AIG Europe S.A. in Deutschland. 2014 begann der promovierte Diplom-Kaufmann seinen Werdegang bei AIG als Senior M&A Underwriter. Seither übernahm er verschiedene Funktionen mit wachsenden Verantwortlichkeiten innerhalb der Financial Lines- und Sales-Organisation. Zuletzt hatte er die Rollen Head of M&A Europe und Head of Sales DACH inne. Bevor er zu AIG kam, war Dr. Froneberg sieben Jahre im Investment Banking für Houlihan Lokey und Citigroup in Frankfurt, Madrid und London tätig. Dr. Froneberg hat einen Abschluss als Diplom-Kaufmann im Bereich Versicherungsbetriebslehre/Risikomanagement und Corporate Finance der Universität Mannheim und verfügt zudem über einen Doktortitel im Bereich Corporate Finance, den er von der Technischen Universität Darmstadt verliehen bekommen hat.