Finanzierung der Zukunftsfähigkeit Deutschlands

Eine gemeinsame und ambitionierte Kraftanstrengung des Staates und privater Investoren

Artikel aus dem Handelsblatt Journal RESTRUKTURIERUNG vom 15.05.2025

Nachhaltigkeit steht unter Druck. Allerorten wird ein ESG-Backlash beschworen. In den USA treten massenweise Finanzinstitute aus freiwilligen Klimaselbstverpflichtungen aus. Die EU-Kommission macht Vorschläge zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Gleichzeitig stehen wir in Deutschland vor massiven Investitionsbedarfen in resiliente Infrastruktur, in neue Stromnetze, in digitale Infrastruktur, in den Ausbau erneuerbarer Energien und nachhaltige Mobilität. Die neue Bundesregierung plant Sondervermögen in gigantischer Höhe, um den zwei Jahrhundertaufgaben „Sicherheit Deutschlands“ und „belastbare Infrastruktur“ proaktiv zu begegnen.

Parallel war 2024 eines der wärmsten Jahre seit den ersten Wetteraufzeichnungen und auch eines der teuersten Jahre im Hinblick auf ökonomische Schäden durch Extremwetterereignisse.

Wie passt das alles zusammen?

Das übergeordnete Ziel ist es, eine resiliente, wettbewerbsfähige und nachhaltige Wirtschaft zu schaffen. Die Dekarbonisierung unseres Industriestandortes ist damit Grundbedingung und Zielmarke zugleich. Vor allem soll dies innerhalb eines friedlichen Europas in Verbindung mit Partnern auf der ganzen Welt geschehen.

Es liegt also an uns, durch Leadership und Innovationen die aktuellen Risiken in Chancen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas zu verwandeln. Dazu gehört vor allem, Investitionen in Technologieführerschaft und die Transformation in eine nachhaltige Zukunft finanziell rentabel zu machen. Deutschlands Potenzial, dafür privates Kapital zu mobilisieren, ist definitiv noch ausbaufähig.

Massiver Investitionsbedarf

Deutschland kann auch in Zukunft als Industrienation erfolgreich sein – muss dafür aber große Teile der bereits begonnenen Transformation seiner heutigen Wertschöpfung beschleunigen. Der Umbau des Standorts Deutschland in eine nachhaltige, wettbewerbsfähige und innovationsgetriebene Wirtschaft erfordert – so konstatiert es die allgemeine Studienlage¹ deutlich – massive Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung, Dekarbonisierung und qualifizierte Arbeitskräfte. Mindestens 5 Billionen Euro fallen allein in Deutschland dazu bis Mitte des Jahrhunderts an, wovon etwa zwei Drittel durch den Privatsektor zu tragen sind. Akteure der deutschen Wirtschaft müssen in die Zukunft investieren. Das sollte ihnen so leicht wie möglich gemacht werden.

Private und öffentliche Finanzierung von Infrastruktur: Hand in Hand

Gerade vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen und massiv steigender Ausgaben für Verteidigung, muss es darum gehen, privates Kapital für diejenigen Aufgaben zu mobilisieren, die eine Rendite versprechen, die auf die Transformation einzahlen und die nicht zu den hoheitlichen Aufgaben des Staates zählen.

Das bedeutet, wir müssen bei den Investitionen in Infrastruktur in solche unterscheiden, die klassische Erträge generieren und solche, die keine Rendite erbringen, wie z.B. neue Autobahnbrücken, Sanierung von Schulen oder Krankenhäusern. Hier ist es für den Bund deutlich sinnvoller, sie über Kreditfinanzierung oder Sondervermögen zu finanzieren und sich dafür am Kapitalmarkt zu verschulden. Das noch gute Finanzrating Deutschlands trägt hier zu geringen Refinanzierungskosten des Bundes bei.

Überall dort, wo durch neue Infrastruktur für die Transformation auch Erträge generiert werden können, macht die Mobilisierung privaten Kapitals mehr Sinn, wie z.B. bei Ladesäulen für E-Mobilität, neuen Stromnetzen, Batteriespeichersystemen, Wasserstoffinfrastruktur, effizientere ÖPNV-Busse und Züge. Denn auch mit neuen Sondervermögen wird die Schuldentragfähigkeit des Staates zusätzlich belastet. Ein begrenztes und verantwortliches Maß an Schulden für die nächste Generation ist das Ziel.

Wir müssen Investitionen in Technologieführerschaft und die Transformation in eine nachhaltige Zukunft finanziell rentabel machen.

Silke StremlauVorsitzende des Sustainable-Finance-Beirates der Bundesregierung, Multi-Aufsichtsrätin

Klare, einfache und wirksame Regulierung als Leitplanken

Die bisherige Sustainable-Finance-Regulierung hat dem Anliegen, die Transformation zu finanzieren, die Freude genommen. Das ist sehr bedauerlich, aber umkehrbar. Denn eigentlich ist Nachhaltigkeit ein Wettbewerbsvorteil. Die BDI-Studie zu Transformationspfaden für das Industrieland Deutschland belegt, welche Wachstumsmärkte durch Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft, Automatisierung und Digitalisierung in Deutschland und Europa entstehen. Das sind für mich die Geschwister der Nachhaltigkeit. Es geht um verantwortliches Wirtschaften in innovativen Sektoren.

Worauf es jetzt ankommt

Aus Sicht des Sustainable-Finance-Beirates der Bundesregierung der 20. Legislaturperiode, deren Vorsitzende ich die letzten drei Jahre sein durfte, sind folgende vier Maßnahmen zur Finanzierung der Transformation in den kommenden Jahren entscheidend:

  1. Vereinheitlichung, Konsistenz und Vereinfachung der Sustainable-Finance-Regulierung auf europäischer und internationaler Ebene, um die Wirkung und Effizienz nachhaltiger Finanzierungen signifikant zu erhöhen und Planungssicherheit für KMU und Konzerne in Deutschland zu erhöhen

  2. Konsequente Ausrichtung der Kredit- und Fördervergabe an standardisierten Nachhaltigkeitskriterien, um mit einer schnellen und effizienten Finanzierung der Transformation, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu erhöhen

  3. Steuerlich begünstigte Klimasparangebote für Kleinanleger und Einrichtung eines steuerlich geförderten Deutschen Transformationsfonds zur Beteiligung von vermögenden Privatanlegern an der Transformationsfinanzierung

  4. Intensivierung der länderübergreifenden Zusammenarbeit, um einen international tragfähigen Rahmen zur Finanzierung der Transformation in eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu schaffen

Mit diesen Maßnahmen kann die Kraft privater Investorinnen und Investoren zur wettbewerbsfähigen und klimaresilienten Modernisierung unseres Wirtschaftsstandortes genutzt werden. Denn klar ist auch: Wenn wir diese Transformation nicht schnell angehen und sie nicht jetzt gemeinsam gestalten, werden die Folgen zu wesentlichen höheren gesellschaftlichen Verwerfungen und wirtschaftlichen Kosten führen, als wir dies aktuell ohnehin schon beobachten können.

¹Vgl. Draghi-Report, BDI-Studie „Transformationspfade für das Industrieland Deutschland, KfW et.al.

© Jana Mai

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