Digitalisierung und Nachhaltigkeit – no green deal without digital!

Der Green Deal der Europäischen Union und die Nachhaltigkeitsagenda der Ampel-Koalition sind Ausruck des politischen Willens, Digitalisierung und Nachhaltigkeit ganzheitlich als „Twin Transition“ zu betrachten und ordnungspolitisch zu gestalten. Gleichzeitig zeigen Untersuchungen wie die Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ große Potenziale für wirtschaftlich wie ökologisch nachhaltige Geschätftsmodelle auf Basis digitaler Technologien.

Gastbeitrag von Walter Haas

Tatsächlich bieten digitale Lösungen Optimierungspotenziale in nahezu allen Bereichen: sei es die virtuelle Produktentwicklung mittels digitaler Zwillinge, eine intelligentere Verkehrssteuerung, der umweltfreundliche Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft, die Optimierung von Logistikprozessen oder die Echtzeitverwaltung riesiger Datenströme im dezentralen Energiesystem.

Grundsätzliche Voraussetzung sind Datenökosysteme, digitale Systemlösungen entlang von Wertschöpfungsketten und kollaborative Ansätze für Datenaustausch und –nutzung. Beispielshaft lässt sich das anhand der Anwedungsfelder Mobilität und Kreislaufwirtschaft sehr gut beleuchten.

Anwendungsfeld Mobilität
Die E-Mobilität ist für die Nachhaltigkeitswende ein wichtiger Baustein. Sie alleine wird allerdings kaum ausreichen, um die ambitionierten THG-Reduktionsziele für den Transsportsektor zu erreichen. Vielmehr gilt es, den PKW-Verkehr durch einen umfassenden Verkehrsverbund zu ergänzen, einem digital organisierten Zusammenspiel von Gehen, Radfahren, öffentlichem Verkehr und flexiblen Sharing-Lösungen.

Digitale Lösungen sind der Schlüssel für intuitive, benutzerfreundliche One-Stop-Systeme, die unterschiedliche Mobilitätslösungen integrieren und eine durchgängige Buchung der gesamten Reise ermöglichen. Dies erfordert allerdings einheitliche Standards für Dateneinspeisungen, Zugriffsmethoden auf Buchungssysteme und Echtzeitinformationen über verfügbare Mobilitätsoptionen.

Die Mobilitätsdatenverordnung vom September 2021 sieht die Schaffung eines Mobilitätsdatenraums vor, der Fahrpläne, Routen und Ticketpreise in ganz Deutschland auf einer einzigen Plattform zusammenführt. Das ist eine wichtige Grundlage, die es nun mit dem Ziel weiterzuentwickeln gilt, Daten unter gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Mobilitätsanbieter nutzbar zu machen und neue innovative Geschäftsmodelle zu ermöglichen.

Anwendungsfeld Kreislaufwirtschaft
Ebenso wie die nachhaltige Neuorganisation des Mobilitätssektors, erfordert auch die Kreislaufwirtschaft einen systemischen Ansatz, der über das Handeln einzelner Unternehmen und Akteure hinausgeht. Grundlegende Voraussetzung für die Kreislaufwirtschaft ist der Zugang zu Informationen über vorgelagerte Produktionsschritte und ein Verständnis für die Auswirkungen des eigenen unternehmerischen Handelns auf die nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette. Die Verknüpfung von physischen Stoffströmen mit digitalen Datenströmen ist hierfür unerlässlich – ohne Daten gibt es keine Kreislaufwirtschaft. Die Kreislaufwirtschaft ist als eine datengesteuerte Wirtschaft zu verstehen.

Die Einführung eines digitalen Produktpasses und damit verbundener Informationssysteme verspricht, die Transparenz entlang der Lieferketten zu erhöhen und die Ressourceneffizienz zu steigern. Dies sollte durch ehrgeizige politische Leitlinien wie Quoten für die Verwendung von Sekundärmaterialien aus dem Recycling, Ökodesign-Grundsätze, erweiterte Verbraucherrechte (Right2Repair) usw. eingerahmt werden, um Märkte für Kreislaufwirtschaftsmodelle zu gestalten.Ein solcher Rahmen fehlt leider noch vollends.

FAZIT
Klimaneutralität 2050 – Net Zero CO2 – bedeutet eine grundlegende Neuorganisation unserer Gesellschaften, Mobilitätssysteme, Städte und Industrien. Dies ist mithilfe und auf Basis bereits heute vorhandener digitaler Technologien möglich. Zentrale Herausforderung bleibt allerdings, Vereinbarungen über die Interoperabilität zu treffen, geeignete Institutionen und Datentreuhandgesellschaften zu schaffen, sowie das Know-how für den Umgang mit Daten zu organisieren.

Da hierbei weder fragmentierte Lösungen, noch Monopole erstrebenswert sind, gibt es keine Alternative zum kollaborativen Vorgehen. Für eine erfoglreiche Transformation benötigen wir also mutige und gezielte politisch-regulatorische Anreize sowie ein entschlossenes, strategieorientiertes Handeln von Entscheidungsträgern an den Spitzen der Unternehmen!

Klimaneutralität 2050 – Net Zero CO2 – bedeutet eine grundlegende Neuorganisation unserer Gesellschaften, Mobilitätssysteme, Städte und Industrien.

Walter HaasCTO, Mitglied der Geschäftsleitung, Huawei Technologies Deutschland GmbH

www.huawei.com/de

Dieser Fachbeitrag beruht auf den Ergebnissen der Studienreihe ShapingDIT, Digitalisierung gestalten – Transformation zur Nachhaltigkeit ermöglichen, Wuppertal Institut im Auftrag von Huawei, 04/2021-03/2022.

Handelsblatt Journal Energiewirtschaft
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Energiewirtschaft“ erschienen.
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